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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

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Des Dritten Theils 40. Cap. von den wilden Bienen.
[Spaltenumbruch] den grossen Bäumen, die entweder von
Spechten und andern Geflügel, oder
von den Menschen mit allem Fleiß ausge-
höhlet worden, ihre Wohnungen. Sie
sind etwas kleiner als die zahmen, iedoch
darinnen einander gleich, daß aus zah-
men wilde, und aus wilden zahme wer-
den können. Es begiebt sich offters, daß
Bienen aus den Gärten in das Gehöltz
und in die Wälder ziehen, und man fin-
det auch offt in dem Holtz Schwärme an
den Bäumen, die man zu Hauffe tra-
gen, einfassen, und wie die zahmen tra-
cti
ren kan. Diese wilde Art schwärmt
gerne, trägt aber nicht so viel Honig ein,
als die andern. Je älter die Stöcke wer-
den, ie mehr tragen sie ein, denn sie ge-
wohnen des leichten und lichten Feld- und
Garten-Fluges besser. Die jungen
Schwärme aber, die in den Gärten von
ihnen gezielet werden, gerathen besser als
die alten; Doch lassen sie nicht gantz von
ihrer Art, und sind leicht erzürnet. Jn
Liefland und Pohlen giebt es eine grosse
Menge wilder Bienen, und müssen die
Bauern daselbst jährlich eine grosse Qvan-
tität von Honig und Wachs sammlen. Sie
nisten sonderlich gerne in den Wäldern,
wo es frische Bäche und Brunnqvellen
hat. Durch Gelegenheit des Brunnen,
wenn die Bienen auf die Träncke kom-
men, lernen die Einwohner erkennen,
ob sie ihre Nester weit oder nahe haben.
Sie feuchten nemlich Rötel-Stein in Was-
ser ein, besprengen damit die Bienen,
und warten einen halben Tag oder was,
daß sie sehen, ob diese gefärbte Bienen bald
oder langsam wieder kommen. Kom-
men sie bald wieder, so sind ihre Höhlen
gewiß nahe. Sind sie aber weit, so muß
man List und Vorsichtigkeit gebrauchen,
es zu entdecken, und erfährt mans auf
folgende Art: Man vermacht ein aus-
gehöhltes Rohr auf der einen Seiten,
und bestreicht es mit Honig, legt solches
nachgehends neben den Brunnen. So
bald nun die Bienen den Honig riechen,
kommen sie mit Begierde, und schliefen
in das Rohr. Sind genug Bienen da-
rinnen, setzt man den Daumen auf das
Loch, daß keine mehr heraus mag,
nimmt das Rohr, und läßt nicht mehr
als eine heraus. Bey ihrem Fortsausen
muß man ihren Flug sorgfältig bemer-
cken, wohin sie sich wendet, und solchem
nacheilen, so lange man die Bienen
mit den Augen erreichen kan. Jst sie
[Spaltenumbruch] aus dem Gesicht entrunnen, läst man
eine andere heraus, flieget dieselbi-
ge auch diesen Weg, so bleibet man auf
der ersten Spuhr; und also läßt man ei-
ne nach der andern heraus, und kommt
damit je länger je näher, biß man merckt,
nach welcher Gegend der meiste Theil zu-
fliegt, und diesen muß man nachspüh-
ren, biß man recht an ihre Wohnung
kommt. Wer aber diese Arbeit vollen-
den will, muß solches des Morgens thun,
damit man den Tag über Zeit genug ha-
be, die Spuhr der Bienen zu verfolgen.
Fängt man es zu spat an, so nimmt
der Tag eher ein Ende, als diese Ar-
beit.

§. 2.

Jn Oesterreich wird die rechte
Art der wilden Bienen nicht angetroffen,
und die man etwan in den Wäldern, in
den hohlen Bäumen und in den Stein-
Felsen zu Zeiten wahrnimmt, sind ei-
gentlich nicht wilde, sondern nur von den
einheimischen Stöcken abgeschwärmte
Bienen, die man entweder übersehen,
oder mit denen man sonst unrecht umgan-
gen, daß sie aus Noth das Gehöltze su-
chen müssen, und das thun diese am ge-
wöhnlichsten, die den Gehöltzen nahe sind,
dahin sie offters geflogen, und gute Wey-
de, auch Brunnqvellen daselbsten gefun-
den. Jn den grossen Wäldern, wo man
viel Eich-Bäume siehet, giebt es auch
bißweilen Bruthen und Bienen-Stöcke,
in welchen die Bienen schwartzes und un-
schmackhafftes Honig machen. Dieses
darff man den Bienen nicht zur Speise
vorlegen, denn sie crepiren davon. Sind
die Bruthen in andere Bäume gebauet,
als in Linden, Espen, Kienföhren, Er-
len und Weiden, so ist das Honig viel
nützlicher.

