Wustrau bestand bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts aus drei Rittergütern; nur eines derselben gehörte den Zieten, die beiden andern (altes Besitzthum der Familien v. Lohe und v. Güh- len) dem General-Feldmarschall von Dossow. Wann die Zieten in den (theilweisen) Besitz von Wustrau gelangten, ist nicht mehr sicher festzustellen. Eben so wenig kennt man das Stammgut der Familie. In der Mark Brandenburg befinden sich neun Ortschaften, die den Namen Zieten, wenn auch in abweichender Schreibart, führen. Als die Hohenzollern ins Land kamen, lagen die meisten Besitzungen dieser Familie bereits in der Grafschaft Ruppin. Hans v. Zieten auf Wildberg (damals ein fester und reicher Burgflecken) war geschworener Rath beim letzten Grafen von Ruppin, und begleitete diesen auf den Reichstag zu Worms. Die Wildberger Zieten besaßen Langen und Kränzlin; andere Zweige der Familie hatten Lögow und Buskow inne und einen Theil von Metzelthin. Die Wustrauer Zieten, scheint es, waren nicht reich; sie litten unter den Nachwehen des 30jährigen Krieges und der Schwedenzeit. Der Vater Hans Joachim's lebte noch in sehr beschränkten Verhältnissen. Erst Hans Joachim selbst verstand sich auf Pflug und Wirthschaft fast so gut wie auf Krieg und Säbel und machte 1766 durch Ankauf der beiden Dossow- schen Antheile ganz Wustrau zu einem Zieten'schen Besitzthum. Es blieb bei seinem Sohne, dem letzten Zieten, bis 1854. Dieser ernannte in seinem Testamente einen Schwerin zum Erben. Daß dieser der nächste Verwandte war, schien weniger den Ausschlag gegeben zu haben, als die Vorstellung, daß nur ein Schwerin würdig sei, an die Stelle eines Zieten zu treten. Albert Julius v. Schwe- rin, der jetzige Besitzer von Wustrau, wurde 1859, unter dem Namen von Zieten-Schwerin, in den Grafenstand erhoben.
Wustrau liegt an der Südspitze des See's. Der Boden ist fruchtbar und wo die Fruchtbarkeit aufhört, beginnt das Wu- strausche Luch, eine Torfgegend, die an Ergiebigkeit mit den Linummer Gräbereien wetteifert. Das eigentliche Dorf, saubere, von Wohlstand zeugende Bauerhäuser, liegt etwas zurückgezogen vom See; zwischen Dorf und See breitet sich der Park aus, dessen
Wuſtrau beſtand bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts aus drei Rittergütern; nur eines derſelben gehörte den Zieten, die beiden andern (altes Beſitzthum der Familien v. Lohe und v. Güh- len) dem General-Feldmarſchall von Doſſow. Wann die Zieten in den (theilweiſen) Beſitz von Wuſtrau gelangten, iſt nicht mehr ſicher feſtzuſtellen. Eben ſo wenig kennt man das Stammgut der Familie. In der Mark Brandenburg befinden ſich neun Ortſchaften, die den Namen Zieten, wenn auch in abweichender Schreibart, führen. Als die Hohenzollern ins Land kamen, lagen die meiſten Beſitzungen dieſer Familie bereits in der Grafſchaft Ruppin. Hans v. Zieten auf Wildberg (damals ein feſter und reicher Burgflecken) war geſchworener Rath beim letzten Grafen von Ruppin, und begleitete dieſen auf den Reichstag zu Worms. Die Wildberger Zieten beſaßen Langen und Kränzlin; andere Zweige der Familie hatten Lögow und Buskow inne und einen Theil von Metzelthin. Die Wuſtrauer Zieten, ſcheint es, waren nicht reich; ſie litten unter den Nachwehen des 30jährigen Krieges und der Schwedenzeit. Der Vater Hans Joachim’s lebte noch in ſehr beſchränkten Verhältniſſen. Erſt Hans Joachim ſelbſt verſtand ſich auf Pflug und Wirthſchaft faſt ſo gut wie auf Krieg und Säbel und machte 1766 durch Ankauf der beiden Doſſow- ſchen Antheile ganz Wuſtrau zu einem Zieten’ſchen Beſitzthum. Es blieb bei ſeinem Sohne, dem letzten Zieten, bis 1854. Dieſer ernannte in ſeinem Teſtamente einen Schwerin zum Erben. Daß dieſer der nächſte Verwandte war, ſchien weniger den Ausſchlag gegeben zu haben, als die Vorſtellung, daß nur ein Schwerin würdig ſei, an die Stelle eines Zieten zu treten. Albert Julius v. Schwe- rin, der jetzige Beſitzer von Wuſtrau, wurde 1859, unter dem Namen von Zieten-Schwerin, in den Grafenſtand erhoben.
