Wir schritten nun zu dem eigentlichen Factorei-Gebäude zu- rück; es theilt sich in zwei Hälften, in ein Bureau und eine Art Bauernwirthschaft. An der Spitze des Comtoirs steht ein Geschäfts- führer, ein Vertrauensmann der "Torflords," der die Wochen- löhne zu zahlen und das Kaufmännische des Betriebs zu leiten hat. Er ist nur ein Sommergast an dieser Stelle, eben so wie die Arbeiter, und kehrt, wenn der Herbst die Arbeiten unterbricht, für die Wintermonate nach Linum oder Fehrbellin zurück. Nicht so der Obermann, der Torfmeier, dem Haus und Hof gehören, in das wir so eben wieder eingetreten sind. Er ist hier zu Haus, jahraus, jahrein, und nimmt seine Chancen, je nachdem sie fallen, gut oder schlecht. Der Novembersturm deckt ihm vielleicht das Dach ab, der Winter schneit ihn ein, der Frühling bringt ihm Wasser statt Blumen und macht sein Gehöft zu einer Insel im See; aber was auch kommen mag, der Obermann trägt es in Geduld und freut sich auf den Sommer, wie sich Kinder auf Weihnachten freuen. Dabei liebt er das Luch; er spricht von Weizenfeldern, wie wir von Italien sprechen, er bewundert sie als etwas Hohes und Großes; aber sein Herz hängt nur am Luch und an der wei- ten, grünen Ebene, auf der, wie ein Lagerplatz, den die Unter- irdischen verlassen haben, der Torf in schwarzen Zelten steht.
Der Obermann hieß uns zum zweiten Mal willkommen und rief seine Frau, die uns freundlich-verlegen die Hand schüttelte. Beide Leute, wiewohl eher hübsch als häßlich, zeigten jene leder- farbene Magerkeit, die mir schon früher in Sumpfgegenden, nament- lich auch bei den Bewohnern des Spreewaldes, aufgefallen war. Die blanke, straffe Haut sah aus, als wäre sie über das Gesicht gespannt. Die Frau verließ uns wieder, um in der Küche nach dem Rechten zu sehen, und ließ uns Zeit, das Zimmer zu mustern, in dem wir uns befanden. Es war, wie Märkische Bauerstuben zu sein pflegen: zwei Silhouetten von Mann und Frau unter gemeinschaftlichem Glas und Rahmen; zwei Preußische Prinzen daneben und ein rother Husar darunter; -- die Katze machte einen krummen Rücken und streifte mit ihrem Fell an allen vier Tisch-
Wir ſchritten nun zu dem eigentlichen Factorei-Gebäude zu- rück; es theilt ſich in zwei Hälften, in ein Bureau und eine Art Bauernwirthſchaft. An der Spitze des Comtoirs ſteht ein Geſchäfts- führer, ein Vertrauensmann der „Torflords,“ der die Wochen- löhne zu zahlen und das Kaufmänniſche des Betriebs zu leiten hat. Er iſt nur ein Sommergaſt an dieſer Stelle, eben ſo wie die Arbeiter, und kehrt, wenn der Herbſt die Arbeiten unterbricht, für die Wintermonate nach Linum oder Fehrbellin zurück. Nicht ſo der Obermann, der Torfmeier, dem Haus und Hof gehören, in das wir ſo eben wieder eingetreten ſind. Er iſt hier zu Haus, jahraus, jahrein, und nimmt ſeine Chancen, je nachdem ſie fallen, gut oder ſchlecht. Der Novemberſturm deckt ihm vielleicht das Dach ab, der Winter ſchneit ihn ein, der Frühling bringt ihm Waſſer ſtatt Blumen und macht ſein Gehöft zu einer Inſel im See; aber was auch kommen mag, der Obermann trägt es in Geduld und freut ſich auf den Sommer, wie ſich Kinder auf Weihnachten freuen. Dabei liebt er das Luch; er ſpricht von Weizenfeldern, wie wir von Italien ſprechen, er bewundert ſie als etwas Hohes und Großes; aber ſein Herz hängt nur am Luch und an der wei- ten, grünen Ebene, auf der, wie ein Lagerplatz, den die Unter- irdiſchen verlaſſen haben, der Torf in ſchwarzen Zelten ſteht.
