Bachs begleitet, bald sie kreuzt und überbrückt, -- so hat er end- lich die hochgelegene Lieblingsbank am Rande des Parks erreicht, die, von Buchenzweigen weit überschattet, nach vorn hin einen Blick gönnt auf Felder und wogendes Korn. Er läßt sich nieder hier und Figuren in den Sand zeichnend, ziehen die wechselnden Bilder seines Lebens an ihm vorüber.
Das sind die sonnigen Tage seiner Jugend. Die krainischen Alpen liegen hinter ihm, eine kurze Meerfahrt ist überstanden und um die Spitze des Lido herum, biegt er ein in die Lagunenstadt. Welche Welt thut sich vor ihm auf; die Thürme und Kuppeln blinken im Sonnenlicht, und als zöge man hinaus, um festlich einen Fürsten einzuholen, so schwimmt die Königin der Meere auf hundert Barken ihm entgegen. Aber was wie ein Wunder scheint, ist nur ein glückliches Ohngefähr; die heiteren Reisegötter führen ihn in die Lagunenstadt, just am Tage der Meervermählung, wo der Doge im Bucentauro hinausgleitet, um den Ring, das Zeug- niß und die Besieglung des Bundes, in das Meer zu senken.
Die Bilder Venedigs versinken hinter ihm, aber der Kahn des Traumes führt ihn weiter, jetzt zurück auf die hohe See, jetzt an dem Küstenbogen entlang, der zwischen Sorrent und Neapel sich spannt, jetzt den Rhein hinunter und jetzt die Themse hinauf, hinauf bis an die Londonbrücke, wo die Schiffe den Strom sperren und die Masten im Fluß und die Thürme am Ufer den Blick be- zaubern und verwirren. Die alte Landungstreppe steigt er hinan, die abgetreten und ausgewaschen zum Quai hinaufführt, und das Geräusch der City nimmt ihn auf. Immer wachsendes Gedränge umwogt ihn hier, und endlich Stand nehmend auf der Hügelkuppe von Ludgate Hill, wo eben die Quadersteine geschnitten werden, aus denen dereinst die neue Paulskirche sich aufrichten soll, sieht er jetzt, von einem der hohen Steinblöcke aus, die Lordmayors- Prozession in alterthümlichem Pomp an sich vorüberziehen. Die Themseschiffer in rothen Röcken eröffnen den Zug, dann schmettern Pauken und Trompeten, bis endlich all der musikalische Lärm in dem Jubelgeschrei des Volkes erstickt, denn schwerfällig, aus Eichen-
Bachs begleitet, bald ſie kreuzt und überbrückt, — ſo hat er end- lich die hochgelegene Lieblingsbank am Rande des Parks erreicht, die, von Buchenzweigen weit überſchattet, nach vorn hin einen Blick gönnt auf Felder und wogendes Korn. Er läßt ſich nieder hier und Figuren in den Sand zeichnend, ziehen die wechſelnden Bilder ſeines Lebens an ihm vorüber.
Das ſind die ſonnigen Tage ſeiner Jugend. Die krainiſchen Alpen liegen hinter ihm, eine kurze Meerfahrt iſt überſtanden und um die Spitze des Lido herum, biegt er ein in die Lagunenſtadt. Welche Welt thut ſich vor ihm auf; die Thürme und Kuppeln blinken im Sonnenlicht, und als zöge man hinaus, um feſtlich einen Fürſten einzuholen, ſo ſchwimmt die Königin der Meere auf hundert Barken ihm entgegen. Aber was wie ein Wunder ſcheint, iſt nur ein glückliches Ohngefähr; die heiteren Reiſegötter führen ihn in die Lagunenſtadt, juſt am Tage der Meervermählung, wo der Doge im Bucentauro hinausgleitet, um den Ring, das Zeug- niß und die Beſieglung des Bundes, in das Meer zu ſenken.
