zwar zunächst den Zimmern des Prinzen Heinrich zuzuwen- den. Sie liegen im ersten Stock des Corps de Logis und bilden eine ununterbrochene Reihenfolge. Vor 60 Jahren waren diese Zimmer noch in Gebrauch (der Prinz starb erst 1802), weshalb man sich nicht wundern darf, hier Alles in einem Zustand leid- licher Wohlerhaltenheit zu finden. Den Anfang machen die soge- nannten Prinz-Ferdinand's-Zimmer, d. h. diejenigen Zimmer, die Prinz Ferdinand zu bewohnen pflegte, wenn er bei seinem älteren Bruder, dem Prinzen Heinrich, zum Besuche war. Viel- leicht auch lebte er in den Jahren 1802 bis 1813 wenigstens zeitweilig hier und bewohnte dann diese Zimmer.
Hinter diesen sogenannten Prinz-Ferdinand-Zimmern folgt der Concert-Saal (nicht zu verwechseln mit dem Kronprinz- lichen im linken Flügel), dann der sehr gut erhaltene Muschel- saal, endlich das Bibliothek-Zimmer. Neben der Bibliothek befindet sich das Schlaf- und Sterbezimmer des Prinzen Hein- rich. Es ist ein großes, ziemlich dunkles Gemach, durch ein Paar Säulen in zwei Hälften getheilt. In der dunkleren Hälfte des Zimmers, halb durch die Säulen verdeckt, steht das Sterbebett, ein stattlicher, mit schweren Seidenvorhängen reich ausgestatteter Bau. Alte Staatsbetten machen in der Regel einen peinlichen Eindruck und erfüllen uns mit einem Dankgefühl, daß wir nicht in ihnen zu schlafen brauchen. Nicht so hier; nichts von Ver- schossenheit der Farben, von vergilbtem Weiß und dumpfer Feuchte; Alles frisch und farbig und voll beweglich lebensvoller Falten. -- Um dies Schlaf- und Sterbezimmer herum gruppiren sich einige kleinere, die nur durch ihre Schildereien interessiren, meist Bilder in chinesischer Tusche von der Hand des Prinzen Heinrich selbst. Im Großen und Ganzen herrscht Mangel an guten Bildern; nur zwei oder drei hat man gelassen, um dem Auge des Beschauers eine Erholung zu gönnen. Unter diesen sind zwei Bildnisse des jungen Grafen Bogislaw von Tauentzien (des späteren Generals Tauentzien von Wittenberg) und ein Portrait der ersten Königin Sophie Charlotte, bei Weitem die interessantesten.
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zwar zunächſt den Zimmern des Prinzen Heinrich zuzuwen- den. Sie liegen im erſten Stock des Corps de Logis und bilden eine ununterbrochene Reihenfolge. Vor 60 Jahren waren dieſe Zimmer noch in Gebrauch (der Prinz ſtarb erſt 1802), weshalb man ſich nicht wundern darf, hier Alles in einem Zuſtand leid- licher Wohlerhaltenheit zu finden. Den Anfang machen die ſoge- nannten Prinz-Ferdinand’s-Zimmer, d. h. diejenigen Zimmer, die Prinz Ferdinand zu bewohnen pflegte, wenn er bei ſeinem älteren Bruder, dem Prinzen Heinrich, zum Beſuche war. Viel- leicht auch lebte er in den Jahren 1802 bis 1813 wenigſtens zeitweilig hier und bewohnte dann dieſe Zimmer.
