v. Jürgaß, v. Bader; die Lieutenants v. Reitzenstein, v. Heinecker, v. Troschke, und die Cornets von Schmanowski, Petri und v. Mahlen. Mit Ausnahme des Letzteren starben sie all' im Felde; v. Seel fiel als Oberst bei Hochkirch, v. Heinecker bei Zorndorf, v. Jürgaß bei Weiß-Costulitz, v. Wieck starb als Com- mandant v. Comorn in Ungarn; wie er dort hinkam -- unbe- kannt. Im ersten Augenblick, wenn man in den Saal tritt und diese 16 Zieten'schen Rothröcke mit Schnauzbärten und Tigerfellen auf sich herabblicken sieht, wird einem etwas unheimlich zu Muthe. Sie sehen zum Theil aus, als seien sie mit Blut gemalt, und der Rittmeister Langen, der vergebens trachtet, seinen Hasenscharten- Mund durch einen zwei Finger breiten Schnurrbart zu verbergen, zeigt einem zwei weiße Vorderzähne, als wollt' er einbeißen; dazu die Tigerdecke, -- man möchte am liebsten umkehren. Hat man aber erst fünf Minuten ausgehalten, so wird einem in dieser Ge- sellschaft ganz wohl, und man empfindet alsbald, daß eine Ruben- sche Bärenhatz oder ähnliche traditionelle Saal- und Hallen-Bilder hier viel weniger am Platze sein würden. Die alten Schnurrwichse fangen an, einem menschlich näher zu treten, und man erkennt schließlich, hinter all' dem Schreckensapparat, die wohlbekannten Märkisch-Pommerschen Gesichter, die nur von Dienst wegen das Martialische fast bis zum Diabolischen gesteigert haben. Die Bilder, zumeist von einem unbekannten Maler, Namens Haebert, herrüh- rend, sind gut erhalten und, mit Rücksicht auf die Zeit ihrer Ent- stehung, nicht schlecht gemalt: das Schöne fehlt noch, aber das Charakteristische ist da.
Der große Saal, in dem diese Bilder, neben so manchem anderen historischen Hausrath, sich vorfinden, nimmt mit Recht un- ser Hauptinteresse in Anspruch, aber noch vieles bleibt, in den andern Räumen des Hauses, unsrer Aufmerksamkeit übrig. Das ganze Schloß gleicht einer Art Zieten-Gallerie und wenige Zimmer treffen wir (ich erwähnte schon der Eintrittshalle im Erd- geschoß und ihres Chodowiecki), von deren Wänden uns nicht, sei es als Kupferstich oder Oelbild, als Büste oder Silhouette, das
v. Jürgaß, v. Bader; die Lieutenants v. Reitzenſtein, v. Heinecker, v. Troſchke, und die Cornets von Schmanowski, Petri und v. Mahlen. Mit Ausnahme des Letzteren ſtarben ſie all’ im Felde; v. Seel fiel als Oberſt bei Hochkirch, v. Heinecker bei Zorndorf, v. Jürgaß bei Weiß-Coſtulitz, v. Wieck ſtarb als Com- mandant v. Comorn in Ungarn; wie er dort hinkam — unbe- kannt. Im erſten Augenblick, wenn man in den Saal tritt und dieſe 16 Zieten’ſchen Rothröcke mit Schnauzbärten und Tigerfellen auf ſich herabblicken ſieht, wird einem etwas unheimlich zu Muthe. Sie ſehen zum Theil aus, als ſeien ſie mit Blut gemalt, und der Rittmeiſter Langen, der vergebens trachtet, ſeinen Haſenſcharten- Mund durch einen zwei Finger breiten Schnurrbart zu verbergen, zeigt einem zwei weiße Vorderzähne, als wollt’ er einbeißen; dazu die Tigerdecke, — man möchte am liebſten umkehren. Hat man aber erſt fünf Minuten ausgehalten, ſo wird einem in dieſer Ge- ſellſchaft ganz wohl, und man empfindet alsbald, daß eine Ruben- ſche Bärenhatz oder ähnliche traditionelle Saal- und Hallen-Bilder hier viel weniger am Platze ſein würden. Die alten Schnurrwichſe fangen an, einem menſchlich näher zu treten, und man erkennt ſchließlich, hinter all’ dem Schreckensapparat, die wohlbekannten Märkiſch-Pommerſchen Geſichter, die nur von Dienſt wegen das Martialiſche faſt bis zum Diaboliſchen geſteigert haben. Die Bilder, zumeiſt von einem unbekannten Maler, Namens Haebert, herrüh- rend, ſind gut erhalten und, mit Rückſicht auf die Zeit ihrer Ent- ſtehung, nicht ſchlecht gemalt: das Schöne fehlt noch, aber das Charakteriſtiſche iſt da.
