Loeben als erster Rath in diesen Regentschafts-Körper berufen wurde. Aus diesem damals gegründeten "Geheimen Rath" ging später der "Staats-Rath" hervor. Johann von Loeben wurde Kanzler (bei jungen Jahren noch) und stieg so hoch wie ein Diener steigen mag im Dienst und in der Liebe seines Herrn, aber Leid und Bitterkeit des Lebens erreichten auch ihn. Wie er die höchste fürstliche Gnade kennen gelernt hatte, so kam Ungnade über ihn, wie der Dieb in der Nacht. Fast unmittelbar nach Joachim Fried- richs Tode (1609) schied er aus dem Staatsdienst, um "procul negotiis" in der heitern Umgebung Blumberg's, die Freuden und Leiden glänzenderer Tage zu vergessen. 1629, in mitten der Wirren des 30jährigen Krieges wurde er noch einmal auf den Schauplatz berufen, um der schwachen und haltlosen Politik George Wil- helms Halt und Richtung zu geben, aber wo keine Kraft der Aus- führung war, da wogen der Rath des Weisen und das Wort des Thoren gleich schwer und nach kurzem Verweilen am kurfürstlichen Hofe zog er sich zum zweiten Mal in die Stille seines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er den Begebenheiten, und die letzten Jahre seines Lebens, verbittert durch so manche Erfahrung, brachten ihm wenigstens die eine Freude noch, daß ihm vergönnt war, den Stern seines Schwiegersohns, Conrads von Burgs- dorf, glänzend aufgehen zu sehen.
(Frau von Burgsdorf.) Die Bildnisse des alten Kanzlers und seines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der Kanzel abge- wendet, in das alte Kirchenschiff hinein; an der Innen-Seite der beiden Pfeiler aber, so daß sie sich einander in's Auge sehen, hin- gen bis vor Kurzem zwei andre interessante Porträts, die Bildnisse der alten Frau von Burgsdorf (der Tochter Johanns von Loeben) und ihres Enkels, des Poeten Canitz. Dies tete a tete zwischen Großmutter und Enkel ist neuerdings gestört worden; die Kirchen- vorstände haben das Bildniß des Poeten in unerklärlicher Ver- blendung für eine kaum nennenswerthe Summe verkauft. Es ist dies um so beklagenswerther, als die Kirche jedes andern Bildes eher entbehrt haben könnte als dieses einen. Denn die eigentliche
Loeben als erſter Rath in dieſen Regentſchafts-Körper berufen wurde. Aus dieſem damals gegründeten „Geheimen Rath“ ging ſpäter der „Staats-Rath“ hervor. Johann von Loeben wurde Kanzler (bei jungen Jahren noch) und ſtieg ſo hoch wie ein Diener ſteigen mag im Dienſt und in der Liebe ſeines Herrn, aber Leid und Bitterkeit des Lebens erreichten auch ihn. Wie er die höchſte fürſtliche Gnade kennen gelernt hatte, ſo kam Ungnade über ihn, wie der Dieb in der Nacht. Faſt unmittelbar nach Joachim Fried- richs Tode (1609) ſchied er aus dem Staatsdienſt, um „procul negotiis“ in der heitern Umgebung Blumberg’s, die Freuden und Leiden glänzenderer Tage zu vergeſſen. 1629, in mitten der Wirren des 30jährigen Krieges wurde er noch einmal auf den Schauplatz berufen, um der ſchwachen und haltloſen Politik George Wil- helms Halt und Richtung zu geben, aber wo keine Kraft der Aus- führung war, da wogen der Rath des Weiſen und das Wort des Thoren gleich ſchwer und nach kurzem Verweilen am kurfürſtlichen Hofe zog er ſich zum zweiten Mal in die Stille ſeines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er den Begebenheiten, und die letzten Jahre ſeines Lebens, verbittert durch ſo manche Erfahrung, brachten ihm wenigſtens die eine Freude noch, daß ihm vergönnt war, den Stern ſeines Schwiegerſohns, Conrads von Burgs- dorf, glänzend aufgehen zu ſehen.
(Frau von Burgsdorf.) Die Bildniſſe des alten Kanzlers und ſeines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der Kanzel abge- wendet, in das alte Kirchenſchiff hinein; an der Innen-Seite der beiden Pfeiler aber, ſo daß ſie ſich einander in’s Auge ſehen, hin- gen bis vor Kurzem zwei andre intereſſante Porträts, die Bildniſſe der alten Frau von Burgsdorf (der Tochter Johanns von Loeben) und ihres Enkels, des Poeten Canitz. Dies tête à tête zwiſchen Großmutter und Enkel iſt neuerdings geſtört worden; die Kirchen- vorſtände haben das Bildniß des Poeten in unerklärlicher Ver- blendung für eine kaum nennenswerthe Summe verkauft. Es iſt dies um ſo beklagenswerther, als die Kirche jedes andern Bildes eher entbehrt haben könnte als dieſes einen. Denn die eigentliche
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Loeben als erſter Rath in dieſen Regentſchafts-Körper berufen
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ſpäter der „Staats-Rath“ hervor. Johann von Loeben wurde
Kanzler (bei jungen Jahren noch) und ſtieg ſo hoch wie ein Diener
ſteigen mag im Dienſt und in der Liebe ſeines Herrn, aber Leid
und Bitterkeit des Lebens erreichten auch ihn. Wie er die höchſte
fürſtliche Gnade kennen gelernt hatte, ſo kam Ungnade über ihn,
wie der Dieb in der Nacht. Faſt unmittelbar nach Joachim Fried-
richs Tode (1609) ſchied er aus dem Staatsdienſt, um „procul
negotiis“ in der heitern Umgebung Blumberg’s, die Freuden und
Leiden glänzenderer Tage zu vergeſſen. 1629, in mitten der Wirren
des 30jährigen Krieges wurde er noch einmal auf den Schauplatz
berufen, um der ſchwachen und haltloſen Politik George Wil-
helms Halt und Richtung zu geben, aber wo keine Kraft der Aus-
führung war, da wogen der Rath des Weiſen und das Wort des
Thoren gleich ſchwer und nach kurzem Verweilen am kurfürſtlichen
Hofe zog er ſich zum zweiten Mal in die Stille ſeines Landguts
zurück. Nur als Beobachter folgte er den Begebenheiten, und die
letzten Jahre ſeines Lebens, verbittert durch ſo manche Erfahrung,
brachten ihm wenigſtens die eine Freude noch, daß ihm vergönnt
war, den Stern ſeines Schwiegerſohns, Conrads von Burgs-
dorf, glänzend aufgehen zu ſehen.
(Frau von Burgsdorf.) Die Bildniſſe des alten Kanzlers
und ſeines Ehegemahls blicken, dem Anbau und der Kanzel abge-
wendet, in das alte Kirchenſchiff hinein; an der Innen-Seite der
beiden Pfeiler aber, ſo daß ſie ſich einander in’s Auge ſehen, hin-
gen bis vor Kurzem zwei andre intereſſante Porträts, die Bildniſſe
der alten Frau von Burgsdorf (der Tochter Johanns von Loeben)
und ihres Enkels, des Poeten Canitz. Dies tête à tête zwiſchen
Großmutter und Enkel iſt neuerdings geſtört worden; die Kirchen-
vorſtände haben das Bildniß des Poeten in unerklärlicher Ver-
blendung für eine kaum nennenswerthe Summe verkauft. Es iſt
dies um ſo beklagenswerther, als die Kirche jedes andern Bildes
eher entbehrt haben könnte als dieſes einen. Denn die eigentliche
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/274>, abgerufen am 22.11.2024.
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