schränke umgewandelt, in dem zu hinterst gelegenen Zimmer des Erdgeschosses erkennen.
Auch für Abwechslung wußte der kluge Hausherr zu sorgen, klug, seitdem die Französin die Honneurs des Hauses machte und die Angelegenheiten leitete. Der Prinz, nach längerer Abwesenheit im Berliner Palais (länger als seit Jahren), kehrte nach Monaten zum ersten Male wieder nach Rheinsberg zurück und traf anderen Tages schon als Gast in Schloß Meseberg ein. Er mochte eine neue Aufführung, die Einlage eines neuen Tanzes, eines neuen Musikstücks erwartet haben, aber eine andre Huldigung war dies- mal vorbereitet; am Plafond der großen Speisehalle, die zum Empfang des hohen Gastes mit Blumen und Orangerie decorirt war, hatte die raschfertige, aber immerhin geniale Hand Bernhard Rode's ein großes Deckengemälde ausgeführt, das, im Geschmack jener Zeit, die Apotheose des Prinzen Heinrich darstellte. Zur Rechten der übliche Ruhmestempel, dem das Bild des Prinzen von Genieen entgegengetragen wird; daneben der bekannte Götter- apparat: Minerva, zu deren Füßen das Schwert ruht, und an einem der Opferaltäre die Inschrift: "vota grati animi," also etwa: "empfange dies als die Darbringung eines dankbaren Her- zens." Der Prinz, dessen Eitelkeit leicht zu fangen war, so bald die Schmeichelei nicht platt-prosaisch, sondern wohl stylisirt und im Gewande der Kunst an ihn herantrat, war auf's höchste über- rascht und erwies sich wieder, auf Monate hin, als der Hülfe- bereite, von dessen Gunst und Gnade Gewinn zu ziehn, doch der eigentliche Zweck aller dieser Huldigungen gewesen war. (Es ent- ging an jenem Tage dem Auge des Prinzen, was auch dem Auge Kaphengsts entgangen war, daß Rode, sei es aus Zufall oder aus Malice, die Inschrift: "vota grati animi" nicht ausgeschrieben, sondern die letzte Silbe fortgelassen hatte. Kaphengst, später darauf aufmerksam gemacht, ließ auch noch das i übermalen, so daß die Inschrift jetzt lautet: vota grati an. In der Umgegend lachte alle Welt darüber und nannte ihn Gratian oder Gratianus.)
Die Gunst des Prinzen, oft erschüttert und immer wieder
ſchränke umgewandelt, in dem zu hinterſt gelegenen Zimmer des Erdgeſchoſſes erkennen.
Auch für Abwechslung wußte der kluge Hausherr zu ſorgen, klug, ſeitdem die Franzöſin die Honneurs des Hauſes machte und die Angelegenheiten leitete. Der Prinz, nach längerer Abweſenheit im Berliner Palais (länger als ſeit Jahren), kehrte nach Monaten zum erſten Male wieder nach Rheinsberg zurück und traf anderen Tages ſchon als Gaſt in Schloß Meſeberg ein. Er mochte eine neue Aufführung, die Einlage eines neuen Tanzes, eines neuen Muſikſtücks erwartet haben, aber eine andre Huldigung war dies- mal vorbereitet; am Plafond der großen Speiſehalle, die zum Empfang des hohen Gaſtes mit Blumen und Orangerie decorirt war, hatte die raſchfertige, aber immerhin geniale Hand Bernhard Rode’s ein großes Deckengemälde ausgeführt, das, im Geſchmack jener Zeit, die Apotheoſe des Prinzen Heinrich darſtellte. Zur Rechten der übliche Ruhmestempel, dem das Bild des Prinzen von Genieen entgegengetragen wird; daneben der bekannte Götter- apparat: Minerva, zu deren Füßen das Schwert ruht, und an einem der Opferaltäre die Inſchrift: „vota grati animi,“ alſo etwa: „empfange dies als die Darbringung eines dankbaren Her- zens.“ Der Prinz, deſſen Eitelkeit leicht zu fangen war, ſo bald die Schmeichelei nicht platt-proſaiſch, ſondern wohl ſtyliſirt und im Gewande der Kunſt an ihn herantrat, war auf’s höchſte über- raſcht und erwies ſich wieder, auf Monate hin, als der Hülfe- bereite, von deſſen Gunſt und Gnade Gewinn zu ziehn, doch der eigentliche Zweck aller dieſer Huldigungen geweſen war. (Es ent- ging an jenem Tage dem Auge des Prinzen, was auch dem Auge Kaphengſts entgangen war, daß Rode, ſei es aus Zufall oder aus Malice, die Inſchrift: „vota grati animi“ nicht ausgeſchrieben, ſondern die letzte Silbe fortgelaſſen hatte. Kaphengſt, ſpäter darauf aufmerkſam gemacht, ließ auch noch das i übermalen, ſo daß die Inſchrift jetzt lautet: vota grati an. In der Umgegend lachte alle Welt darüber und nannte ihn Gratian oder Gratianus.)
