Scene, da knickt es dicht neben uns im Unterholz, und das rasche, laut-ängstliche Athmen eines Kurzathmigen läßt keinen Zweifel dar- über, wer im Anzug ist; -- ihre beiden Zwillinge vorauf, den Ehegemahl mit der Janitschar hinter sich, ist die Frau Amts- actuarius auf die Waldwiese herausgetreten, und vor ihrer Erschei- nung ist der Zauber entflohen. Der Ringelreihen schweigt und die Werneuchner Dorfjugend hat ihr Elfenthum abgestreift. Das junge Volk (Kinder aus dem Pfarrhaus und deren Gespielen aus dem Dorfe) stürzt mit Jubelgeschrei und in wildem Durcheinander den Ankommenden entgegen.
Wir sind nicht Augenzeugen der Begrüßungsscene, die folgt, wir sehen auch nicht, wie der reizende Blondkopf, der noch eben auf dem Elsenstumpfe stand, das bewunderte Geschenk aus den Händen seines Pathen empfängt; wir betheiligen uns auch nicht an "Hirsch und Jäger," das nun zur Aufführung kommt und zwischen den Horatiern und Curiatiern von Werneuchen und Loehme zu einer Art Wettkampf führt, -- wir gönnen der Gruppe am Feuer ihr Geplauder und den Kindern im Wald ihre Spiele, und gesellen uns erst wieder zu ihnen, als sie um die Abendstunde, unermüdet vom Singen und Springen, den Heimmarsch antreten. Halben Weges zwischen dem Gamen-Grund und Werneuchen, dessen Kirchthurm eben jetzt im Scheine der untergehenden Sonne blinkt, begegnen wir dem Völkchen wieder und lassen den phanta- stischen Zug an uns vorüberziehen. Voran Klein-Ulrich, der Held des Tages; er hält sein Geburtstagsgeschenk in beiden Händen und immer, wenn er den halben Mond hin und her schüttelt, schüttelt er unwillkürlich auch den Kopf und seine Locken tanzen hin und her nach dem Tacte der Glöckchen und Schellen. Unmit- mittelbar hinter "Uleken" folgen die Zwillinge, -- als Ehrengästen gebührt ihnen mindestens der zweite Platz; der eine bläst auf dem Kaffeetrichter, während der andere den Deckel der Milchkanne gegen den blechernen Boden schlägt. Nun kommt der Fahnenträger, das ist Heinrich, "Ulekens" ältester Bruder; er trägt eine junge Birke, hinter deren Blättern sich sein Gesicht versteckt. Dicht aufmarschirt
Scene, da knickt es dicht neben uns im Unterholz, und das raſche, laut-ängſtliche Athmen eines Kurzathmigen läßt keinen Zweifel dar- über, wer im Anzug iſt; — ihre beiden Zwillinge vorauf, den Ehegemahl mit der Janitſchar hinter ſich, iſt die Frau Amts- actuarius auf die Waldwieſe herausgetreten, und vor ihrer Erſchei- nung iſt der Zauber entflohen. Der Ringelreihen ſchweigt und die Werneuchner Dorfjugend hat ihr Elfenthum abgeſtreift. Das junge Volk (Kinder aus dem Pfarrhaus und deren Geſpielen aus dem Dorfe) ſtürzt mit Jubelgeſchrei und in wildem Durcheinander den Ankommenden entgegen.
