Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

bereitet haben. Vollklang und Reimfülle aber stehen wie lachende
Genien neben dem Wort "Fehrbellin."

Unmittelbar hinter dem Dorf, bereits auf historisch verbürg-
tem Schlachtgrund, befindet sich die Mühle des Müllers Conrad
und dicht daneben das Monument, das, zum Andenken an die
Schlacht, im Jahre 1800 errichtet und im Jahre 1857 erneuert
worden ist. Das Denkmal, einfach aus Sandstein aufgeführt, ist
ein Oblong, auf dessen oberem Theil eine Schale oder Urne steht.
Der Hinweis auf diese Schlichtheit soll dem Monument kein Vor-
wurf sein, im Gegentheil. Es werden jetzt so viele Denkmäler er-
richtet, bei deren Errichtung man nicht weiß, wer und was eigent-
lich verherrlicht werden soll, ob der Held, dem das Denkmal gilt,
oder die Zeit, die so erleuchtet ist, jenem Helden ein Monument
zu setzen, oder endlich der Künstler selbst, der selber wieder zum
Helden wird und gleichsam den Lorbeerkranz von der Stirn seiner
eigenen Schöpfung nimmt. Solchem Gebahren gegenüber, für das
die Beispiele nahe liegen, erfreut man sich doppelt beim Anblick
jener einfacheren Gedenksteine, die nicht der Mode und der Eitel-
keit, sondern der Gesinnung und dem Eifer eines Einzelnen ihre
Entstehung verdanken. Es kommt nicht immer auf den Kunst-
werth
dessen an, was zu uns spricht; der Appell an unser Herz
bleibt immer die Hauptsache. Das gekritzelte Briefchen von der
Hand unserer verstorbenen Mutter hat als Erinnerungszeichen den-
selben Werth für uns wie das Portrait im Roccocorahmen, das
über unserem Sopha hängt. Einen künstlerischen Genuß kann das
Sandsteinoblong, das neben der Mühle des Müllers Conrad steht,
freilich nicht gewähren, aber man liest nicht ohne freudige Bewe-
gung die schlichten Worte, die in dasselbe eingegraben sind, und
nimmt eine mangelhafte Accusativform, anderer Stileigenthümlich-
keiten zu geschweigen, als ein Zeichen der Aechtheit aufrichtig dank-
bar mit in den Kauf.

Diese Worte sind folgende: "Hier legten die braven Branden-
burger den Grund zu Preußens Größe. Das Andenken an den
Held und seiner Getreuen erneuert dankbar mit jedem Freunde

bereitet haben. Vollklang und Reimfülle aber ſtehen wie lachende
Genien neben dem Wort „Fehrbellin.“

Unmittelbar hinter dem Dorf, bereits auf hiſtoriſch verbürg-
tem Schlachtgrund, befindet ſich die Mühle des Müllers Conrad
und dicht daneben das Monument, das, zum Andenken an die
Schlacht, im Jahre 1800 errichtet und im Jahre 1857 erneuert
worden iſt. Das Denkmal, einfach aus Sandſtein aufgeführt, iſt
ein Oblong, auf deſſen oberem Theil eine Schale oder Urne ſteht.
Der Hinweis auf dieſe Schlichtheit ſoll dem Monument kein Vor-
wurf ſein, im Gegentheil. Es werden jetzt ſo viele Denkmäler er-
richtet, bei deren Errichtung man nicht weiß, wer und was eigent-
lich verherrlicht werden ſoll, ob der Held, dem das Denkmal gilt,
oder die Zeit, die ſo erleuchtet iſt, jenem Helden ein Monument
zu ſetzen, oder endlich der Künſtler ſelbſt, der ſelber wieder zum
Helden wird und gleichſam den Lorbeerkranz von der Stirn ſeiner
eigenen Schöpfung nimmt. Solchem Gebahren gegenüber, für das
die Beiſpiele nahe liegen, erfreut man ſich doppelt beim Anblick
jener einfacheren Gedenkſteine, die nicht der Mode und der Eitel-
keit, ſondern der Geſinnung und dem Eifer eines Einzelnen ihre
Entſtehung verdanken. Es kommt nicht immer auf den Kunſt-
werth
deſſen an, was zu uns ſpricht; der Appell an unſer Herz
bleibt immer die Hauptſache. Das gekritzelte Briefchen von der
Hand unſerer verſtorbenen Mutter hat als Erinnerungszeichen den-
ſelben Werth für uns wie das Portrait im Roccocorahmen, das
über unſerem Sopha hängt. Einen künſtleriſchen Genuß kann das
Sandſteinoblong, das neben der Mühle des Müllers Conrad ſteht,
freilich nicht gewähren, aber man lieſt nicht ohne freudige Bewe-
gung die ſchlichten Worte, die in daſſelbe eingegraben ſind, und
nimmt eine mangelhafte Accuſativform, anderer Stileigenthümlich-
keiten zu geſchweigen, als ein Zeichen der Aechtheit aufrichtig dank-
bar mit in den Kauf.

