Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41.[irrelevantes Material] Unterm Birnbaum. (Fortsetzung.) 5. Es war Ende November, als an einem naßkalten Abende der von der Krakauer Firma angekündigte Reisende vor Hradschecks Gasthof vorfuhr. Er kam von Küstrin und hatte sich um ein paar Stunden verspätet, weil die vom Regen aufgeweichten Bruchwege beinah unpassirbar gewesen waren, am meisten im Dorfe selbst. Noch die letzten dreihundert Schritt von der Orth'schen Windmühle her hatten ein gut Stück Zeit gekostet, weil das ermüdete Pferd mitunter stehenblieb und trotz allem Fluchen nicht weiter wollte. Jetzt aber hielt der Reisende vor der Ladenthür, durch deren trübe Scheiben ein Lichtschein auf den Damm fiel, und knipste mit der Peitsche. "Halloh; Wirthschaft!" Eine Weile verging, ohne daß wer kam. Endlich erschien der Ladenjunge, lief aber, als er den Tritt heruntergeklappt hatte, gleich wieder weg, "weil er den Knecht, den Jakob, rufen wolle". "Gut, gut. Aber flink ... Js das ein Hundewetter!" Unter solchen und ähnlichen Ausrufungen schlug der jetzt wieder allein gelassene Reisende das Schutzleder zurück, hing den Zügel in den frei gewordenen Haken und kletterte, halb erstarrt und unter Vermeidung des Tritts, dem er nicht recht zu trauen schien, über das Rad weg auf eine leidlich trockene, grad' vor dem Laden-Eingange durch Aufschüttung von Müll und Schutt hergerichtete Stelle. Wolfsschur und Pelzmütze hatten ihm Kopf und Leib geschützt, aber die Füße waren wie todt, und er stampfte hin und her, um wieder Leben ins Blut zu bringen. Und jetzt erschien auch Jakob, der den Reisenden schon von früher her kannte. "Jott, Herr Szulski, bi so'n Wetter! Un so'ne Weg! J, doa kümmt joa keen Düwel nich." "Aber ich," lachte Szulski. "Joa, blot Se, Herr Szulski. Na, nu geihen's man in de Stuw'. Un dat Fellisen besorg' ick. Un will ook glieks en beten wat inhöten. Jck weet joa: de Giebelstuw, de geele, de noah de Kegelboahn to." Während er noch so sprach, hatte Jakob den Koffer auf die Schulter genommen und ging, dem Reisenden vorauf, auf die Treppe zu, als er aber sah, daß Szulski, statt nach links hin in den Laden, nach rechts hin in das Hradscheck'sche Wohnzimmer eintreten wollte, wandt' er sich wieder und sagte: "Nei, nich doa, Herr Szulski. Hradscheck is in de Wienstuw ... Se weeten joa." [irrelevantes Material] Unterm Birnbaum. (Fortsetzung.) 5. Es war Ende November, als an einem naßkalten Abende der von der Krakauer Firma angekündigte Reisende vor Hradschecks Gasthof vorfuhr. Er kam von Küstrin und hatte sich um ein paar Stunden verspätet, weil die vom Regen aufgeweichten Bruchwege beinah unpassirbar gewesen waren, am meisten im Dorfe selbst. Noch die letzten dreihundert Schritt von der Orth’schen Windmühle her hatten ein gut Stück Zeit gekostet, weil das ermüdete Pferd mitunter stehenblieb und trotz allem Fluchen nicht weiter wollte. Jetzt aber hielt der Reisende vor der Ladenthür, durch deren trübe Scheiben ein Lichtschein auf den Damm fiel, und knipste mit der Peitsche. „Halloh; Wirthschaft!“ Eine Weile verging, ohne daß wer kam. Endlich erschien der Ladenjunge, lief aber, als er den Tritt heruntergeklappt hatte, gleich wieder weg, „weil er den Knecht, den Jakob, rufen wolle“. „Gut, gut. Aber flink … Js das ein Hundewetter!“ Unter solchen und ähnlichen Ausrufungen schlug der jetzt wieder allein gelassene Reisende das Schutzleder zurück, hing den Zügel in den frei gewordenen Haken und kletterte, halb erstarrt und unter Vermeidung des Tritts, dem er nicht recht zu trauen schien, über das Rad weg auf eine leidlich trockene, grad’ vor dem Laden-Eingange durch Aufschüttung von Müll und Schutt hergerichtete Stelle. Wolfsschur und Pelzmütze hatten ihm Kopf und Leib geschützt, aber die Füße waren wie todt, und er stampfte hin und her, um wieder Leben ins Blut zu bringen. Und jetzt erschien auch Jakob, der den Reisenden schon von früher her kannte. „Jott, Herr Szulski, bi so’n Wetter! Un so’ne Weg! J, doa kümmt joa keen Düwel nich.