Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

ten und des heitern Bildes voll Klang und Farbe sich zu freuen.
Aber ein solcher Park ist es nicht, in den wir eben eingetreten
sind. Nicht Cascaden und Fontainen sind hier zu Haus, sie sind
zu laut, zu geräuschvoll; kein Bach rieselt und plätschert hier über
Steine hinweg, als liefen spielende Kinder durch den Garten; ein
breiter Graben durchschneidet statt seiner die ganze Quere des Parks
und dehnt sich aus mit der dunkeln Stille eines Teichs. Die
Buche ist hier zu Haus, deren Zweige in das Wasser niederhängen,
und vor allem die Edeltanne, die ihre Schuppenäpfel über die
Kiesgänge streut. Alles Bunte fehlt. Die dichten Rüsternalleen, die
sich hoch oben wie Kirchenschiffe wölben, erscheinen nicht wie Gänge
in die Natur hinaus, sondern wie Gitter und Spalier gegen den
Andrang derselben. Dieser Park hat zu lachen verlernt; wenn die
Sonne auf ihn fällt und seine Züge erheitern will, ist es wie
eine Wittwe, die man mit Bändern und Blumen schmückt.

Wir waren eine halbe Stunde lang die dunkeln Gänge auf
und ab geschritten und kehrten nun ins Wirthshaus zurück. Das
Abendessen harrte unser bereits und Schwarzbrod und Bernauer
Bier halfen über alle sonstigen Mängel hinweg. Die Magd er-
schien inzwischen, um unser Nachtlager herzurichten. Zwei umge-
kehrte Stühle (die vier Beine nach oben) gaben die Schrägung
her; zwei Bündel Stroh wurden ausgebreitet und das rothe Deck-
bett vollendete den Bau. Einer dicken, wulstigen Päonie nicht un-
ähnlich lag es da, in deren Faltenfülle wir endlich verschwanden.
Müdigkeit sorgte für Schlaf. Statt unserer Träume sei die Ge-
schichte Buchs erzählt; sie wird uns andern Tages zu statten kom-
men, wenn wir Schloß und Kirche besuchen.

Als die Hohenzollern in's Land kamen, gehörte Buch der
Familie von Roebel; dieselbe blieb fast volle drei Jahrhunderte
im Besitz des Gutes und verkaufte es erst um 1675 an den Frei-
herrn Gerhardt Bernhardt von Poellnitz. Wir werden weiter
unten von ihm hören. -- Die Familie von Poellnitz besaß Buch
nur kurze Zeit. Die Söhne des Freiherrn veräußerten es bereits
1724 an den Staatsminister von Viereck. Nach Ableben des

ten und des heitern Bildes voll Klang und Farbe ſich zu freuen.
Aber ein ſolcher Park iſt es nicht, in den wir eben eingetreten
ſind. Nicht Cascaden und Fontainen ſind hier zu Haus, ſie ſind
zu laut, zu geräuſchvoll; kein Bach rieſelt und plätſchert hier über
Steine hinweg, als liefen ſpielende Kinder durch den Garten; ein
breiter Graben durchſchneidet ſtatt ſeiner die ganze Quere des Parks
und dehnt ſich aus mit der dunkeln Stille eines Teichs. Die
Buche iſt hier zu Haus, deren Zweige in das Waſſer niederhängen,
und vor allem die Edeltanne, die ihre Schuppenäpfel über die
Kiesgänge ſtreut. Alles Bunte fehlt. Die dichten Rüſternalleen, die
ſich hoch oben wie Kirchenſchiffe wölben, erſcheinen nicht wie Gänge
in die Natur hinaus, ſondern wie Gitter und Spalier gegen den
Andrang derſelben. Dieſer Park hat zu lachen verlernt; wenn die
Sonne auf ihn fällt und ſeine Züge erheitern will, iſt es wie
eine Wittwe, die man mit Bändern und Blumen ſchmückt.