Der Obermann hieß uns zum zweiten Mal willkommen und rief ſeine Frau, die uns freundlich-verlegen die Hand ſchüttelte. Beide Leute, wiewohl eher hübſch als häßlich, zeigten jene leder- farbene Magerkeit, die mir ſchon früher in Sumpfgegenden, nament- lich auch bei den Bewohnern des Spreewaldes, aufgefallen war. Die blanke, ſtraffe Haut ſah aus, als wäre ſie über das Geſicht geſpannt. Die Frau verließ uns wieder, um in der Küche nach dem Rechten zu ſehen, und ließ uns Zeit, das Zimmer zu muſtern, in dem wir uns befanden. Es war, wie Märkiſche Bauerſtuben zu ſein pflegen: zwei Silhouetten von Mann und Frau unter gemeinſchaftlichem Glas und Rahmen; zwei Preußiſche Prinzen daneben und ein rother Huſar darunter; — die Katze machte einen krummen Rücken und ſtreifte mit ihrem Fell an allen vier Tiſch-
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Wir ſchritten nun zu dem eigentlichen Factorei-Gebäude zu-
rück; es theilt ſich in zwei Hälften, in ein Bureau und eine Art
Bauernwirthſchaft. An der Spitze des Comtoirs ſteht ein Geſchäfts-
führer, ein Vertrauensmann der „Torflords,“ der die Wochen-
löhne zu zahlen und das Kaufmänniſche des Betriebs zu leiten
hat. Er iſt nur ein Sommergaſt an dieſer Stelle, eben ſo wie die
Arbeiter, und kehrt, wenn der Herbſt die Arbeiten unterbricht, für
die Wintermonate nach Linum oder Fehrbellin zurück. Nicht ſo
der Obermann, der Torfmeier, dem Haus und Hof gehören, in
das wir ſo eben wieder eingetreten ſind. Er iſt hier zu Haus,
jahraus, jahrein, und nimmt ſeine Chancen, je nachdem ſie fallen,
gut oder ſchlecht. Der Novemberſturm deckt ihm vielleicht das Dach
ab, der Winter ſchneit ihn ein, der Frühling bringt ihm Waſſer
ſtatt Blumen und macht ſein Gehöft zu einer Inſel im See; aber
was auch kommen mag, der Obermann trägt es in Geduld und
freut ſich auf den Sommer, wie ſich Kinder auf Weihnachten
freuen. Dabei liebt er das Luch; er ſpricht von Weizenfeldern,
wie wir von Italien ſprechen, er bewundert ſie als etwas Hohes
und Großes; aber ſein Herz hängt nur am Luch und an der wei-
ten, grünen Ebene, auf der, wie ein Lagerplatz, den die Unter-
irdiſchen verlaſſen haben, der Torf in ſchwarzen Zelten ſteht.
Der Obermann hieß uns zum zweiten Mal willkommen und
rief ſeine Frau, die uns freundlich-verlegen die Hand ſchüttelte.
Beide Leute, wiewohl eher hübſch als häßlich, zeigten jene leder-
farbene Magerkeit, die mir ſchon früher in Sumpfgegenden, nament-
lich auch bei den Bewohnern des Spreewaldes, aufgefallen war.
Die blanke, ſtraffe Haut ſah aus, als wäre ſie über das Geſicht
geſpannt. Die Frau verließ uns wieder, um in der Küche nach
dem Rechten zu ſehen, und ließ uns Zeit, das Zimmer zu muſtern,
in dem wir uns befanden. Es war, wie Märkiſche Bauerſtuben
zu ſein pflegen: zwei Silhouetten von Mann und Frau unter
gemeinſchaftlichem Glas und Rahmen; zwei Preußiſche Prinzen
daneben und ein rother Huſar darunter; — die Katze machte einen
krummen Rücken und ſtreifte mit ihrem Fell an allen vier Tiſch-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/199>, abgerufen am 27.11.2024.
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