Ueber die baulichen Veränderungen, die in diese Epoche von 1744 bis 58 fallen, wissen wir nichts; muthmaßlich waren sie allergeringfügigster Natur; aber einzelne Berichte von Bielefeld und namentlich von Poellnitz sind auf uns gekommen, die uns zum ersten Mal Gelegenheit geben, die bis hierher nur äußerlich be- schriebenen Prachträume, auch mit Gestalten und Scenen zu be- leben. Der Prinz bewohnte nur einen einzigen Flügel, also unge- fähr den fünften Theil des Schlosses, aber die entsprechenden Zim- mer genügten vollständig, zumal zur Sommerzeit, wo der Park und seine Laubengänge aushelfen konnte. Bielefeld entwirft von diesem Park folgende ansprechende Schilderung: "Den großen, nach Le Notre's Plan angelegten Garten, fand ich, durch die Verwil- derung, zu der die lange Zeit von 1713--44 vollauf Gelegenheit gegeben hatte, wunderbarerweise verschönt. Die seit 1713 nicht mehr verschnittenen Buchenhecken haben sich verwachsen und ver- schlungen und bilden einen Gang, der so dicht jetzt ist, daß weder Sonne noch Wind hindurchdringen kann. In der größten Mittags- hitze gewährt er Kühlung und Schatten und Abends speist man darin, ohne daß die Luft die Kerzen auslöscht. Ein geschickter Gärtner, der die Verwilderung benutzte, hat viele geschmackvolle Gartenhäuser aus der Erde wachsen lassen." Diese Schilderung paßt noch heut'; nur die Gartenhäuser sind seitdem wieder ver- schwunden.
Prinz August Wilhelm lebte nur zeitweilig in Oranienburg; sein Regiment (das Regiment Prinz von Preußen) stand zu Span- dau in Garnison und die Pflichten des Dienstes fesselten ihn an den Standort seines Regiments. Aber die Sommermonate führten ihn so oft und so lange wie möglich nach dem benachbarten, durch Stille und Schönheit einladenden Oranienburg, und hier war es auch, wo er im April 1745 den Besuch seiner Mutter, der ver- wittweten Königin Sophie Dorothee empfing. Ueber diesen Besuch liegt uns die Schilderung eines Augenzeugen vor, -- unverkennbar Poellnitz selber, wenn sein Name auch nicht ausdrücklich genannt ist.
Am 14. April, so heißt es darin, brach die Königin Mutter
Ueber die baulichen Veränderungen, die in dieſe Epoche von 1744 bis 58 fallen, wiſſen wir nichts; muthmaßlich waren ſie allergeringfügigſter Natur; aber einzelne Berichte von Bielefeld und namentlich von Poellnitz ſind auf uns gekommen, die uns zum erſten Mal Gelegenheit geben, die bis hierher nur äußerlich be- ſchriebenen Prachträume, auch mit Geſtalten und Scenen zu be- leben. Der Prinz bewohnte nur einen einzigen Flügel, alſo unge- fähr den fünften Theil des Schloſſes, aber die entſprechenden Zim- mer genügten vollſtändig, zumal zur Sommerzeit, wo der Park und ſeine Laubengänge aushelfen konnte. Bielefeld entwirft von dieſem Park folgende anſprechende Schilderung: „Den großen, nach Le Notre’s Plan angelegten Garten, fand ich, durch die Verwil- derung, zu der die lange Zeit von 1713—44 vollauf Gelegenheit gegeben hatte, wunderbarerweiſe verſchönt. Die ſeit 1713 nicht mehr verſchnittenen Buchenhecken haben ſich verwachſen und ver- ſchlungen und bilden einen Gang, der ſo dicht jetzt iſt, daß weder Sonne noch Wind hindurchdringen kann. In der größten Mittags- hitze gewährt er Kühlung und Schatten und Abends ſpeiſt man darin, ohne daß die Luft die Kerzen auslöſcht. Ein geſchickter Gärtner, der die Verwilderung benutzte, hat viele geſchmackvolle Gartenhäuſer aus der Erde wachſen laſſen.“ Dieſe Schilderung paßt noch heut’; nur die Gartenhäuſer ſind ſeitdem wieder ver- ſchwunden.
Prinz Auguſt Wilhelm lebte nur zeitweilig in Oranienburg; ſein Regiment (das Regiment Prinz von Preußen) ſtand zu Span- dau in Garniſon und die Pflichten des Dienſtes feſſelten ihn an den Standort ſeines Regiments. Aber die Sommermonate führten ihn ſo oft und ſo lange wie möglich nach dem benachbarten, durch Stille und Schönheit einladenden Oranienburg, und hier war es auch, wo er im April 1745 den Beſuch ſeiner Mutter, der ver- wittweten Königin Sophie Dorothee empfing. Ueber dieſen Beſuch liegt uns die Schilderung eines Augenzeugen vor, — unverkennbar Poellnitz ſelber, wenn ſein Name auch nicht ausdrücklich genannt iſt.
Am 14. April, ſo heißt es darin, brach die Königin Mutter
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Ueber die baulichen Veränderungen, die in dieſe Epoche von
1744 bis 58 fallen, wiſſen wir nichts; muthmaßlich waren ſie
allergeringfügigſter Natur; aber einzelne Berichte von Bielefeld und
namentlich von Poellnitz ſind auf uns gekommen, die uns zum
erſten Mal Gelegenheit geben, die bis hierher nur äußerlich be-
ſchriebenen Prachträume, auch mit Geſtalten und Scenen zu be-
leben. Der Prinz bewohnte nur einen einzigen Flügel, alſo unge-
fähr den fünften Theil des Schloſſes, aber die entſprechenden Zim-
mer genügten vollſtändig, zumal zur Sommerzeit, wo der Park
und ſeine Laubengänge aushelfen konnte. Bielefeld entwirft von
dieſem Park folgende anſprechende Schilderung: „Den großen, nach
Le Notre’s Plan angelegten Garten, fand ich, durch die Verwil-
derung, zu der die lange Zeit von 1713—44 vollauf Gelegenheit
gegeben hatte, wunderbarerweiſe verſchönt. Die ſeit 1713 nicht
mehr verſchnittenen Buchenhecken haben ſich verwachſen und ver-
ſchlungen und bilden einen Gang, der ſo dicht jetzt iſt, daß weder
Sonne noch Wind hindurchdringen kann. In der größten Mittags-
hitze gewährt er Kühlung und Schatten und Abends ſpeiſt man
darin, ohne daß die Luft die Kerzen auslöſcht. Ein geſchickter
Gärtner, der die Verwilderung benutzte, hat viele geſchmackvolle
Gartenhäuſer aus der Erde wachſen laſſen.“ Dieſe Schilderung
paßt noch heut’; nur die Gartenhäuſer ſind ſeitdem wieder ver-
ſchwunden.
Prinz Auguſt Wilhelm lebte nur zeitweilig in Oranienburg;
ſein Regiment (das Regiment Prinz von Preußen) ſtand zu Span-
dau in Garniſon und die Pflichten des Dienſtes feſſelten ihn an
den Standort ſeines Regiments. Aber die Sommermonate führten
ihn ſo oft und ſo lange wie möglich nach dem benachbarten, durch
Stille und Schönheit einladenden Oranienburg, und hier war es
auch, wo er im April 1745 den Beſuch ſeiner Mutter, der ver-
wittweten Königin Sophie Dorothee empfing. Ueber dieſen Beſuch
liegt uns die Schilderung eines Augenzeugen vor, — unverkennbar
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/241>, abgerufen am 24.11.2024.
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