§. 3.

Wo die Herrschafften grosse
Wälder haben, werden den Zeidlern Bie-
nen und ledige Bruten im Bestand ge-
lassen, und iedem sein Theil in der gan-
tzen Heide ausgezeichnet, darinnen er
nach Nothdurfft seine Bruten zurichten
mag, davon giebt er denn seinen gewis-
sen Honig-Zinß, und er hat das Recht,
daß keiner dem andern einen Bienen-
Schwarm von seiner Heiden wegnehmen
darff, sondern derselbe Zeidler, der die
Heide innen hat, muß die Bienen ziehen
lassen, in welchen Baum es ihnen gefällig
ist. Die Zeit aber, die Bruten in die

Bäu-

Des Dritten Theils 40. Cap. von den wilden Bienen.
[Spaltenumbruch] den groſſen Baͤumen, die entweder von
Spechten und andern Gefluͤgel, oder
von den Menſchen mit allem Fleiß ausge-
hoͤhlet worden, ihre Wohnungen. Sie
ſind etwas kleiner als die zahmen, iedoch
darinnen einander gleich, daß aus zah-
men wilde, und aus wilden zahme wer-
den koͤnnen. Es begiebt ſich offters, daß
Bienen aus den Gaͤrten in das Gehoͤltz
und in die Waͤlder ziehen, und man fin-
det auch offt in dem Holtz Schwaͤrme an
den Baͤumen, die man zu Hauffe tra-
gen, einfaſſen, und wie die zahmen tra-
cti
ren kan. Dieſe wilde Art ſchwaͤrmt
gerne, traͤgt aber nicht ſo viel Honig ein,
als die andern. Je aͤlter die Stoͤcke wer-
den, ie mehr tragen ſie ein, denn ſie ge-
wohnen des leichten und lichten Feld- und
Garten-Fluges beſſer. Die jungen
Schwaͤrme aber, die in den Gaͤrten von
ihnen gezielet werden, gerathen beſſer als
die alten; Doch laſſen ſie nicht gantz von
ihrer Art, und ſind leicht erzuͤrnet. Jn
Liefland und Pohlen giebt es eine groſſe
Menge wilder Bienen, und muͤſſen die
Bauern daſelbſt jaͤhrlich eine groſſe Qvan-
titaͤt von Honig und Wachs ſammlen. Sie
niſten ſonderlich gerne in den Waͤldern,
wo es friſche Baͤche und Brunnqvellen
hat. Durch Gelegenheit des Brunnen,
wenn die Bienen auf die Traͤncke kom-
men, lernen die Einwohner erkennen,
ob ſie ihre Neſter weit oder nahe haben.
Sie feuchten nemlich Roͤtel-Stein in Waſ-
ſer ein, beſprengen damit die Bienen,
und warten einen halben Tag oder was,
daß ſie ſehen, ob dieſe gefaͤrbte Bienen bald
oder langſam wieder kommen. Kom-
men ſie bald wieder, ſo ſind ihre Hoͤhlen
gewiß nahe. Sind ſie aber weit, ſo muß
man Liſt und Vorſichtigkeit gebrauchen,
es zu entdecken, und erfaͤhrt mans auf
folgende Art: Man vermacht ein aus-
gehoͤhltes Rohr auf der einen Seiten,
und beſtreicht es mit Honig, legt ſolches
nachgehends neben den Brunnen. So
bald nun die Bienen den Honig riechen,
kommen ſie mit Begierde, und ſchliefen
in das Rohr. Sind genug Bienen da-
rinnen, ſetzt man den Daumen auf das
Loch, daß keine mehr heraus mag,
nimmt das Rohr, und laͤßt nicht mehr
als eine heraus. Bey ihrem Fortſauſen
muß man ihren Flug ſorgfaͤltig bemer-
cken, wohin ſie ſich wendet, und ſolchem
nacheilen, ſo lange man die Bienen
mit den Augen erreichen kan. Jſt ſie
[Spaltenumbruch] aus dem Geſicht entrunnen, laͤſt man
eine andere heraus, flieget dieſelbi-
ge auch dieſen Weg, ſo bleibet man auf
der erſten Spuhr; und alſo laͤßt man ei-
ne nach der andern heraus, und kommt
damit je laͤnger je naͤher, biß man merckt,
nach welcher Gegend der meiſte Theil zu-
fliegt, und dieſen muß man nachſpuͤh-
ren, biß man recht an ihre Wohnung
kommt. Wer aber dieſe Arbeit vollen-
den will, muß ſolches des Morgens thun,
damit man den Tag uͤber Zeit genug ha-
be, die Spuhr der Bienen zu verfolgen.
Faͤngt man es zu ſpat an, ſo nimmt
der Tag eher ein Ende, als dieſe Ar-
beit.

