man nicht trauen muß; divertissant beim Essen, hernach einsperren," ziemlich zutreffend charakterisirt hat und dessen Memoiren gegenüber doch der Ausspruch wahr bleibt: "sie sind leichter zu tadeln als zu entbehren." In dem Aufsatze "Schloß Oranienburg" hab' ich seiner ausführlich erwähnt. Gebhard Bernhard von Poellnitz war der Großvater des Memoirenschreibers und, wie es sich für einen General und Oberstallmeister geziemt, mehr ausgezeichnet mit dem Degen als mit der Feder.
Ein Zweifel, den nichts desto weniger der Freiherr Truchseß von Waldburg gegen den Muth und die soldatische Ehre des Oberstallmeisters erhob, führte zu einem der seltsamsten Duelle, die je gefochten worden. Die beiden Gegner trafen sich (1664) auf dem sogenannten "Ochsengrieß," einer Wiese in der Nähe von Wien. Sie hatten beide von Berlin aus diese Reise machen müssen, weil die vielen Duelle, die damals am brandenburgischen Hofe vorkamen, zu den allerschärfsten Erlassen gegen den Zweikampf ge- führt hatten. Das Duell sollte zu Pferde stattfinden und die Kugeln in möglichster Nähe a tempo gewechselt werden. Der Ober- stallmeister ritt an den Freiherrn Truchseß heran und fragte ihn, ob er gesagt habe: er habe ihn (den Poellnitz) coujonirt und keine Satisfaction bekommen können. Truchseß antwortete: "Ja, das habe ich gesagt." Darauf wurden die Pistolen abgefeuert und in Gegenwart der Secundanten frisch geladen. Poellnitz fragte voll Cour- toisie: "ob man die Pferde wechseln wolle," was Truchseß ablehnte. Man ritt nun in lebhaftem Schritt an einander heran und schoß auf nächste Distance. Die Kugel des Truchseß streifte den Ober- stallmeister über den Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den Truchseß tödtlich. Er sank zur Seite und hielt sich mühsam im Sattel. Poellnitz fragte ihn jetzt: "Müsset Ihr nunmehro nicht zugestehen, daß Ihr mir Unrecht gethan und meine Ehre ohne Grund gekränkt habt?" worauf Truchseß erwiederte: "Ich habe euch Unrecht gethan und bitte, daß Ihr mir vergeben wollt." Man nahm den Truchseß nun vom Pferde und legte ihn auf den Rasen. Der Oberstallmeister kniete an seiner Seite nieder und
man nicht trauen muß; divertiſſant beim Eſſen, hernach einſperren,“ ziemlich zutreffend charakteriſirt hat und deſſen Memoiren gegenüber doch der Ausſpruch wahr bleibt: „ſie ſind leichter zu tadeln als zu entbehren.“ In dem Aufſatze „Schloß Oranienburg“ hab’ ich ſeiner ausführlich erwähnt. Gebhard Bernhard von Poellnitz war der Großvater des Memoirenſchreibers und, wie es ſich für einen General und Oberſtallmeiſter geziemt, mehr ausgezeichnet mit dem Degen als mit der Feder.