Wuſtrau liegt an der Südſpitze des See’s. Der Boden iſt fruchtbar und wo die Fruchtbarkeit aufhört, beginnt das Wu- ſtrauſche Luch, eine Torfgegend, die an Ergiebigkeit mit den Linummer Gräbereien wetteifert. Das eigentliche Dorf, ſaubere, von Wohlſtand zeugende Bauerhäuſer, liegt etwas zurückgezogen vom See; zwiſchen Dorf und See breitet ſich der Park aus, deſſen
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Wuſtrau beſtand bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts
aus drei Rittergütern; nur eines derſelben gehörte den Zieten, die
beiden andern (altes Beſitzthum der Familien v. Lohe und v. Güh-
len) dem General-Feldmarſchall von Doſſow. Wann die Zieten in
den (theilweiſen) Beſitz von Wuſtrau gelangten, iſt nicht mehr
ſicher feſtzuſtellen. Eben ſo wenig kennt man das Stammgut der
Familie. In der Mark Brandenburg befinden ſich neun Ortſchaften,
die den Namen Zieten, wenn auch in abweichender Schreibart, führen.
Als die Hohenzollern ins Land kamen, lagen die meiſten Beſitzungen
dieſer Familie bereits in der Grafſchaft Ruppin. Hans v. Zieten auf
Wildberg (damals ein feſter und reicher Burgflecken) war geſchworener
Rath beim letzten Grafen von Ruppin, und begleitete dieſen auf den
Reichstag zu Worms. Die Wildberger Zieten beſaßen Langen und
Kränzlin; andere Zweige der Familie hatten Lögow und Buskow inne
und einen Theil von Metzelthin. Die Wuſtrauer Zieten, ſcheint es,
waren nicht reich; ſie litten unter den Nachwehen des 30jährigen
Krieges und der Schwedenzeit. Der Vater Hans Joachim’s lebte
noch in ſehr beſchränkten Verhältniſſen. Erſt Hans Joachim ſelbſt
verſtand ſich auf Pflug und Wirthſchaft faſt ſo gut wie auf Krieg
und Säbel und machte 1766 durch Ankauf der beiden Doſſow-
ſchen Antheile ganz Wuſtrau zu einem Zieten’ſchen Beſitzthum.
Es blieb bei ſeinem Sohne, dem letzten Zieten, bis 1854. Dieſer
ernannte in ſeinem Teſtamente einen Schwerin zum Erben. Daß
dieſer der nächſte Verwandte war, ſchien weniger den Ausſchlag gegeben
zu haben, als die Vorſtellung, daß nur ein Schwerin würdig
ſei, an die Stelle eines Zieten zu treten. Albert Julius v. Schwe-
rin, der jetzige Beſitzer von Wuſtrau, wurde 1859, unter dem
Namen von Zieten-Schwerin, in den Grafenſtand erhoben.
Wuſtrau liegt an der Südſpitze des See’s. Der Boden iſt
fruchtbar und wo die Fruchtbarkeit aufhört, beginnt das Wu-
ſtrauſche Luch, eine Torfgegend, die an Ergiebigkeit mit den
Linummer Gräbereien wetteifert. Das eigentliche Dorf, ſaubere, von
Wohlſtand zeugende Bauerhäuſer, liegt etwas zurückgezogen vom
See; zwiſchen Dorf und See breitet ſich der Park aus, deſſen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/22>, abgerufen am 21.11.2024.
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