Dieſe Worte ſind folgende: „Hier legten die braven Branden-
burger den Grund zu Preußens Größe. Das Andenken an den
Held und ſeiner Getreuen erneuert dankbar mit jedem Freunde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="164"/>
bereitet haben. Vollklang und Reimfülle aber &#x017F;tehen wie lachende<lb/>
Genien neben dem Wort &#x201E;Fehrbellin.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Unmittelbar hinter dem Dorf, bereits auf hi&#x017F;tori&#x017F;ch verbürg-<lb/>
tem Schlachtgrund, befindet &#x017F;ich die Mühle des Müllers Conrad<lb/>
und dicht daneben das Monument, das, zum Andenken an die<lb/>
Schlacht, im Jahre 1800 errichtet und im Jahre 1857 erneuert<lb/>
worden i&#x017F;t. Das Denkmal, einfach aus Sand&#x017F;tein aufgeführt, i&#x017F;t<lb/>
ein Oblong, auf de&#x017F;&#x017F;en oberem Theil eine Schale oder Urne &#x017F;teht.<lb/>
Der Hinweis auf die&#x017F;e Schlichtheit &#x017F;oll dem Monument kein Vor-<lb/>
wurf &#x017F;ein, im Gegentheil. Es werden jetzt &#x017F;o viele Denkmäler er-<lb/>
richtet, bei deren Errichtung man nicht weiß, wer und was eigent-<lb/>
lich verherrlicht werden &#x017F;oll, ob der Held, dem das Denkmal gilt,<lb/>
oder die Zeit, die &#x017F;o erleuchtet i&#x017F;t, jenem Helden ein Monument<lb/>
zu &#x017F;etzen, oder endlich der Kün&#x017F;tler &#x017F;elb&#x017F;t, der &#x017F;elber wieder zum<lb/>
Helden wird und gleich&#x017F;am den Lorbeerkranz von der Stirn &#x017F;einer<lb/>
eigenen Schöpfung nimmt. Solchem Gebahren gegenüber, für das<lb/>
die Bei&#x017F;piele nahe liegen, erfreut man &#x017F;ich doppelt beim Anblick<lb/>
jener einfacheren Gedenk&#x017F;teine, die nicht der Mode und der Eitel-<lb/>
keit, &#x017F;ondern der Ge&#x017F;innung und dem Eifer eines Einzelnen ihre<lb/>
Ent&#x017F;tehung verdanken. Es kommt nicht immer auf den <hi rendition="#g">Kun&#x017F;t-<lb/>
werth</hi> de&#x017F;&#x017F;en an, was zu uns &#x017F;pricht; der Appell an un&#x017F;er Herz<lb/>
bleibt immer die Haupt&#x017F;ache. Das gekritzelte Briefchen von der<lb/>
Hand un&#x017F;erer ver&#x017F;torbenen Mutter hat als Erinnerungszeichen den-<lb/>
&#x017F;elben Werth für uns wie das Portrait im Roccocorahmen, das<lb/>
über un&#x017F;erem Sopha hängt. Einen kün&#x017F;tleri&#x017F;chen Genuß kann das<lb/>
Sand&#x017F;teinoblong, das neben der Mühle des Müllers Conrad &#x017F;teht,<lb/>
freilich nicht gewähren, aber man lie&#x017F;t nicht ohne freudige Bewe-<lb/>
gung die &#x017F;chlichten Worte, die in da&#x017F;&#x017F;elbe eingegraben &#x017F;ind, und<lb/>
nimmt eine mangelhafte Accu&#x017F;ativform, anderer Stileigenthümlich-<lb/>
keiten zu ge&#x017F;chweigen, als ein Zeichen der Aechtheit aufrichtig dank-<lb/>
bar mit in den Kauf.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e Worte &#x017F;ind folgende: &#x201E;Hier legten die braven Branden-<lb/>
burger den Grund zu Preußens Größe. Das Andenken an den<lb/>
Held und &#x017F;einer Getreuen erneuert dankbar mit jedem Freunde<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0182] bereitet haben. Vollklang und Reimfülle aber ſtehen wie lachende Genien neben dem Wort „Fehrbellin.“ Unmittelbar hinter dem Dorf, bereits auf hiſtoriſch verbürg- tem Schlachtgrund, befindet ſich die Mühle des Müllers Conrad und dicht daneben das Monument, das, zum Andenken an die Schlacht, im Jahre 1800 errichtet und im Jahre 1857 erneuert worden iſt. Das Denkmal, einfach aus Sandſtein aufgeführt, iſt ein Oblong, auf deſſen oberem Theil eine Schale oder Urne ſteht. Der Hinweis auf dieſe Schlichtheit ſoll dem Monument kein Vor- wurf ſein, im Gegentheil. Es werden jetzt ſo viele Denkmäler er- richtet, bei deren Errichtung man nicht weiß, wer und was eigent- lich verherrlicht werden ſoll, ob der Held, dem das Denkmal gilt, oder die Zeit, die ſo erleuchtet iſt, jenem Helden ein Monument zu ſetzen, oder endlich der Künſtler ſelbſt, der ſelber wieder zum Helden wird und gleichſam den Lorbeerkranz von der Stirn ſeiner eigenen Schöpfung nimmt. Solchem Gebahren gegenüber, für das die Beiſpiele nahe liegen, erfreut man ſich doppelt beim Anblick jener einfacheren Gedenkſteine, die nicht der Mode und der Eitel- keit, ſondern der Geſinnung und dem Eifer eines Einzelnen ihre Entſtehung verdanken. Es kommt nicht immer auf den Kunſt- werth deſſen an, was zu uns ſpricht; der Appell an unſer Herz bleibt immer die Hauptſache. Das gekritzelte Briefchen von der Hand unſerer verſtorbenen Mutter hat als Erinnerungszeichen den- ſelben Werth für uns wie das Portrait im Roccocorahmen, das über unſerem Sopha hängt. Einen künſtleriſchen Genuß kann das Sandſteinoblong, das neben der Mühle des Müllers Conrad ſteht, freilich nicht gewähren, aber man lieſt nicht ohne freudige Bewe- gung die ſchlichten Worte, die in daſſelbe eingegraben ſind, und nimmt eine mangelhafte Accuſativform, anderer Stileigenthümlich- keiten zu geſchweigen, als ein Zeichen der Aechtheit aufrichtig dank- bar mit in den Kauf. Dieſe Worte ſind folgende: „Hier legten die braven Branden- burger den Grund zu Preußens Größe. Das Andenken an den Held und ſeiner Getreuen erneuert dankbar mit jedem Freunde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/182
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/182>, abgerufen am 30.11.2024.