Wir waren eine halbe Stunde lang die dunkeln Gänge auf
und ab geſchritten und kehrten nun ins Wirthshaus zurück. Das
Abendeſſen harrte unſer bereits und Schwarzbrod und Bernauer
Bier halfen über alle ſonſtigen Mängel hinweg. Die Magd er-
ſchien inzwiſchen, um unſer Nachtlager herzurichten. Zwei umge-
kehrte Stühle (die vier Beine nach oben) gaben die Schrägung
her; zwei Bündel Stroh wurden ausgebreitet und das rothe Deck-
bett vollendete den Bau. Einer dicken, wulſtigen Päonie nicht un-
ähnlich lag es da, in deren Faltenfülle wir endlich verſchwanden.
Müdigkeit ſorgte für Schlaf. Statt unſerer Träume ſei die Ge-
ſchichte Buchs erzählt; ſie wird uns andern Tages zu ſtatten kom-
men, wenn wir Schloß und Kirche beſuchen.

Als die Hohenzollern in’s Land kamen, gehörte Buch der
Familie von Roebel; dieſelbe blieb faſt volle drei Jahrhunderte
im Beſitz des Gutes und verkaufte es erſt um 1675 an den Frei-
herrn Gerhardt Bernhardt von Poellnitz. Wir werden weiter
unten von ihm hören. — Die Familie von Poellnitz beſaß Buch
nur kurze Zeit. Die Söhne des Freiherrn veräußerten es bereits
1724 an den Staatsminiſter von Viereck. Nach Ableben des

