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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die eine Handarbeit dem
Kartenspiel vorzogen, setzten sich auf Tabourets, um die Königin
her, während Baron Poellnitz seinen Platz als Vorleser einnahm
und in der Lektüre von "La Mouche oder die Abenteuer des Mr.
Bigaud" fortfuhr. Die Königin folgte der Vorlesung und zog
Goldfäden aus (se mit a effiler de l'or). Den Beschluß des
Tages machte ein Ball in dem hell erleuchteten Tanzsaal, woran
sich ein Souper in dem Staatszimmer, am Ausgang der Porzellan-
Gallerie, anschloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer
eintrat, bemerkte sie durch die hohen, gegenübergelegenen Fenster-
flügel, wie es plötzlich, inmitten des dunklen Parks, wie ein Flam-
menbaum aus der Erde wuchs. Immer deutlicher gestaltete sich
das Bild, bis es endlich wie ein feuriger Laubengang dastand, der
an höchster Stelle eine Krone und darunter die Worte: "Vivat
Sophia Dorothea" trug.

So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen später
wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg geschlagen, an welcher Prinz
August Wilhelm, der eben noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk
gehabt hatte, einen rühmlichen Antheil nahm.

Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen (August Wilhelm,
Heinrich und Ferdinand) zu ihrem älteren Bruder, dem Könige,
waren damals noch kaum getrübt. Es ist wahr, sie lebten, zumal
wenn sie in Potsdam, also in seiner unmittelbaren Nähe waren,
unter einem gewissen Druck, aber man fand diesen Druck gleichsam
in der Ordnung; er war der älteste, der begabteste und -- der
König. Dabei ließ er es seinerseits, um strengen Forderungen ein
Gegengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen und besonders
war es der "Prinz von Preußen," für den er die zartesten Auf-
merksamkeiten hatte. Er widmete ihm sein großes Gedicht "die
Kriegskunst," er widmete ihm ferner "die Geschichte seines Hauses"
und sprach es in der meisterhaften Widmung dieses Werkes vor
der ganzen Welt und vor der Zukunft aus, warum er diesen
seinen Bruder, der ihn einst beerben solle, als Freund und
Fürsten besonders liebe
. "Die Milde, die Humanität Ihres

Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die eine Handarbeit dem
Kartenſpiel vorzogen, ſetzten ſich auf Tabourets, um die Königin
her, während Baron Poellnitz ſeinen Platz als Vorleſer einnahm
und in der Lektüre von „La Mouche oder die Abenteuer des Mr.
Bigaud“ fortfuhr. Die Königin folgte der Vorleſung und zog
Goldfäden aus (se mit à effiler de l’or). Den Beſchluß des
Tages machte ein Ball in dem hell erleuchteten Tanzſaal, woran
ſich ein Souper in dem Staatszimmer, am Ausgang der Porzellan-
Gallerie, anſchloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer
eintrat, bemerkte ſie durch die hohen, gegenübergelegenen Fenſter-
flügel, wie es plötzlich, inmitten des dunklen Parks, wie ein Flam-
menbaum aus der Erde wuchs. Immer deutlicher geſtaltete ſich
das Bild, bis es endlich wie ein feuriger Laubengang daſtand, der
an höchſter Stelle eine Krone und darunter die Worte: „Vivat
Sophia Dorothea“ trug.

So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen ſpäter
wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg geſchlagen, an welcher Prinz
Auguſt Wilhelm, der eben noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk
gehabt hatte, einen rühmlichen Antheil nahm.

Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen (Auguſt Wilhelm,
Heinrich und Ferdinand) zu ihrem älteren Bruder, dem Könige,
waren damals noch kaum getrübt. Es iſt wahr, ſie lebten, zumal
wenn ſie in Potsdam, alſo in ſeiner unmittelbaren Nähe waren,
unter einem gewiſſen Druck, aber man fand dieſen Druck gleichſam
in der Ordnung; er war der älteſte, der begabteſte und — der
König. Dabei ließ er es ſeinerſeits, um ſtrengen Forderungen ein
Gegengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen und beſonders
war es der „Prinz von Preußen,“ für den er die zarteſten Auf-
merkſamkeiten hatte. Er widmete ihm ſein großes Gedicht „die
Kriegskunſt,“ er widmete ihm ferner „die Geſchichte ſeines Hauſes“
und ſprach es in der meiſterhaften Widmung dieſes Werkes vor
der ganzen Welt und vor der Zukunft aus, warum er dieſen
ſeinen Bruder, der ihn einſt beerben ſolle, als Freund und
Fürſten beſonders liebe
. „Die Milde, die Humanität Ihres

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[226/0244] Damen in ihrem Bettzimmer; diejenigen, die eine Handarbeit dem Kartenſpiel vorzogen, ſetzten ſich auf Tabourets, um die Königin her, während Baron Poellnitz ſeinen Platz als Vorleſer einnahm und in der Lektüre von „La Mouche oder die Abenteuer des Mr. Bigaud“ fortfuhr. Die Königin folgte der Vorleſung und zog Goldfäden aus (se mit à effiler de l’or). Den Beſchluß des Tages machte ein Ball in dem hell erleuchteten Tanzſaal, woran ſich ein Souper in dem Staatszimmer, am Ausgang der Porzellan- Gallerie, anſchloß. Als die Königin eben in das Staatszimmer eintrat, bemerkte ſie durch die hohen, gegenübergelegenen Fenſter- flügel, wie es plötzlich, inmitten des dunklen Parks, wie ein Flam- menbaum aus der Erde wuchs. Immer deutlicher geſtaltete ſich das Bild, bis es endlich wie ein feuriger Laubengang daſtand, der an höchſter Stelle eine Krone und darunter die Worte: „Vivat Sophia Dorothea“ trug. So lebte man 1745 in Oranienburg. Sechs Wochen ſpäter wurde die Schlacht bei Hohenfriedberg geſchlagen, an welcher Prinz Auguſt Wilhelm, der eben noch Zeit zu Geplauder und Feuerwerk gehabt hatte, einen rühmlichen Antheil nahm. Die Beziehungen der drei jüngern Prinzen (Auguſt Wilhelm, Heinrich und Ferdinand) zu ihrem älteren Bruder, dem Könige, waren damals noch kaum getrübt. Es iſt wahr, ſie lebten, zumal wenn ſie in Potsdam, alſo in ſeiner unmittelbaren Nähe waren, unter einem gewiſſen Druck, aber man fand dieſen Druck gleichſam in der Ordnung; er war der älteſte, der begabteſte und — der König. Dabei ließ er es ſeinerſeits, um ſtrengen Forderungen ein Gegengewicht zu geben, an Huldigungen nicht fehlen und beſonders war es der „Prinz von Preußen,“ für den er die zarteſten Auf- merkſamkeiten hatte. Er widmete ihm ſein großes Gedicht „die Kriegskunſt,“ er widmete ihm ferner „die Geſchichte ſeines Hauſes“ und ſprach es in der meiſterhaften Widmung dieſes Werkes vor der ganzen Welt und vor der Zukunft aus, warum er dieſen ſeinen Bruder, der ihn einſt beerben ſolle, als Freund und Fürſten beſonders liebe. „Die Milde, die Humanität Ihres

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/244>, abgerufen am 24.11.2024.