Ein Zweifel, den nichts deſto weniger der Freiherr Truchſeß von Waldburg gegen den Muth und die ſoldatiſche Ehre des Oberſtallmeiſters erhob, führte zu einem der ſeltſamſten Duelle, die je gefochten worden. Die beiden Gegner trafen ſich (1664) auf dem ſogenannten „Ochſengrieß,“ einer Wieſe in der Nähe von Wien. Sie hatten beide von Berlin aus dieſe Reiſe machen müſſen, weil die vielen Duelle, die damals am brandenburgiſchen Hofe vorkamen, zu den allerſchärfſten Erlaſſen gegen den Zweikampf ge- führt hatten. Das Duell ſollte zu Pferde ſtattfinden und die Kugeln in möglichſter Nähe a tempo gewechſelt werden. Der Ober- ſtallmeiſter ritt an den Freiherrn Truchſeß heran und fragte ihn, ob er geſagt habe: er habe ihn (den Poellnitz) coujonirt und keine Satisfaction bekommen können. Truchſeß antwortete: „Ja, das habe ich geſagt.“ Darauf wurden die Piſtolen abgefeuert und in Gegenwart der Secundanten friſch geladen. Poellnitz fragte voll Cour- toiſie: „ob man die Pferde wechſeln wolle,“ was Truchſeß ablehnte. Man ritt nun in lebhaftem Schritt an einander heran und ſchoß auf nächſte Diſtance. Die Kugel des Truchſeß ſtreifte den Ober- ſtallmeiſter über den Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den Truchſeß tödtlich. Er ſank zur Seite und hielt ſich mühſam im Sattel. Poellnitz fragte ihn jetzt: „Müſſet Ihr nunmehro nicht zugeſtehen, daß Ihr mir Unrecht gethan und meine Ehre ohne Grund gekränkt habt?“ worauf Truchſeß erwiederte: „Ich habe euch Unrecht gethan und bitte, daß Ihr mir vergeben wollt.“ Man nahm den Truchſeß nun vom Pferde und legte ihn auf den Raſen. Der Oberſtallmeiſter kniete an ſeiner Seite nieder und
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man nicht trauen muß; divertiſſant beim Eſſen, hernach einſperren,“
ziemlich zutreffend charakteriſirt hat und deſſen Memoiren gegenüber
doch der Ausſpruch wahr bleibt: „ſie ſind leichter zu tadeln als
zu entbehren.“ In dem Aufſatze „Schloß Oranienburg“ hab’ ich
ſeiner ausführlich erwähnt. Gebhard Bernhard von Poellnitz war
der Großvater des Memoirenſchreibers und, wie es ſich für einen
General und Oberſtallmeiſter geziemt, mehr ausgezeichnet mit dem
Degen als mit der Feder.
Ein Zweifel, den nichts deſto weniger der Freiherr Truchſeß
von Waldburg gegen den Muth und die ſoldatiſche Ehre des
Oberſtallmeiſters erhob, führte zu einem der ſeltſamſten Duelle, die
je gefochten worden. Die beiden Gegner trafen ſich (1664) auf
dem ſogenannten „Ochſengrieß,“ einer Wieſe in der Nähe von
Wien. Sie hatten beide von Berlin aus dieſe Reiſe machen müſſen,
weil die vielen Duelle, die damals am brandenburgiſchen Hofe
vorkamen, zu den allerſchärfſten Erlaſſen gegen den Zweikampf ge-
führt hatten. Das Duell ſollte zu Pferde ſtattfinden und die
Kugeln in möglichſter Nähe a tempo gewechſelt werden. Der Ober-
ſtallmeiſter ritt an den Freiherrn Truchſeß heran und fragte ihn,
ob er geſagt habe: er habe ihn (den Poellnitz) coujonirt und keine
Satisfaction bekommen können. Truchſeß antwortete: „Ja, das
habe ich geſagt.“ Darauf wurden die Piſtolen abgefeuert und in
Gegenwart der Secundanten friſch geladen. Poellnitz fragte voll Cour-
toiſie: „ob man die Pferde wechſeln wolle,“ was Truchſeß ablehnte.
Man ritt nun in lebhaftem Schritt an einander heran und ſchoß
auf nächſte Diſtance. Die Kugel des Truchſeß ſtreifte den Ober-
ſtallmeiſter über den Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den
Truchſeß tödtlich. Er ſank zur Seite und hielt ſich mühſam im
Sattel. Poellnitz fragte ihn jetzt: „Müſſet Ihr nunmehro nicht
zugeſtehen, daß Ihr mir Unrecht gethan und meine Ehre ohne
Grund gekränkt habt?“ worauf Truchſeß erwiederte: „Ich habe
euch Unrecht gethan und bitte, daß Ihr mir vergeben wollt.“
Man nahm den Truchſeß nun vom Pferde und legte ihn auf den
Raſen. Der Oberſtallmeiſter kniete an ſeiner Seite nieder und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/262>, abgerufen am 23.11.2024.
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