Die Gunſt des Prinzen, oft erſchüttert und immer wieder
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ſchränke umgewandelt, in dem zu hinterſt gelegenen Zimmer des
Erdgeſchoſſes erkennen.
Auch für Abwechslung wußte der kluge Hausherr zu ſorgen,
klug, ſeitdem die Franzöſin die Honneurs des Hauſes machte und
die Angelegenheiten leitete. Der Prinz, nach längerer Abweſenheit
im Berliner Palais (länger als ſeit Jahren), kehrte nach Monaten
zum erſten Male wieder nach Rheinsberg zurück und traf anderen
Tages ſchon als Gaſt in Schloß Meſeberg ein. Er mochte eine
neue Aufführung, die Einlage eines neuen Tanzes, eines neuen
Muſikſtücks erwartet haben, aber eine andre Huldigung war dies-
mal vorbereitet; am Plafond der großen Speiſehalle, die zum
Empfang des hohen Gaſtes mit Blumen und Orangerie decorirt
war, hatte die raſchfertige, aber immerhin geniale Hand Bernhard
Rode’s ein großes Deckengemälde ausgeführt, das, im Geſchmack
jener Zeit, die Apotheoſe des Prinzen Heinrich darſtellte. Zur
Rechten der übliche Ruhmestempel, dem das Bild des Prinzen von
Genieen entgegengetragen wird; daneben der bekannte Götter-
apparat: Minerva, zu deren Füßen das Schwert ruht, und an
einem der Opferaltäre die Inſchrift: „vota grati animi,“ alſo
etwa: „empfange dies als die Darbringung eines dankbaren Her-
zens.“ Der Prinz, deſſen Eitelkeit leicht zu fangen war, ſo bald
die Schmeichelei nicht platt-proſaiſch, ſondern wohl ſtyliſirt und
im Gewande der Kunſt an ihn herantrat, war auf’s höchſte über-
raſcht und erwies ſich wieder, auf Monate hin, als der Hülfe-
bereite, von deſſen Gunſt und Gnade Gewinn zu ziehn, doch der
eigentliche Zweck aller dieſer Huldigungen geweſen war. (Es ent-
ging an jenem Tage dem Auge des Prinzen, was auch dem Auge
Kaphengſts entgangen war, daß Rode, ſei es aus Zufall oder aus
Malice, die Inſchrift: „vota grati animi“ nicht ausgeſchrieben,
ſondern die letzte Silbe fortgelaſſen hatte. Kaphengſt, ſpäter darauf
aufmerkſam gemacht, ließ auch noch das i übermalen, ſo daß die
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alle Welt darüber und nannte ihn Gratian oder Gratianus.)
Die Gunſt des Prinzen, oft erſchüttert und immer wieder
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/150>, abgerufen am 28.11.2024.
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