§. 2.

Jn Oeſterreich wird die rechte
Art der wilden Bienen nicht angetroffen,
und die man etwan in den Waͤldern, in
den hohlen Baͤumen und in den Stein-
Felſen zu Zeiten wahrnimmt, ſind ei-
gentlich nicht wilde, ſondern nur von den
einheimiſchen Stoͤcken abgeſchwaͤrmte
Bienen, die man entweder uͤberſehen,
oder mit denen man ſonſt unrecht umgan-
gen, daß ſie aus Noth das Gehoͤltze ſu-
chen muͤſſen, und das thun dieſe am ge-
woͤhnlichſten, die den Gehoͤltzen nahe ſind,
dahin ſie offters geflogen, und gute Wey-
de, auch Brunnqvellen daſelbſten gefun-
den. Jn den groſſen Waͤldern, wo man
viel Eich-Baͤume ſiehet, giebt es auch
bißweilen Bruthen und Bienen-Stoͤcke,
in welchen die Bienen ſchwartzes und un-
ſchmackhafftes Honig machen. Dieſes
darff man den Bienen nicht zur Speiſe
vorlegen, denn ſie crepiren davon. Sind
die Bruthen in andere Baͤume gebauet,
als in Linden, Eſpen, Kienfoͤhren, Er-
len und Weiden, ſo iſt das Honig viel
nuͤtzlicher.

§. 3.

Wo die Herrſchafften groſſe
Waͤlder haben, werden den Zeidlern Bie-
nen und ledige Bruten im Beſtand ge-
laſſen, und iedem ſein Theil in der gan-
tzen Heide ausgezeichnet, darinnen er
nach Nothdurfft ſeine Bruten zurichten
mag, davon giebt er denn ſeinen gewiſ-
ſen Honig-Zinß, und er hat das Recht,
daß keiner dem andern einen Bienen-
Schwarm von ſeiner Heiden wegnehmen
darff, ſondern derſelbe Zeidler, der die
Heide innen hat, muß die Bienen ziehen
laſſen, in welchen Baum es ihnen gefaͤllig
iſt. Die Zeit aber, die Bruten in die

