Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

bezaubern, und als der Prinz bei beginnendem Frühling nach
Rheinsberg zurückkehrte, folgten ihm Graf und Gräfin La Roche-
Aymon als eben vermähltes Paar.

Caroline Amalie v. Zeuner war die Tochter eines Herrn v.
Zeuner (seit 1786 Hofmarschall und Kammerherr der Königin-
Mutter) aus seiner Ehe mit einer Gräfin v. Neale. Fräulein v.
Zeuner selbst war Hofdame bei der Prinzessin Wilhelmine, als der
Graf La Roche-Aymon sie kennen lernte. Sie war von mittlerer Figur,
voll, vom weißesten Teint, und besaß, als besondere Schönheit,
eine solche Fülle blonden Haares, daß es, wenn aufgelöst, bis zu
ihren Knieen herabfiel und sie wie ein goldener Mantel überdeckte.
Niemand kannte diese Schönheit besser als sie selbst, und noch in
späteren Jahren wußte sie es stets so einzurichten, daß etwa ein-
treffender Besuch sie im Negligee überraschen und das Haar bewun-
dern mußte, dessen Fülle die Kammerjungfer kaum zu bemeistern
vermochte.

Wenn die Gegenwart des Grafen schon vorher ein Lichtblick
an dem vereinsamten Hofe des Prinzen gewesen war, so war es
jetzt, wo die Gräfin, wie "Prinzessin Goldhaar" im Märchen, mit
ihm zurückkehrte, als sollten die Tage alter Rheinsberger Herrlich-
keit noch einmal anbrechen. An Stelle einer halb wüsten, halb
pedantischen Alt-Junggesellenwirthschaft erschienen wieder die hei-
teren Grazien, die auf die Dauer nur da zu Hause sind, wo
jene Anregungen und jener süße Zwang sich einstellen, die un-
zertrennlich sind von der Erscheinung schöner Frauen. Seit den
Tagen Lisette Tauentziens hatte der Rheinsberger Hof diese An-
regung und diesen Zwang nicht mehr gekannt.

Der Freundschaftstempel mit seinen Inschriften, die die Liebe
für eine Thorheit erklären, erschien nun selber wieder wie eine
große Thorheit, und man speiste wieder mit Vorliebe auf der
Remus-Insel, heitern, jubelnden Angedenkens aus jenen Tagen
Friedrich's her, als dieser noch der "Constant" des Bayard-
Ordens und nicht der Philosoph von Sanssouci war. Die Gräfin
mit dem blonden Haar machte die Honneurs des Hauses; sie war

bezaubern, und als der Prinz bei beginnendem Frühling nach
Rheinsberg zurückkehrte, folgten ihm Graf und Gräfin La Roche-
Aymon als eben vermähltes Paar.

Caroline Amalie v. Zeuner war die Tochter eines Herrn v.
Zeuner (ſeit 1786 Hofmarſchall und Kammerherr der Königin-
Mutter) aus ſeiner Ehe mit einer Gräfin v. Neale. Fräulein v.
Zeuner ſelbſt war Hofdame bei der Prinzeſſin Wilhelmine, als der
Graf La Roche-Aymon ſie kennen lernte. Sie war von mittlerer Figur,
voll, vom weißeſten Teint, und beſaß, als beſondere Schönheit,
eine ſolche Fülle blonden Haares, daß es, wenn aufgelöſt, bis zu
ihren Knieen herabfiel und ſie wie ein goldener Mantel überdeckte.
Niemand kannte dieſe Schönheit beſſer als ſie ſelbſt, und noch in
ſpäteren Jahren wußte ſie es ſtets ſo einzurichten, daß etwa ein-
treffender Beſuch ſie im Negligée überraſchen und das Haar bewun-
dern mußte, deſſen Fülle die Kammerjungfer kaum zu bemeiſtern
vermochte.

