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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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An diesem Siegesdenkmal findet alljährlich am 18. Juni,
dem Jahrestage der Fehrbelliner Schlacht, eine hübsche Feier statt,
die sich ohngefähr aus folgenden Theilen zusammensetzt. Am Mor-
gen des Tages schleppt Müller Conrad sechsunddreißig rostige
Kanonenkugeln, die er und seine Väter auf dem Schlachtfelde ge-
funden haben, an das Denkmal und beginnt die Ausschmückung
desselben. Eine Stunde später beleben sich alle Landstraßen, die
nach Hakenberg führen, und die Schützengilden von Linum *) und
Fehrbellin, namentlich aber die Schuljugend aller benachbarten
Dörfer, von Brunne, Dechtow und Karwesee kommen von links
und rechts herbei und marschiren dem gemeinschaftlichen Sammel-
platze, dem Hakenberger Kirchhofe zu. Hier begrüßt man sich; Pre-
diger und Magistrate stellen sich an die Spitze, und gegen tausend
Mann stark, darunter sechshundert Kinder, geht es mit Sang und
Klang nach dem Denkmal hinaus. Vor demselben wird Kreis ge-
schlossen, der Hakenberger Geistliche tritt in die Mitte und hält
eine kurze Ansprache an die Kinder, worin er sie auffordert, gute

*) In Linum, wo man von Grund aus fehrbellinisch-patriotisch ist,
werden noch in einzelnen Häusern Erinnerungsstücke an die Fehrbelliner
Schlacht gezeigt, z. B. eine schwedische Trommel, einige Lanzen u. dgl. m.
Man kann aber, da alle diese Dinge sicherlich nicht aus der Schweden-
zeit herrühren, nur die oft gemachte Erfahrung daran auf's Neue machen,
daß ein hervorragendes historisches Ereigniß jedesmal zur Domaine, zur
Spezialität einer bestimmten Oertlichkeit wird, und zwar so, daß diesem
einen Ereigniß, sich alles Spätere anpassen und unterordnen muß. Es ist
erwiesen, daß das Bett der Maria Stuart in Holy-Rood-Palace nicht
300 (wie es müßte), sondern höchstens 150 Jahr alt ist, aber es muß
das Bett der Maria Stuart sein, wenn es überhaupt noch etwas sein
will. So ist es in den Dörfern des Ländchens Bellin mit Rücksicht auf
die Fehrbelliner Schlacht. Alles ist "Fehrbellinisch", dem klarsten Augen-
schein zum Trotz. Die Lanzen in Linum sind Landwehr-Ulanen-Piken
aus den Tagen von Großbeeren und Dennewitz her (zur Schwedenzeit
gab es gar keine Lanzenreiter) und die Trommel trägt auf ihrem Perga-
ment einfach die Inschrift: "Landsturm-Trommel für Linum, 4 te Com-
pagnie, 1813." Aber trotz der Inschrift bleibt es die Schwedentrom-
mel
von 1675.

An dieſem Siegesdenkmal findet alljährlich am 18. Juni,
dem Jahrestage der Fehrbelliner Schlacht, eine hübſche Feier ſtatt,
die ſich ohngefähr aus folgenden Theilen zuſammenſetzt. Am Mor-
gen des Tages ſchleppt Müller Conrad ſechsunddreißig roſtige
Kanonenkugeln, die er und ſeine Väter auf dem Schlachtfelde ge-
funden haben, an das Denkmal und beginnt die Ausſchmückung
deſſelben. Eine Stunde ſpäter beleben ſich alle Landſtraßen, die
nach Hakenberg führen, und die Schützengilden von Linum *) und
Fehrbellin, namentlich aber die Schuljugend aller benachbarten
Dörfer, von Brunne, Dechtow und Karweſee kommen von links
und rechts herbei und marſchiren dem gemeinſchaftlichen Sammel-
platze, dem Hakenberger Kirchhofe zu. Hier begrüßt man ſich; Pre-
diger und Magiſtrate ſtellen ſich an die Spitze, und gegen tauſend
Mann ſtark, darunter ſechshundert Kinder, geht es mit Sang und
Klang nach dem Denkmal hinaus. Vor demſelben wird Kreis ge-
ſchloſſen, der Hakenberger Geiſtliche tritt in die Mitte und hält
eine kurze Anſprache an die Kinder, worin er ſie auffordert, gute