Die Bilder Venedigs verſinken hinter ihm, aber der Kahn des Traumes führt ihn weiter, jetzt zurück auf die hohe See, jetzt an dem Küſtenbogen entlang, der zwiſchen Sorrent und Neapel ſich ſpannt, jetzt den Rhein hinunter und jetzt die Themſe hinauf, hinauf bis an die Londonbrücke, wo die Schiffe den Strom ſperren und die Maſten im Fluß und die Thürme am Ufer den Blick be- zaubern und verwirren. Die alte Landungstreppe ſteigt er hinan, die abgetreten und ausgewaſchen zum Quai hinaufführt, und das Geräuſch der City nimmt ihn auf. Immer wachſendes Gedränge umwogt ihn hier, und endlich Stand nehmend auf der Hügelkuppe von Ludgate Hill, wo eben die Quaderſteine geſchnitten werden, aus denen dereinſt die neue Paulskirche ſich aufrichten ſoll, ſieht er jetzt, von einem der hohen Steinblöcke aus, die Lordmayors- Prozeſſion in alterthümlichem Pomp an ſich vorüberziehen. Die Themſeſchiffer in rothen Röcken eröffnen den Zug, dann ſchmettern Pauken und Trompeten, bis endlich all der muſikaliſche Lärm in dem Jubelgeſchrei des Volkes erſtickt, denn ſchwerfällig, aus Eichen-
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Bachs begleitet, bald ſie kreuzt und überbrückt, — ſo hat er end-
lich die hochgelegene Lieblingsbank am Rande des Parks erreicht,
die, von Buchenzweigen weit überſchattet, nach vorn hin einen Blick
gönnt auf Felder und wogendes Korn. Er läßt ſich nieder hier
und Figuren in den Sand zeichnend, ziehen die wechſelnden Bilder
ſeines Lebens an ihm vorüber.
Das ſind die ſonnigen Tage ſeiner Jugend. Die krainiſchen
Alpen liegen hinter ihm, eine kurze Meerfahrt iſt überſtanden und
um die Spitze des Lido herum, biegt er ein in die Lagunenſtadt.
Welche Welt thut ſich vor ihm auf; die Thürme und Kuppeln
blinken im Sonnenlicht, und als zöge man hinaus, um feſtlich
einen Fürſten einzuholen, ſo ſchwimmt die Königin der Meere auf
hundert Barken ihm entgegen. Aber was wie ein Wunder ſcheint,
iſt nur ein glückliches Ohngefähr; die heiteren Reiſegötter führen
ihn in die Lagunenſtadt, juſt am Tage der Meervermählung, wo
der Doge im Bucentauro hinausgleitet, um den Ring, das Zeug-
niß und die Beſieglung des Bundes, in das Meer zu ſenken.
Die Bilder Venedigs verſinken hinter ihm, aber der Kahn
des Traumes führt ihn weiter, jetzt zurück auf die hohe See,
jetzt an dem Küſtenbogen entlang, der zwiſchen Sorrent und Neapel
ſich ſpannt, jetzt den Rhein hinunter und jetzt die Themſe hinauf,
hinauf bis an die Londonbrücke, wo die Schiffe den Strom ſperren
und die Maſten im Fluß und die Thürme am Ufer den Blick be-
zaubern und verwirren. Die alte Landungstreppe ſteigt er hinan,
die abgetreten und ausgewaſchen zum Quai hinaufführt, und das
Geräuſch der City nimmt ihn auf. Immer wachſendes Gedränge
umwogt ihn hier, und endlich Stand nehmend auf der Hügelkuppe
von Ludgate Hill, wo eben die Quaderſteine geſchnitten werden,
aus denen dereinſt die neue Paulskirche ſich aufrichten ſoll, ſieht
er jetzt, von einem der hohen Steinblöcke aus, die Lordmayors-
Prozeſſion in alterthümlichem Pomp an ſich vorüberziehen. Die
Themſeſchiffer in rothen Röcken eröffnen den Zug, dann ſchmettern
Pauken und Trompeten, bis endlich all der muſikaliſche Lärm in
dem Jubelgeſchrei des Volkes erſtickt, denn ſchwerfällig, aus Eichen-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/280>, abgerufen am 23.11.2024.
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