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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Ersten Theils 23. Capitel/
[Spaltenumbruch] seyn, welches doch sehr viel Chymici be-
haupten, und allerhand glaubwürdige
Experimenta davon allegiren, so könte
das wütende Heer seine natürliche Ursa-
chen haben. Vielleicht sind es die Schat-
ten der Jäger, die etwan in dem Walde
einmahl von andern erschlagen worden,
oder sonst darinnen geblieben, und der
Wind führet vielleicht die Schatten der
andern Pferde und Hunde nach ihren
Saltz-Theilgen in der Gestalt zusammen.
Solte aber iemand in den Gedancken ste-
hen, als ob dieses nicht sonderlich glaub-
würdig sey, indem der Wind und die Lufft
diese subtile Theilgen schwerlich bey ein-
ander erhalten würde, oder auch, daß
diese Schatten der Hunde kein Bellen, und
die Schatten der Jäger keinen Laut der
Hifft-Hörner, oder ander Jagd-Geschrey
von sich geben könten, so will deswegen mit
niemand einen Proceß anfangen.

Das 23. Capitel/
Von den Sturm-Winden.
§. 1.

Es sagt zwar die heilige Schrifft, der
Wind bliese, wo er wolte, und man
hörte sein Sausen wohl, man wüste aber
nicht, von wannen er käme, und wohin er
führe. Jnzwischen haben sich doch curi-
eus
e und neugierige Leute gefunden, die
die Beschaffenheit des Windes, und seine
eigentliche March-Route, so zu sagen, ha-
ben ausstudieren wollen. Uber den ei-
gentlichen Ursprung der Winde wird ge-
waltig gestritten; Viele sagen, es würde
derselbe von den Wolcken erreget, wenn ei-
ne schnelle und geschwinde Bewegung,
die innerlich in den Dünsten der Wolcken
entstünde, sie antriebe, daß sie geschwinde
über der Lufft hinzögen, daher denn ein
starckes Sausen verursacht würde; Es
wäre auf den hohen Bergen, unter denen
die Wolcken hinzögen, allezeit stille und ru-
hig, da hingegen in den tieffen Ländern ein
starckes Sausen und Brausen der Winde
gehöret würde. Andere meynen, es kom-
me der Wind aus dem Meer, wenn die
ungeheuren Wellen, die wie die grossen
Häuser und Thürme aufstiegen und nie-
derfielen, eine solche grosse Veränderung
in der Lufft zuwege brächten. Jedoch die-
se Raison expliciret nicht viel. Denn wo
kömmt der Wind her, der die grossen Wel-
len in dem Meer so in die Höhe treibet?
Das ist richtig, daß der Wind an denje-
nigen Orten, wo das Meer nahe ist, von
den grossen aufgethürnten Wellen weit
[Spaltenumbruch] vermehret wird, indem die Lufft durch die
herunterschiessenden Wellen fortgestossen
wird, es ist aber dieses nicht vor die eintzige
Raison zu halten, warum in andern Län-
dern der Wind entsteht. Diejenigen,
die den Wind der Ebbe und der Fluth, in-
gleichen dem Auslauf der Qvellen, und
dem Zufluß der Ströhme, und deren
Ausgiessung in den grossen Oceanum zu-
schreiben wollen, irren nach meinen Ge-
dancken auch ziemlicher massen; Denn
dieses bleibet stets in einerley Situ, und al-
so müste der Lauf, die Beschaffenheit und
die Bewegung der Winde auch überein
verbleiben, welches doch nicht ist.

§. 2.

Am allerwahrscheinlichsten ist,
daß die Winde aus der Erde ihren Ur-
sprung leiten, wenn nemlich das unter-
irrdische Feuer aus uns unbekandten Ur-
sachen einmahl hefftiger vermehret wird,
als das andere, und also bey der rarifacir-
ten Lufft der Wind aus den Höhlen und
Ausgängen der Erde herausgestossen
wird. Man nimmt aus der Erfahrung
wahr, daß allezeit, wo Feuer ist, da auch
Wind anzutreffen, und er bey demselben
vermehret werde; wie man denn auch
durch die Kunst bey der Physica Experi-
mentali
bey der Flamme, die in eine küpf-
ferne Kugel eingeschlossen wird, einen
Wind zu erregen weiß. Wenn die Win-
de in der Erde bleiben, und keinen Aus-
gang gewinnen, so erregen sie Erdbeben;
daß also ein Erdbeben nichts anders ist,
als ein Wind, der in der Erde herum fäh-
ret und tobet; An den Orten, wo das un-
terirrdische Feuer in grösserer Menge an-
getroffen wird, als in Jtalien, werden auch
stärckere und öfftere Erddeben gespüret,
als hier zu Lande.