Wenn die Gegenwart des Grafen ſchon vorher ein Lichtblick
an dem vereinſamten Hofe des Prinzen geweſen war, ſo war es
jetzt, wo die Gräfin, wie „Prinzeſſin Goldhaar“ im Märchen, mit
ihm zurückkehrte, als ſollten die Tage alter Rheinsberger Herrlich-
keit noch einmal anbrechen. An Stelle einer halb wüſten, halb
pedantiſchen Alt-Junggeſellenwirthſchaft erſchienen wieder die hei-
teren Grazien, die auf die Dauer nur da zu Hauſe ſind, wo
jene Anregungen und jener ſüße Zwang ſich einſtellen, die un-
zertrennlich ſind von der Erſcheinung ſchöner Frauen. Seit den
Tagen Liſette Tauentziens hatte der Rheinsberger Hof dieſe An-
regung und dieſen Zwang nicht mehr gekannt.

Der Freundſchaftstempel mit ſeinen Inſchriften, die die Liebe
für eine Thorheit erklären, erſchien nun ſelber wieder wie eine
große Thorheit, und man ſpeiſte wieder mit Vorliebe auf der
Remus-Inſel, heitern, jubelnden Angedenkens aus jenen Tagen
Friedrich’s her, als dieſer noch der „Constant“ des Bayard-
Ordens und nicht der Philoſoph von Sansſouci war. Die Gräfin
mit dem blonden Haar machte die Honneurs des Hauſes; ſie war