*) In Linum, wo man von Grund aus fehrbelliniſch-patriotiſch iſt,
werden noch in einzelnen Häuſern Erinnerungsſtücke an die Fehrbelliner
Schlacht gezeigt, z. B. eine ſchwediſche Trommel, einige Lanzen u. dgl. m.
Man kann aber, da alle dieſe Dinge ſicherlich nicht aus der Schweden-
zeit herrühren, nur die oft gemachte Erfahrung daran auf’s Neue machen,
daß ein hervorragendes hiſtoriſches Ereigniß jedesmal zur Domaine, zur
Spezialität einer beſtimmten Oertlichkeit wird, und zwar ſo, daß dieſem
einen Ereigniß, ſich alles Spätere anpaſſen und unterordnen muß. Es iſt
erwieſen, daß das Bett der Maria Stuart in Holy-Rood-Palace nicht
300 (wie es müßte), ſondern höchſtens 150 Jahr alt iſt, aber es muß
das Bett der Maria Stuart ſein, wenn es überhaupt noch etwas ſein
will. So iſt es in den Dörfern des Ländchens Bellin mit Rückſicht auf
die Fehrbelliner Schlacht. Alles iſt „Fehrbelliniſch“, dem klarſten Augen-
ſchein zum Trotz. Die Lanzen in Linum ſind Landwehr-Ulanen-Piken
aus den Tagen von Großbeeren und Dennewitz her (zur Schwedenzeit
gab es gar keine Lanzenreiter) und die Trommel trägt auf ihrem Perga-
ment einfach die Inſchrift: „Landſturm-Trommel für Linum, 4 te Com-
pagnie, 1813.“ Aber trotz der Inſchrift bleibt es die Schwedentrom-
mel
von 1675.
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[166/0184] An dieſem Siegesdenkmal findet alljährlich am 18. Juni, dem Jahrestage der Fehrbelliner Schlacht, eine hübſche Feier ſtatt, die ſich ohngefähr aus folgenden Theilen zuſammenſetzt. Am Mor- gen des Tages ſchleppt Müller Conrad ſechsunddreißig roſtige Kanonenkugeln, die er und ſeine Väter auf dem Schlachtfelde ge- funden haben, an das Denkmal und beginnt die Ausſchmückung deſſelben. Eine Stunde ſpäter beleben ſich alle Landſtraßen, die nach Hakenberg führen, und die Schützengilden von Linum *) und Fehrbellin, namentlich aber die Schuljugend aller benachbarten Dörfer, von Brunne, Dechtow und Karweſee kommen von links und rechts herbei und marſchiren dem gemeinſchaftlichen Sammel- platze, dem Hakenberger Kirchhofe zu. Hier begrüßt man ſich; Pre- diger und Magiſtrate ſtellen ſich an die Spitze, und gegen tauſend Mann ſtark, darunter ſechshundert Kinder, geht es mit Sang und Klang nach dem Denkmal hinaus. Vor demſelben wird Kreis ge- ſchloſſen, der Hakenberger Geiſtliche tritt in die Mitte und hält eine kurze Anſprache an die Kinder, worin er ſie auffordert, gute *) In Linum, wo man von Grund aus fehrbelliniſch-patriotiſch iſt, werden noch in einzelnen Häuſern Erinnerungsſtücke an die Fehrbelliner Schlacht gezeigt, z. B. eine ſchwediſche Trommel, einige Lanzen u. dgl. m. Man kann aber, da alle dieſe Dinge ſicherlich nicht aus der Schweden- zeit herrühren, nur die oft gemachte Erfahrung daran auf’s Neue machen, daß ein hervorragendes hiſtoriſches Ereigniß jedesmal zur Domaine, zur Spezialität einer beſtimmten Oertlichkeit wird, und zwar ſo, daß dieſem einen Ereigniß, ſich alles Spätere anpaſſen und unterordnen muß. Es iſt erwieſen, daß das Bett der Maria Stuart in Holy-Rood-Palace nicht 300 (wie es müßte), ſondern höchſtens 150 Jahr alt iſt, aber es muß das Bett der Maria Stuart ſein, wenn es überhaupt noch etwas ſein will. So iſt es in den Dörfern des Ländchens Bellin mit Rückſicht auf die Fehrbelliner Schlacht. Alles iſt „Fehrbelliniſch“, dem klarſten Augen- ſchein zum Trotz. Die Lanzen in Linum ſind Landwehr-Ulanen-Piken aus den Tagen von Großbeeren und Dennewitz her (zur Schwedenzeit gab es gar keine Lanzenreiter) und die Trommel trägt auf ihrem Perga- ment einfach die Inſchrift: „Landſturm-Trommel für Linum, 4 te Com- pagnie, 1813.“ Aber trotz der Inſchrift bleibt es die Schwedentrom- mel von 1675.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/184>, abgerufen am 30.11.2024.