Der große Saal, in dem dieſe Bilder, neben ſo manchem anderen hiſtoriſchen Hausrath, ſich vorfinden, nimmt mit Recht un- ſer Hauptintereſſe in Anſpruch, aber noch vieles bleibt, in den andern Räumen des Hauſes, unſrer Aufmerkſamkeit übrig. Das ganze Schloß gleicht einer Art Zieten-Gallerie und wenige Zimmer treffen wir (ich erwähnte ſchon der Eintrittshalle im Erd- geſchoß und ihres Chodowiecki), von deren Wänden uns nicht, ſei es als Kupferſtich oder Oelbild, als Büſte oder Silhouette, das
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v. Jürgaß, v. Bader; die Lieutenants v. Reitzenſtein, v. Heinecker,
v. Troſchke, und die Cornets von Schmanowski, Petri und
v. Mahlen. Mit Ausnahme des Letzteren ſtarben ſie all’ im
Felde; v. Seel fiel als Oberſt bei Hochkirch, v. Heinecker bei
Zorndorf, v. Jürgaß bei Weiß-Coſtulitz, v. Wieck ſtarb als Com-
mandant v. Comorn in Ungarn; wie er dort hinkam — unbe-
kannt. Im erſten Augenblick, wenn man in den Saal tritt und
dieſe 16 Zieten’ſchen Rothröcke mit Schnauzbärten und Tigerfellen
auf ſich herabblicken ſieht, wird einem etwas unheimlich zu Muthe.
Sie ſehen zum Theil aus, als ſeien ſie mit Blut gemalt, und
der Rittmeiſter Langen, der vergebens trachtet, ſeinen Haſenſcharten-
Mund durch einen zwei Finger breiten Schnurrbart zu verbergen,
zeigt einem zwei weiße Vorderzähne, als wollt’ er einbeißen; dazu
die Tigerdecke, — man möchte am liebſten umkehren. Hat man
aber erſt fünf Minuten ausgehalten, ſo wird einem in dieſer Ge-
ſellſchaft ganz wohl, und man empfindet alsbald, daß eine Ruben-
ſche Bärenhatz oder ähnliche traditionelle Saal- und Hallen-Bilder
hier viel weniger am Platze ſein würden. Die alten Schnurrwichſe
fangen an, einem menſchlich näher zu treten, und man erkennt
ſchließlich, hinter all’ dem Schreckensapparat, die wohlbekannten
Märkiſch-Pommerſchen Geſichter, die nur von Dienſt wegen das
Martialiſche faſt bis zum Diaboliſchen geſteigert haben. Die Bilder,
zumeiſt von einem unbekannten Maler, Namens Haebert, herrüh-
rend, ſind gut erhalten und, mit Rückſicht auf die Zeit ihrer Ent-
ſtehung, nicht ſchlecht gemalt: das Schöne fehlt noch, aber das
Charakteriſtiſche iſt da.
Der große Saal, in dem dieſe Bilder, neben ſo manchem
anderen hiſtoriſchen Hausrath, ſich vorfinden, nimmt mit Recht un-
ſer Hauptintereſſe in Anſpruch, aber noch vieles bleibt, in den
andern Räumen des Hauſes, unſrer Aufmerkſamkeit übrig. Das
ganze Schloß gleicht einer Art Zieten-Gallerie und wenige
Zimmer treffen wir (ich erwähnte ſchon der Eintrittshalle im Erd-
geſchoß und ihres Chodowiecki), von deren Wänden uns nicht, ſei
es als Kupferſtich oder Oelbild, als Büſte oder Silhouette, das
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/26>, abgerufen am 02.02.2025.
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