“ „Aber ich,“ lachte Szulski. „Joa, blot Se, Herr Szulski. Na, nu geihen’s man in de Stuw’. Un dat Fellisen besorg’ ick. Un will ook glieks en beten wat inhöten. Jck weet joa: de Giebelstuw, de geele, de noah de Kegelboahn to.“ Während er noch so sprach, hatte Jakob den Koffer auf die Schulter genommen und ging, dem Reisenden vorauf, auf die Treppe zu, als er aber sah, daß Szulski, statt nach links hin in den Laden, nach rechts hin in das Hradscheck’sche Wohnzimmer eintreten wollte, wandt’ er sich wieder und sagte: „Nei, nich doa, Herr Szulski. 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Noch die letzten dreihundert Schritt von der Orth’schen Windmühle her hatten ein gut Stück Zeit gekostet, weil das ermüdete Pferd mitunter stehenblieb und trotz allem Fluchen nicht weiter wollte. Jetzt aber hielt der Reisende vor der Ladenthür, durch deren trübe Scheiben ein Lichtschein auf den Damm fiel, und knipste mit der Peitsche.</p><lb/> <p>„Halloh; Wirthschaft!“</p><lb/> <p>Eine Weile verging, ohne daß wer kam. Endlich erschien der Ladenjunge, lief aber, als er den Tritt heruntergeklappt hatte, gleich wieder weg, „weil er den Knecht, den Jakob, rufen wolle“.</p><lb/> <p>„Gut, gut. 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Unterm Birnbaum. Von Th. Fontane.
(Fortsetzung.)
5.
Es war Ende November, als an einem naßkalten Abende der von der Krakauer Firma angekündigte Reisende vor Hradschecks Gasthof vorfuhr. Er kam von Küstrin und hatte sich um ein paar Stunden verspätet, weil die vom Regen aufgeweichten Bruchwege beinah unpassirbar gewesen waren, am meisten im Dorfe selbst. Noch die letzten dreihundert Schritt von der Orth’schen Windmühle her hatten ein gut Stück Zeit gekostet, weil das ermüdete Pferd mitunter stehenblieb und trotz allem Fluchen nicht weiter wollte. Jetzt aber hielt der Reisende vor der Ladenthür, durch deren trübe Scheiben ein Lichtschein auf den Damm fiel, und knipste mit der Peitsche.
„Halloh; Wirthschaft!“
Eine Weile verging, ohne daß wer kam. Endlich erschien der Ladenjunge, lief aber, als er den Tritt heruntergeklappt hatte, gleich wieder weg, „weil er den Knecht, den Jakob, rufen wolle“.
„Gut, gut. Aber flink … Js das ein Hundewetter!“
Unter solchen und ähnlichen Ausrufungen schlug der jetzt wieder allein gelassene Reisende das Schutzleder zurück, hing den Zügel in den frei gewordenen Haken und kletterte, halb erstarrt und unter Vermeidung des Tritts, dem er nicht recht zu trauen schien, über das Rad weg auf eine leidlich trockene, grad’ vor dem Laden-Eingange durch Aufschüttung von Müll und Schutt hergerichtete Stelle. Wolfsschur und Pelzmütze hatten ihm Kopf und Leib geschützt, aber die Füße waren wie todt, und er stampfte hin und her, um wieder Leben ins Blut zu bringen.
Und jetzt erschien auch Jakob, der den Reisenden schon von früher her kannte.
„Jott, Herr Szulski, bi so’n Wetter! Un so’ne Weg! J, doa kümmt joa keen Düwel nich.“
„Aber ich,“ lachte Szulski.
„Joa, blot Se, Herr Szulski. Na, nu geihen’s man in de Stuw’. Un dat Fellisen besorg’ ick. Un will ook glieks en beten wat inhöten. Jck weet joa: de Giebelstuw, de geele, de noah de Kegelboahn to.“
Während er noch so sprach, hatte Jakob den Koffer auf die Schulter genommen und ging, dem Reisenden vorauf, auf die Treppe zu, als er aber sah, daß Szulski, statt nach links hin in den Laden, nach rechts hin in das Hradscheck’sche Wohnzimmer eintreten wollte, wandt’ er sich wieder und sagte: „Nei, nich doa, Herr Szulski. Hradscheck is in de Wienstuw … Se weeten joa.“
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Unterm Birnbaum. In: Die Gartenlaube 32 (1885), H. 33–41, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_birnbaum_1885/11>, abgerufen am 03.03.2025. |