Hinter dieſen ſogenannten Prinz-Ferdinand-Zimmern folgt der Concert-Saal (nicht zu verwechſeln mit dem Kronprinz- lichen im linken Flügel), dann der ſehr gut erhaltene Muſchel- ſaal, endlich das Bibliothek-Zimmer. Neben der Bibliothek befindet ſich das Schlaf- und Sterbezimmer des Prinzen Hein- rich. Es iſt ein großes, ziemlich dunkles Gemach, durch ein Paar Säulen in zwei Hälften getheilt. In der dunkleren Hälfte des Zimmers, halb durch die Säulen verdeckt, ſteht das Sterbebett, ein ſtattlicher, mit ſchweren Seidenvorhängen reich ausgeſtatteter Bau. Alte Staatsbetten machen in der Regel einen peinlichen Eindruck und erfüllen uns mit einem Dankgefühl, daß wir nicht in ihnen zu ſchlafen brauchen. Nicht ſo hier; nichts von Ver- ſchoſſenheit der Farben, von vergilbtem Weiß und dumpfer Feuchte; Alles friſch und farbig und voll beweglich lebensvoller Falten. — Um dies Schlaf- und Sterbezimmer herum gruppiren ſich einige kleinere, die nur durch ihre Schildereien intereſſiren, meiſt Bilder in chineſiſcher Tuſche von der Hand des Prinzen Heinrich ſelbſt. Im Großen und Ganzen herrſcht Mangel an guten Bildern; nur zwei oder drei hat man gelaſſen, um dem Auge des Beſchauers eine Erholung zu gönnen. Unter dieſen ſind zwei Bildniſſe des jungen Grafen Bogislaw von Tauentzien (des ſpäteren Generals Tauentzien von Wittenberg) und ein Portrait der erſten Königin Sophie Charlotte, bei Weitem die intereſſanteſten.
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zwar zunächſt den Zimmern des Prinzen Heinrich zuzuwen-
den. Sie liegen im erſten Stock des Corps de Logis und bilden
eine ununterbrochene Reihenfolge. Vor 60 Jahren waren dieſe
Zimmer noch in Gebrauch (der Prinz ſtarb erſt 1802), weshalb
man ſich nicht wundern darf, hier Alles in einem Zuſtand leid-
licher Wohlerhaltenheit zu finden. Den Anfang machen die ſoge-
nannten Prinz-Ferdinand’s-Zimmer, d. h. diejenigen Zimmer, die
Prinz Ferdinand zu bewohnen pflegte, wenn er bei ſeinem
älteren Bruder, dem Prinzen Heinrich, zum Beſuche war. Viel-
leicht auch lebte er in den Jahren 1802 bis 1813 wenigſtens
zeitweilig hier und bewohnte dann dieſe Zimmer.
Hinter dieſen ſogenannten Prinz-Ferdinand-Zimmern folgt
der Concert-Saal (nicht zu verwechſeln mit dem Kronprinz-
lichen im linken Flügel), dann der ſehr gut erhaltene Muſchel-
ſaal, endlich das Bibliothek-Zimmer. Neben der Bibliothek befindet
ſich das Schlaf- und Sterbezimmer des Prinzen Hein-
rich. Es iſt ein großes, ziemlich dunkles Gemach, durch ein Paar
Säulen in zwei Hälften getheilt. In der dunkleren Hälfte des
Zimmers, halb durch die Säulen verdeckt, ſteht das Sterbebett,
ein ſtattlicher, mit ſchweren Seidenvorhängen reich ausgeſtatteter
Bau. Alte Staatsbetten machen in der Regel einen peinlichen
Eindruck und erfüllen uns mit einem Dankgefühl, daß wir nicht
in ihnen zu ſchlafen brauchen. Nicht ſo hier; nichts von Ver-
ſchoſſenheit der Farben, von vergilbtem Weiß und dumpfer Feuchte;
Alles friſch und farbig und voll beweglich lebensvoller Falten. —
Um dies Schlaf- und Sterbezimmer herum gruppiren ſich einige
kleinere, die nur durch ihre Schildereien intereſſiren, meiſt Bilder
in chineſiſcher Tuſche von der Hand des Prinzen Heinrich ſelbſt.
Im Großen und Ganzen herrſcht Mangel an guten Bildern; nur
zwei oder drei hat man gelaſſen, um dem Auge des Beſchauers
eine Erholung zu gönnen. Unter dieſen ſind zwei Bildniſſe des
jungen Grafen Bogislaw von Tauentzien (des ſpäteren Generals
Tauentzien von Wittenberg) und ein Portrait der erſten Königin
Sophie Charlotte, bei Weitem die intereſſanteſten.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/115>, abgerufen am 25.11.2024.
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