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0255" n="237"/>
ten und des heitern Bildes voll Klang und Farbe &#x017F;ich zu freuen.<lb/>
Aber ein &#x017F;olcher Park i&#x017F;t es nicht, in den wir eben eingetreten<lb/>
&#x017F;ind. Nicht Cascaden und Fontainen &#x017F;ind hier zu Haus, &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
zu laut, zu geräu&#x017F;chvoll; kein Bach rie&#x017F;elt und plät&#x017F;chert hier über<lb/>
Steine hinweg, als liefen &#x017F;pielende Kinder durch den Garten; ein<lb/>
breiter Graben durch&#x017F;chneidet &#x017F;tatt &#x017F;einer die ganze Quere des Parks<lb/>
und dehnt &#x017F;ich aus mit der dunkeln Stille eines Teichs. Die<lb/>
Buche i&#x017F;t hier zu Haus, deren Zweige in das Wa&#x017F;&#x017F;er niederhängen,<lb/>
und vor allem die Edeltanne, die ihre Schuppenäpfel über die<lb/>
Kiesgänge &#x017F;treut. Alles Bunte fehlt. Die dichten Rü&#x017F;ternalleen, die<lb/>
&#x017F;ich hoch oben wie Kirchen&#x017F;chiffe wölben, er&#x017F;cheinen nicht wie Gänge<lb/>
in die Natur hinaus, &#x017F;ondern wie Gitter und Spalier gegen den<lb/>
Andrang der&#x017F;elben. Die&#x017F;er Park hat zu lachen verlernt; wenn die<lb/>
Sonne auf ihn fällt und &#x017F;eine Züge erheitern will, i&#x017F;t es wie<lb/>
eine Wittwe, die man mit Bändern und Blumen &#x017F;chmückt.</p><lb/>
          <p>Wir waren eine halbe Stunde lang die dunkeln Gänge auf<lb/>
und ab ge&#x017F;chritten und kehrten nun ins Wirthshaus zurück. Das<lb/>
Abende&#x017F;&#x017F;en harrte un&#x017F;er bereits und Schwarzbrod und Bernauer<lb/>
Bier halfen über alle &#x017F;on&#x017F;tigen Mängel hinweg. Die Magd er-<lb/>
&#x017F;chien inzwi&#x017F;chen, um un&#x017F;er Nachtlager herzurichten. Zwei umge-<lb/>
kehrte Stühle (die vier Beine nach oben) gaben die Schrägung<lb/>
her; zwei Bündel Stroh wurden ausgebreitet und das rothe Deck-<lb/>
bett vollendete den Bau. Einer dicken, wul&#x017F;tigen Päonie nicht un-<lb/>
ähnlich lag es da, in deren Faltenfülle wir endlich ver&#x017F;chwanden.<lb/>
Müdigkeit &#x017F;orgte für Schlaf. Statt un&#x017F;erer Träume &#x017F;ei die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte Buchs erzählt; &#x017F;ie wird uns andern Tages zu &#x017F;tatten kom-<lb/>
men, wenn wir Schloß und Kirche be&#x017F;uchen.</p><lb/>
          <p>Als die Hohenzollern in&#x2019;s Land kamen, gehörte Buch der<lb/>
Familie <hi rendition="#g">von Roebel</hi>; die&#x017F;elbe blieb fa&#x017F;t volle drei Jahrhunderte<lb/>
im Be&#x017F;itz des Gutes und verkaufte es er&#x017F;t um 1675 an den Frei-<lb/>
herrn Gerhardt Bernhardt <hi rendition="#g">von Poellnitz</hi>. Wir werden weiter<lb/>
unten von ihm hören. &#x2014; Die Familie von Poellnitz be&#x017F;aß Buch<lb/>
nur kurze Zeit. Die Söhne des Freiherrn veräußerten es bereits<lb/>
1724 an den Staatsmini&#x017F;ter <hi rendition="#g">von Viereck</hi>. Nach Ableben des<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0255] ten und des heitern Bildes voll Klang und Farbe ſich zu freuen. Aber ein ſolcher Park iſt es nicht, in den wir eben eingetreten ſind. Nicht Cascaden und Fontainen ſind hier zu Haus, ſie ſind zu laut, zu geräuſchvoll; kein Bach rieſelt und plätſchert hier über Steine hinweg, als liefen ſpielende Kinder durch den Garten; ein breiter Graben durchſchneidet ſtatt ſeiner die ganze Quere des Parks und dehnt ſich aus mit der dunkeln Stille eines Teichs. Die Buche iſt hier zu Haus, deren Zweige in das Waſſer niederhängen, und vor allem die Edeltanne, die ihre Schuppenäpfel über die Kiesgänge ſtreut. Alles Bunte fehlt. Die dichten Rüſternalleen, die ſich hoch oben wie Kirchenſchiffe wölben, erſcheinen nicht wie Gänge in die Natur hinaus, ſondern wie Gitter und Spalier gegen den Andrang derſelben. Dieſer Park hat zu lachen verlernt; wenn die Sonne auf ihn fällt und ſeine Züge erheitern will, iſt es wie eine Wittwe, die man mit Bändern und Blumen ſchmückt. Wir waren eine halbe Stunde lang die dunkeln Gänge auf und ab geſchritten und kehrten nun ins Wirthshaus zurück. Das Abendeſſen harrte unſer bereits und Schwarzbrod und Bernauer Bier halfen über alle ſonſtigen Mängel hinweg. Die Magd er- ſchien inzwiſchen, um unſer Nachtlager herzurichten. Zwei umge- kehrte Stühle (die vier Beine nach oben) gaben die Schrägung her; zwei Bündel Stroh wurden ausgebreitet und das rothe Deck- bett vollendete den Bau. Einer dicken, wulſtigen Päonie nicht un- ähnlich lag es da, in deren Faltenfülle wir endlich verſchwanden. Müdigkeit ſorgte für Schlaf. Statt unſerer Träume ſei die Ge- ſchichte Buchs erzählt; ſie wird uns andern Tages zu ſtatten kom- men, wenn wir Schloß und Kirche beſuchen. Als die Hohenzollern in’s Land kamen, gehörte Buch der Familie von Roebel; dieſelbe blieb faſt volle drei Jahrhunderte im Beſitz des Gutes und verkaufte es erſt um 1675 an den Frei- herrn Gerhardt Bernhardt von Poellnitz. Wir werden weiter unten von ihm hören. — Die Familie von Poellnitz beſaß Buch nur kurze Zeit. Die Söhne des Freiherrn veräußerten es bereits 1724 an den Staatsminiſter von Viereck. Nach Ableben des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/255
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/255>, abgerufen am 23.11.2024.