§. 3.

Ob nun schon die Winde man-
ches Unheyl in der Welt erregen, massen
sie Häuser und Thürme nicht selten über
den Hauffen schmeissen, die Wälder rui-
ni
ren, die Schiffahrten stöhren, Feuers-
brünste excitiren und vergrössern, weil
sie ebenfalls, wie die andern Geschöpffe,
dazu von GOtt erschaffen, daß sie auf sei-
nen Befehl an den gottlosen Menschen ih-
re Rache ausüben müssen; so muß man
doch bekennen, daß sie auch mancherley
Nutzen schaffen: Sie erschüttern einiger
massen den Erdboden, daß hernach die
Feld-Früchte, Bäume und andere Ge-
wächse, wenn der Erdboden erluckert, de-
sto besser wachsen mögen, sie reinigen die
Lufft von mancherley gifftigen und schäd-
lichen Ausdünstungen und Theilgen, die

in

Des Erſten Theils 23. Capitel/
[Spaltenumbruch] ſeyn, welches doch ſehr viel Chymici be-
haupten, und allerhand glaubwuͤrdige
Experimenta davon allegiren, ſo koͤnte
das wuͤtende Heer ſeine natuͤrliche Urſa-
chen haben. Vielleicht ſind es die Schat-
ten der Jaͤger, die etwan in dem Walde
einmahl von andern erſchlagen worden,
oder ſonſt darinnen geblieben, und der
Wind fuͤhret vielleicht die Schatten der
andern Pferde und Hunde nach ihren
Saltz-Theilgen in der Geſtalt zuſammen.
Solte aber iemand in den Gedancken ſte-
hen, als ob dieſes nicht ſonderlich glaub-
wuͤrdig ſey, indem der Wind und die Lufft
dieſe ſubtile Theilgen ſchwerlich bey ein-
ander erhalten wuͤrde, oder auch, daß
dieſe Schatten der Hunde kein Bellen, und
die Schatten der Jaͤger keinen Laut der
Hifft-Hoͤrner, oder ander Jagd-Geſchrey
von ſich geben koͤnten, ſo will deswegen mit
niemand einen Proceß anfangen.

Das 23. Capitel/
Von den Sturm-Winden.
§. 1.

Es ſagt zwar die heilige Schrifft, der
Wind blieſe, wo er wolte, und man
hoͤrte ſein Sauſen wohl, man wuͤſte aber
nicht, von wannen er kaͤme, und wohin er
fuͤhre. Jnzwiſchen haben ſich doch curi-
euſ
e und neugierige Leute gefunden, die
die Beſchaffenheit des Windes, und ſeine
eigentliche March-Route, ſo zu ſagen, ha-
ben ausſtudieren wollen. Uber den ei-
gentlichen Urſprung der Winde wird ge-
waltig geſtritten; Viele ſagen, es wuͤrde
derſelbe von den Wolcken erreget, wenn ei-
ne ſchnelle und geſchwinde Bewegung,
die innerlich in den Duͤnſten der Wolcken
entſtuͤnde, ſie antriebe, daß ſie geſchwinde
uͤber der Lufft hinzoͤgen, daher denn ein
ſtarckes Sauſen verurſacht wuͤrde; Es
waͤre auf den hohen Bergen, unter denen
die Wolcken hinzoͤgen, allezeit ſtille und ru-
hig, da hingegen in den tieffen Laͤndern ein
ſtarckes Sauſen und Brauſen der Winde
gehoͤret wuͤrde. Andere meynen, es kom-
me der Wind aus dem Meer, wenn die
ungeheuren Wellen, die wie die groſſen
Haͤuſer und Thuͤrme aufſtiegen und nie-
derfielen, eine ſolche groſſe Veraͤnderung
in der Lufft zuwege braͤchten. Jedoch die-
ſe Raiſon expliciret nicht viel. Denn wo
koͤmmt der Wind her, der die groſſen Wel-
len in dem Meer ſo in die Hoͤhe treibet?
Das iſt richtig, daß der Wind an denje-
nigen Orten, wo das Meer nahe iſt, von
den groſſen aufgethuͤrnten Wellen weit
[Spaltenumbruch] vermehret wird, indem die Lufft durch die
herunterſchieſſenden Wellen fortgeſtoſſen
wird, es iſt aber dieſes nicht vor die eintzige
Raiſon zu halten, warum in andern Laͤn-
dern der Wind entſteht. Diejenigen,
die den Wind der Ebbe und der Fluth, in-
gleichen dem Auslauf der Qvellen, und
dem Zufluß der Stroͤhme, und deren
Ausgieſſung in den groſſen Oceanum zu-
ſchreiben wollen, irren nach meinen Ge-
dancken auch ziemlicher maſſen; Denn
dieſes bleibet ſtets in einerley Situ, und al-
ſo muͤſte der Lauf, die Beſchaffenheit und
die Bewegung der Winde auch uͤberein
verbleiben, welches doch nicht iſt.

§. 2.

Am allerwahrſcheinlichſten iſt,
daß die Winde aus der Erde ihren Ur-
ſprung leiten, wenn nemlich das unter-
irrdiſche Feuer aus uns unbekandten Ur-
ſachen einmahl hefftiger vermehret wird,
als das andere, und alſo bey der rarifacir-
ten Lufft der Wind aus den Hoͤhlen und
Ausgaͤngen der Erde herausgeſtoſſen
wird. Man nimmt aus der Erfahrung
wahr, daß allezeit, wo Feuer iſt, da auch
Wind anzutreffen, und er bey demſelben
vermehret werde; wie man denn auch
durch die Kunſt bey der Phyſica Experi-
mentali
bey der Flamme, die in eine kuͤpf-
ferne Kugel eingeſchloſſen wird, einen
Wind zu erregen weiß. Wenn die Win-
de in der Erde bleiben, und keinen Aus-
gang gewinnen, ſo erregen ſie Erdbeben;
daß alſo ein Erdbeben nichts anders iſt,
als ein Wind, der in der Erde herum faͤh-
ret und tobet; An den Orten, wo das un-
terirrdiſche Feuer in groͤſſerer Menge an-
getroffen wird, als in Jtalien, werden auch
ſtaͤrckere und oͤfftere Erddeben geſpuͤret,
als hier zu Lande.

§. 3.

Ob nun ſchon die Winde man-
ches Unheyl in der Welt erregen, maſſen
ſie Haͤuſer und Thuͤrme nicht ſelten uͤber
den Hauffen ſchmeiſſen, die Waͤlder rui-
ni
ren, die Schiffahrten ſtoͤhren, Feuers-
bruͤnſte excitiren und vergroͤſſern, weil
ſie ebenfalls, wie die andern Geſchoͤpffe,
dazu von GOtt erſchaffen, daß ſie auf ſei-
nen Befehl an den gottloſen Menſchen ih-
re Rache ausuͤben muͤſſen; ſo muß man
doch bekennen, daß ſie auch mancherley
Nutzen ſchaffen: Sie erſchuͤttern einiger
maſſen den Erdboden, daß hernach die
Feld-Fruͤchte, Baͤume und andere Ge-
waͤchſe, wenn der Erdboden erluckert, de-
ſto beſſer wachſen moͤgen, ſie reinigen die
Lufft von mancherley gifftigen und ſchaͤd-
lichen Ausduͤnſtungen und Theilgen, die

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[38/0094] Des Erſten Theils 23. Capitel/ ſeyn, welches doch ſehr viel Chymici be- haupten, und allerhand glaubwuͤrdige Experimenta davon allegiren, ſo koͤnte das wuͤtende Heer ſeine natuͤrliche Urſa- chen haben. Vielleicht ſind es die Schat- ten der Jaͤger, die etwan in dem Walde einmahl von andern erſchlagen worden, oder ſonſt darinnen geblieben, und der Wind fuͤhret vielleicht die Schatten der andern Pferde und Hunde nach ihren Saltz-Theilgen in der Geſtalt zuſammen. Solte aber iemand in den Gedancken ſte- hen, als ob dieſes nicht ſonderlich glaub- wuͤrdig ſey, indem der Wind und die Lufft dieſe ſubtile Theilgen ſchwerlich bey ein- ander erhalten wuͤrde, oder auch, daß dieſe Schatten der Hunde kein Bellen, und die Schatten der Jaͤger keinen Laut der Hifft-Hoͤrner, oder ander Jagd-Geſchrey von ſich geben koͤnten, ſo will deswegen mit niemand einen Proceß anfangen. Das 23. Capitel/ Von den Sturm-Winden. §. 1. Es ſagt zwar die heilige Schrifft, der Wind blieſe, wo er wolte, und man hoͤrte ſein Sauſen wohl, man wuͤſte aber nicht, von wannen er kaͤme, und wohin er fuͤhre. Jnzwiſchen haben ſich doch curi- euſe und neugierige Leute gefunden, die die Beſchaffenheit des Windes, und ſeine eigentliche March-Route, ſo zu ſagen, ha- ben ausſtudieren wollen. Uber den ei- gentlichen Urſprung der Winde wird ge- waltig geſtritten; Viele ſagen, es wuͤrde derſelbe von den Wolcken erreget, wenn ei- ne ſchnelle und geſchwinde Bewegung, die innerlich in den Duͤnſten der Wolcken entſtuͤnde, ſie antriebe, daß ſie geſchwinde uͤber der Lufft hinzoͤgen, daher denn ein ſtarckes Sauſen verurſacht wuͤrde; Es waͤre auf den hohen Bergen, unter denen die Wolcken hinzoͤgen, allezeit ſtille und ru- hig, da hingegen in den tieffen Laͤndern ein ſtarckes Sauſen und Brauſen der Winde gehoͤret wuͤrde. Andere meynen, es kom- me der Wind aus dem Meer, wenn die ungeheuren Wellen, die wie die groſſen Haͤuſer und Thuͤrme aufſtiegen und nie- derfielen, eine ſolche groſſe Veraͤnderung in der Lufft zuwege braͤchten. Jedoch die- ſe Raiſon expliciret nicht viel. Denn wo koͤmmt der Wind her, der die groſſen Wel- len in dem Meer ſo in die Hoͤhe treibet? Das iſt richtig, daß der Wind an denje- nigen Orten, wo das Meer nahe iſt, von den groſſen aufgethuͤrnten Wellen weit vermehret wird, indem die Lufft durch die herunterſchieſſenden Wellen fortgeſtoſſen wird, es iſt aber dieſes nicht vor die eintzige Raiſon zu halten, warum in andern Laͤn- dern der Wind entſteht. Diejenigen, die den Wind der Ebbe und der Fluth, in- gleichen dem Auslauf der Qvellen, und dem Zufluß der Stroͤhme, und deren Ausgieſſung in den groſſen Oceanum zu- ſchreiben wollen, irren nach meinen Ge- dancken auch ziemlicher maſſen; Denn dieſes bleibet ſtets in einerley Situ, und al- ſo muͤſte der Lauf, die Beſchaffenheit und die Bewegung der Winde auch uͤberein verbleiben, welches doch nicht iſt. §. 2. Am allerwahrſcheinlichſten iſt, daß die Winde aus der Erde ihren Ur- ſprung leiten, wenn nemlich das unter- irrdiſche Feuer aus uns unbekandten Ur- ſachen einmahl hefftiger vermehret wird, als das andere, und alſo bey der rarifacir- ten Lufft der Wind aus den Hoͤhlen und Ausgaͤngen der Erde herausgeſtoſſen wird. Man nimmt aus der Erfahrung wahr, daß allezeit, wo Feuer iſt, da auch Wind anzutreffen, und er bey demſelben vermehret werde; wie man denn auch durch die Kunſt bey der Phyſica Experi- mentali bey der Flamme, die in eine kuͤpf- ferne Kugel eingeſchloſſen wird, einen Wind zu erregen weiß. Wenn die Win- de in der Erde bleiben, und keinen Aus- gang gewinnen, ſo erregen ſie Erdbeben; daß alſo ein Erdbeben nichts anders iſt, als ein Wind, der in der Erde herum faͤh- ret und tobet; An den Orten, wo das un- terirrdiſche Feuer in groͤſſerer Menge an- getroffen wird, als in Jtalien, werden auch ſtaͤrckere und oͤfftere Erddeben geſpuͤret, als hier zu Lande. §. 3. Ob nun ſchon die Winde man- ches Unheyl in der Welt erregen, maſſen ſie Haͤuſer und Thuͤrme nicht ſelten uͤber den Hauffen ſchmeiſſen, die Waͤlder rui- niren, die Schiffahrten ſtoͤhren, Feuers- bruͤnſte excitiren und vergroͤſſern, weil ſie ebenfalls, wie die andern Geſchoͤpffe, dazu von GOtt erſchaffen, daß ſie auf ſei- nen Befehl an den gottloſen Menſchen ih- re Rache ausuͤben muͤſſen; ſo muß man doch bekennen, daß ſie auch mancherley Nutzen ſchaffen: Sie erſchuͤttern einiger maſſen den Erdboden, daß hernach die Feld-Fruͤchte, Baͤume und andere Ge- waͤchſe, wenn der Erdboden erluckert, de- ſto beſſer wachſen moͤgen, ſie reinigen die Lufft von mancherley gifftigen und ſchaͤd- lichen Ausduͤnſtungen und Theilgen, die in

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/94>, abgerufen am 24.11.2024.