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0154" n="136"/>
bezaubern, und als der Prinz bei beginnendem Frühling nach<lb/>
Rheinsberg zurückkehrte, folgten ihm Graf und Gräfin La Roche-<lb/>
Aymon als eben vermähltes Paar.</p><lb/>
            <p>Caroline Amalie v. Zeuner war die Tochter eines Herrn v.<lb/>
Zeuner (&#x017F;eit 1786 Hofmar&#x017F;chall und Kammerherr der Königin-<lb/>
Mutter) aus &#x017F;einer Ehe mit einer Gräfin v. Neale. Fräulein v.<lb/>
Zeuner &#x017F;elb&#x017F;t war Hofdame bei der Prinze&#x017F;&#x017F;in Wilhelmine, als der<lb/>
Graf La Roche-Aymon &#x017F;ie kennen lernte. Sie war von mittlerer Figur,<lb/>
voll, vom weiße&#x017F;ten Teint, und be&#x017F;aß, als be&#x017F;ondere Schönheit,<lb/>
eine &#x017F;olche Fülle blonden Haares, daß es, wenn aufgelö&#x017F;t, bis zu<lb/>
ihren Knieen herabfiel und &#x017F;ie wie ein goldener Mantel überdeckte.<lb/>
Niemand kannte die&#x017F;e Schönheit be&#x017F;&#x017F;er als &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t, und noch in<lb/>
&#x017F;päteren Jahren wußte &#x017F;ie es &#x017F;tets &#x017F;o einzurichten, daß etwa ein-<lb/>
treffender Be&#x017F;uch &#x017F;ie im Negligée überra&#x017F;chen und das Haar bewun-<lb/>
dern mußte, de&#x017F;&#x017F;en Fülle die Kammerjungfer kaum zu bemei&#x017F;tern<lb/>
vermochte.</p><lb/>
            <p>Wenn die Gegenwart des Grafen &#x017F;chon vorher ein Lichtblick<lb/>
an dem verein&#x017F;amten Hofe des Prinzen gewe&#x017F;en war, &#x017F;o war es<lb/>
jetzt, wo die Gräfin, wie &#x201E;Prinze&#x017F;&#x017F;in Goldhaar&#x201C; im Märchen, mit<lb/>
ihm zurückkehrte, als &#x017F;ollten die Tage alter Rheinsberger Herrlich-<lb/>
keit noch einmal anbrechen. An Stelle einer halb wü&#x017F;ten, halb<lb/>
pedanti&#x017F;chen Alt-Jungge&#x017F;ellenwirth&#x017F;chaft er&#x017F;chienen wieder die hei-<lb/>
teren Grazien, die auf die Dauer nur da zu Hau&#x017F;e &#x017F;ind, wo<lb/>
jene Anregungen und jener &#x017F;üße Zwang &#x017F;ich ein&#x017F;tellen, die un-<lb/>
zertrennlich &#x017F;ind von der Er&#x017F;cheinung &#x017F;chöner Frauen. Seit den<lb/>
Tagen Li&#x017F;ette Tauentziens hatte der Rheinsberger Hof die&#x017F;e An-<lb/>
regung und die&#x017F;en Zwang nicht mehr gekannt.</p><lb/>
            <p>Der Freund&#x017F;chaftstempel mit &#x017F;einen In&#x017F;chriften, die die Liebe<lb/>
für eine Thorheit erklären, er&#x017F;chien nun &#x017F;elber wieder wie eine<lb/>
große Thorheit, und man &#x017F;pei&#x017F;te wieder mit Vorliebe auf der<lb/>
Remus-In&#x017F;el, heitern, <hi rendition="#g">jubelnden</hi> Angedenkens aus jenen Tagen<lb/>
Friedrich&#x2019;s her, als die&#x017F;er noch der <hi rendition="#aq">&#x201E;Constant&#x201C;</hi> des Bayard-<lb/>
Ordens und nicht der Philo&#x017F;oph von Sans&#x017F;ouci war. Die Gräfin<lb/>
mit dem blonden Haar machte die Honneurs des Hau&#x017F;es; &#x017F;ie war<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0154] bezaubern, und als der Prinz bei beginnendem Frühling nach Rheinsberg zurückkehrte, folgten ihm Graf und Gräfin La Roche- Aymon als eben vermähltes Paar. Caroline Amalie v. Zeuner war die Tochter eines Herrn v. Zeuner (ſeit 1786 Hofmarſchall und Kammerherr der Königin- Mutter) aus ſeiner Ehe mit einer Gräfin v. Neale. Fräulein v. Zeuner ſelbſt war Hofdame bei der Prinzeſſin Wilhelmine, als der Graf La Roche-Aymon ſie kennen lernte. Sie war von mittlerer Figur, voll, vom weißeſten Teint, und beſaß, als beſondere Schönheit, eine ſolche Fülle blonden Haares, daß es, wenn aufgelöſt, bis zu ihren Knieen herabfiel und ſie wie ein goldener Mantel überdeckte. Niemand kannte dieſe Schönheit beſſer als ſie ſelbſt, und noch in ſpäteren Jahren wußte ſie es ſtets ſo einzurichten, daß etwa ein- treffender Beſuch ſie im Negligée überraſchen und das Haar bewun- dern mußte, deſſen Fülle die Kammerjungfer kaum zu bemeiſtern vermochte. Wenn die Gegenwart des Grafen ſchon vorher ein Lichtblick an dem vereinſamten Hofe des Prinzen geweſen war, ſo war es jetzt, wo die Gräfin, wie „Prinzeſſin Goldhaar“ im Märchen, mit ihm zurückkehrte, als ſollten die Tage alter Rheinsberger Herrlich- keit noch einmal anbrechen. An Stelle einer halb wüſten, halb pedantiſchen Alt-Junggeſellenwirthſchaft erſchienen wieder die hei- teren Grazien, die auf die Dauer nur da zu Hauſe ſind, wo jene Anregungen und jener ſüße Zwang ſich einſtellen, die un- zertrennlich ſind von der Erſcheinung ſchöner Frauen. Seit den Tagen Liſette Tauentziens hatte der Rheinsberger Hof dieſe An- regung und dieſen Zwang nicht mehr gekannt. Der Freundſchaftstempel mit ſeinen Inſchriften, die die Liebe für eine Thorheit erklären, erſchien nun ſelber wieder wie eine große Thorheit, und man ſpeiſte wieder mit Vorliebe auf der Remus-Inſel, heitern, jubelnden Angedenkens aus jenen Tagen Friedrich’s her, als dieſer noch der „Constant“ des Bayard- Ordens und nicht der Philoſoph von Sansſouci war. Die Gräfin mit dem blonden Haar machte die Honneurs des Hauſes; ſie war

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/154
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/154>, abgerufen am 29.11.2024.