Baͤu-
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[223/0349] Des Dritten Theils 40. Cap. von den wilden Bienen. den groſſen Baͤumen, die entweder von Spechten und andern Gefluͤgel, oder von den Menſchen mit allem Fleiß ausge- hoͤhlet worden, ihre Wohnungen. Sie ſind etwas kleiner als die zahmen, iedoch darinnen einander gleich, daß aus zah- men wilde, und aus wilden zahme wer- den koͤnnen. Es begiebt ſich offters, daß Bienen aus den Gaͤrten in das Gehoͤltz und in die Waͤlder ziehen, und man fin- det auch offt in dem Holtz Schwaͤrme an den Baͤumen, die man zu Hauffe tra- gen, einfaſſen, und wie die zahmen tra- ctiren kan. Dieſe wilde Art ſchwaͤrmt gerne, traͤgt aber nicht ſo viel Honig ein, als die andern. Je aͤlter die Stoͤcke wer- den, ie mehr tragen ſie ein, denn ſie ge- wohnen des leichten und lichten Feld- und Garten-Fluges beſſer. Die jungen Schwaͤrme aber, die in den Gaͤrten von ihnen gezielet werden, gerathen beſſer als die alten; Doch laſſen ſie nicht gantz von ihrer Art, und ſind leicht erzuͤrnet. Jn Liefland und Pohlen giebt es eine groſſe Menge wilder Bienen, und muͤſſen die Bauern daſelbſt jaͤhrlich eine groſſe Qvan- titaͤt von Honig und Wachs ſammlen. Sie niſten ſonderlich gerne in den Waͤldern, wo es friſche Baͤche und Brunnqvellen hat. Durch Gelegenheit des Brunnen, wenn die Bienen auf die Traͤncke kom- men, lernen die Einwohner erkennen, ob ſie ihre Neſter weit oder nahe haben. Sie feuchten nemlich Roͤtel-Stein in Waſ- ſer ein, beſprengen damit die Bienen, und warten einen halben Tag oder was, daß ſie ſehen, ob dieſe gefaͤrbte Bienen bald oder langſam wieder kommen. Kom- men ſie bald wieder, ſo ſind ihre Hoͤhlen gewiß nahe. Sind ſie aber weit, ſo muß man Liſt und Vorſichtigkeit gebrauchen, es zu entdecken, und erfaͤhrt mans auf folgende Art: Man vermacht ein aus- gehoͤhltes Rohr auf der einen Seiten, und beſtreicht es mit Honig, legt ſolches nachgehends neben den Brunnen. So bald nun die Bienen den Honig riechen, kommen ſie mit Begierde, und ſchliefen in das Rohr. Sind genug Bienen da- rinnen, ſetzt man den Daumen auf das Loch, daß keine mehr heraus mag, nimmt das Rohr, und laͤßt nicht mehr als eine heraus. Bey ihrem Fortſauſen muß man ihren Flug ſorgfaͤltig bemer- cken, wohin ſie ſich wendet, und ſolchem nacheilen, ſo lange man die Bienen mit den Augen erreichen kan. Jſt ſie aus dem Geſicht entrunnen, laͤſt man eine andere heraus, flieget dieſelbi- ge auch dieſen Weg, ſo bleibet man auf der erſten Spuhr; und alſo laͤßt man ei- ne nach der andern heraus, und kommt damit je laͤnger je naͤher, biß man merckt, nach welcher Gegend der meiſte Theil zu- fliegt, und dieſen muß man nachſpuͤh- ren, biß man recht an ihre Wohnung kommt. Wer aber dieſe Arbeit vollen- den will, muß ſolches des Morgens thun, damit man den Tag uͤber Zeit genug ha- be, die Spuhr der Bienen zu verfolgen. Faͤngt man es zu ſpat an, ſo nimmt der Tag eher ein Ende, als dieſe Ar- beit. §. 2. Jn Oeſterreich wird die rechte Art der wilden Bienen nicht angetroffen, und die man etwan in den Waͤldern, in den hohlen Baͤumen und in den Stein- Felſen zu Zeiten wahrnimmt, ſind ei- gentlich nicht wilde, ſondern nur von den einheimiſchen Stoͤcken abgeſchwaͤrmte Bienen, die man entweder uͤberſehen, oder mit denen man ſonſt unrecht umgan- gen, daß ſie aus Noth das Gehoͤltze ſu- chen muͤſſen, und das thun dieſe am ge- woͤhnlichſten, die den Gehoͤltzen nahe ſind, dahin ſie offters geflogen, und gute Wey- de, auch Brunnqvellen daſelbſten gefun- den. Jn den groſſen Waͤldern, wo man viel Eich-Baͤume ſiehet, giebt es auch bißweilen Bruthen und Bienen-Stoͤcke, in welchen die Bienen ſchwartzes und un- ſchmackhafftes Honig machen. Dieſes darff man den Bienen nicht zur Speiſe vorlegen, denn ſie crepiren davon. Sind die Bruthen in andere Baͤume gebauet, als in Linden, Eſpen, Kienfoͤhren, Er- len und Weiden, ſo iſt das Honig viel nuͤtzlicher. §. 3. Wo die Herrſchafften groſſe Waͤlder haben, werden den Zeidlern Bie- nen und ledige Bruten im Beſtand ge- laſſen, und iedem ſein Theil in der gan- tzen Heide ausgezeichnet, darinnen er nach Nothdurfft ſeine Bruten zurichten mag, davon giebt er denn ſeinen gewiſ- ſen Honig-Zinß, und er hat das Recht, daß keiner dem andern einen Bienen- Schwarm von ſeiner Heiden wegnehmen darff, ſondern derſelbe Zeidler, der die Heide innen hat, muß die Bienen ziehen laſſen, in welchen Baum es ihnen gefaