fuhren in die Scheide zurück. Man trennte sich mit einem "bis auf morgen."
Der andere Tag sollte einen Zweikampf bringen, aber der alte Prinz legte sich in's Mittel und die Sache unterblieb. Der Vorfall wurde nicht weiter berührt, aber man mühte sich umsonst ihn zu vergessen. Die Gräfin war das weiße Licht gewesen, dessen klarer, sprühender Helle sich jeder gefreut hatte; nun hatte das Licht seinen Dieb gehabt und eine leise Mißstimmung griff Platz. Der Rheinsberger Hof hatte nie als ein Tugendhof geglänzt, aber jeder sah sich ungern des Ideales beraubt, an das er geglaubt hatte. Alles blieb, wie es gewesen war und war doch anders. Die Gräfin war der Mittelpunkt des Kreises nach wie vor, aber mehr äußer- lich, und die Blicke, die sich auf sie richteten, sahen sie mit ver- ändertem Ausdruck an. Die letzten poetischen Momente des Prinz- Heinrich Hofes waren hin.
Nur in den Beziehungen zwischen dem Prinzen und seinem Adjutanten änderte sich nichts. Die kritisch-militairischen Arbeiten des Grafen weckten mehr noch als früher das lebhafteste Interesse des Prinzen, der sich vielfach und in sehr eingehender Weise daran betheiligte. Dies Freundschafts-Verhältniß dauerte ununterbrochen fort, bis zum Tode des Prinzen, der noch wenige Monate vor seinem Tode, in seinen Dernieres Dispositions, die Worte nieder- schrieb: "Ich bezeuge hierdurch zugleich dem Grafen La Roche- Aymon meinen lebhaften Dank für die zarte Anhänglichkeit (ten- dre attachement), die er mir während all der Zeit erwiesen hat, die ich so glücklich war, ihn in meiner Nähe zu haben," so wie denn auch anderweitig aus beinah jedem Paragraphen dieser Der- nieres Dispositions hervorgeht, daß der Graf die eigentlichste Vertrauensperson des Prinzen war, derjenige, der seinem Herzen am nächsten stand. Der Prinz hatte darin sehr richtig gewählt. Der Graf vereinigte nach dem Zeugniß aller derer, die ihn gekannt haben, drei ritterliche Tugenden in ausgezeichnetem Maße: Muth, Diensttreue und kindliche Gutherzigkeit.
Am 3. August 1802 starb der Prinz; sie trugen ihn in die
fuhren in die Scheide zurück. Man trennte ſich mit einem „bis auf morgen.“
Der andere Tag ſollte einen Zweikampf bringen, aber der alte Prinz legte ſich in’s Mittel und die Sache unterblieb. Der Vorfall wurde nicht weiter berührt, aber man mühte ſich umſonſt ihn zu vergeſſen. Die Gräfin war das weiße Licht geweſen, deſſen klarer, ſprühender Helle ſich jeder gefreut hatte; nun hatte das Licht ſeinen Dieb gehabt und eine leiſe Mißſtimmung griff Platz. Der Rheinsberger Hof hatte nie als ein Tugendhof geglänzt, aber jeder ſah ſich ungern des Ideales beraubt, an das er geglaubt hatte. Alles blieb, wie es geweſen war und war doch anders. Die Gräfin war der Mittelpunkt des Kreiſes nach wie vor, aber mehr äußer- lich, und die Blicke, die ſich auf ſie richteten, ſahen ſie mit ver- ändertem Ausdruck an. Die letzten poëtiſchen Momente des Prinz- Heinrich Hofes waren hin.
Nur in den Beziehungen zwiſchen dem Prinzen und ſeinem Adjutanten änderte ſich nichts. Die kritiſch-militairiſchen Arbeiten des Grafen weckten mehr noch als früher das lebhafteſte Intereſſe des Prinzen, der ſich vielfach und in ſehr eingehender Weiſe daran betheiligte. Dies Freundſchafts-Verhältniß dauerte ununterbrochen fort, bis zum Tode des Prinzen, der noch wenige Monate vor ſeinem Tode, in ſeinen Dernières Dispositions, die Worte nieder- ſchrieb: „Ich bezeuge hierdurch zugleich dem Grafen La Roche- Aymon meinen lebhaften Dank für die zarte Anhänglichkeit (ten- dre attachement), die er mir während all der Zeit erwieſen hat, die ich ſo glücklich war, ihn in meiner Nähe zu haben,“ ſo wie denn auch anderweitig aus beinah jedem Paragraphen dieſer Der- nières Dispositions hervorgeht, daß der Graf die eigentlichſte Vertrauensperſon des Prinzen war, derjenige, der ſeinem Herzen am nächſten ſtand. Der Prinz hatte darin ſehr richtig gewählt. Der Graf vereinigte nach dem Zeugniß aller derer, die ihn gekannt haben, drei ritterliche Tugenden in ausgezeichnetem Maße: Muth, Dienſttreue und kindliche Gutherzigkeit.
Am 3. Auguſt 1802 ſtarb der Prinz; ſie trugen ihn in die
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fuhren in die Scheide zurück. Man trennte ſich mit einem „bis
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Der andere Tag ſollte einen Zweikampf bringen, aber der
alte Prinz legte ſich in’s Mittel und die Sache unterblieb. Der
Vorfall wurde nicht weiter berührt, aber man mühte ſich umſonſt
ihn zu vergeſſen. Die Gräfin war das weiße Licht geweſen, deſſen
klarer, ſprühender Helle ſich jeder gefreut hatte; nun hatte das
Licht ſeinen Dieb gehabt und eine leiſe Mißſtimmung griff Platz.
Der Rheinsberger Hof hatte nie als ein Tugendhof geglänzt, aber
jeder ſah ſich ungern des Ideales beraubt, an das er geglaubt hatte.
Alles blieb, wie es geweſen war und war doch anders. Die Gräfin
war der Mittelpunkt des Kreiſes nach wie vor, aber mehr äußer-
lich, und die Blicke, die ſich auf ſie richteten, ſahen ſie mit ver-
ändertem Ausdruck an. Die letzten poëtiſchen Momente des Prinz-
Heinrich Hofes waren hin.
Nur in den Beziehungen zwiſchen dem Prinzen und ſeinem
Adjutanten änderte ſich nichts. Die kritiſch-militairiſchen Arbeiten
des Grafen weckten mehr noch als früher das lebhafteſte Intereſſe
des Prinzen, der ſich vielfach und in ſehr eingehender Weiſe daran
betheiligte. Dies Freundſchafts-Verhältniß dauerte ununterbrochen
fort, bis zum Tode des Prinzen, der noch wenige Monate vor
ſeinem Tode, in ſeinen Dernières Dispositions, die Worte nieder-
ſchrieb: „Ich bezeuge hierdurch zugleich dem Grafen La Roche-
Aymon meinen lebhaften Dank für die zarte Anhänglichkeit (ten-
dre attachement), die er mir während all der Zeit erwieſen hat,
die ich ſo glücklich war, ihn in meiner Nähe zu haben,“ ſo wie
denn auch anderweitig aus beinah jedem Paragraphen dieſer Der-
nières Dispositions hervorgeht, daß der Graf die eigentlichſte
Vertrauensperſon des Prinzen war, derjenige, der ſeinem Herzen
am nächſten ſtand. Der Prinz hatte darin ſehr richtig gewählt.
Der Graf vereinigte nach dem Zeugniß aller derer, die ihn gekannt
haben, drei ritterliche Tugenden in ausgezeichnetem Maße: Muth,
Dienſttreue und kindliche Gutherzigkeit.
Am 3. Auguſt 1802 ſtarb der Prinz; ſie trugen ihn in die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/156>, abgerufen am 29.11.2024.
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