Wir ſind nicht Augenzeugen der Begrüßungsſcene, die folgt, wir ſehen auch nicht, wie der reizende Blondkopf, der noch eben auf dem Elſenſtumpfe ſtand, das bewunderte Geſchenk aus den Händen ſeines Pathen empfängt; wir betheiligen uns auch nicht an „Hirſch und Jäger,“ das nun zur Aufführung kommt und zwiſchen den Horatiern und Curiatiern von Werneuchen und Loehme zu einer Art Wettkampf führt, — wir gönnen der Gruppe am Feuer ihr Geplauder und den Kindern im Wald ihre Spiele, und geſellen uns erſt wieder zu ihnen, als ſie um die Abendſtunde, unermüdet vom Singen und Springen, den Heimmarſch antreten. Halben Weges zwiſchen dem Gamen-Grund und Werneuchen, deſſen Kirchthurm eben jetzt im Scheine der untergehenden Sonne blinkt, begegnen wir dem Völkchen wieder und laſſen den phanta- ſtiſchen Zug an uns vorüberziehen. Voran Klein-Ulrich, der Held des Tages; er hält ſein Geburtstagsgeſchenk in beiden Händen und immer, wenn er den halben Mond hin und her ſchüttelt, ſchüttelt er unwillkürlich auch den Kopf und ſeine Locken tanzen hin und her nach dem Tacte der Glöckchen und Schellen. Unmit- mittelbar hinter „Uleken“ folgen die Zwillinge, — als Ehrengäſten gebührt ihnen mindeſtens der zweite Platz; der eine bläſt auf dem Kaffeetrichter, während der andere den Deckel der Milchkanne gegen den blechernen Boden ſchlägt. Nun kommt der Fahnenträger, das iſt Heinrich, „Ulekens“ älteſter Bruder; er trägt eine junge Birke, hinter deren Blättern ſich ſein Geſicht verſteckt. Dicht aufmarſchirt
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Scene, da knickt es dicht neben uns im Unterholz, und das raſche,
laut-ängſtliche Athmen eines Kurzathmigen läßt keinen Zweifel dar-
über, wer im Anzug iſt; — ihre beiden Zwillinge vorauf, den
Ehegemahl mit der Janitſchar hinter ſich, iſt die Frau Amts-
actuarius auf die Waldwieſe herausgetreten, und vor ihrer Erſchei-
nung iſt der Zauber entflohen. Der Ringelreihen ſchweigt und die
Werneuchner Dorfjugend hat ihr Elfenthum abgeſtreift. Das junge
Volk (Kinder aus dem Pfarrhaus und deren Geſpielen aus dem
Dorfe) ſtürzt mit Jubelgeſchrei und in wildem Durcheinander den
Ankommenden entgegen.
Wir ſind nicht Augenzeugen der Begrüßungsſcene, die folgt,
wir ſehen auch nicht, wie der reizende Blondkopf, der noch eben
auf dem Elſenſtumpfe ſtand, das bewunderte Geſchenk aus den
Händen ſeines Pathen empfängt; wir betheiligen uns auch nicht
an „Hirſch und Jäger,“ das nun zur Aufführung kommt und
zwiſchen den Horatiern und Curiatiern von Werneuchen und Loehme
zu einer Art Wettkampf führt, — wir gönnen der Gruppe am
Feuer ihr Geplauder und den Kindern im Wald ihre Spiele, und
geſellen uns erſt wieder zu ihnen, als ſie um die Abendſtunde,
unermüdet vom Singen und Springen, den Heimmarſch antreten.
Halben Weges zwiſchen dem Gamen-Grund und Werneuchen,
deſſen Kirchthurm eben jetzt im Scheine der untergehenden Sonne
blinkt, begegnen wir dem Völkchen wieder und laſſen den phanta-
ſtiſchen Zug an uns vorüberziehen. Voran Klein-Ulrich, der Held
des Tages; er hält ſein Geburtstagsgeſchenk in beiden Händen
und immer, wenn er den halben Mond hin und her ſchüttelt,
ſchüttelt er unwillkürlich auch den Kopf und ſeine Locken tanzen
hin und her nach dem Tacte der Glöckchen und Schellen. Unmit-
mittelbar hinter „Uleken“ folgen die Zwillinge, — als Ehrengäſten
gebührt ihnen mindeſtens der zweite Platz; der eine bläſt auf dem
Kaffeetrichter, während der andere den Deckel der Milchkanne gegen
den blechernen Boden ſchlägt. Nun kommt der Fahnenträger, das
iſt Heinrich, „Ulekens“ älteſter Bruder; er trägt eine junge Birke,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/299>, abgerufen am 23.11.2024.
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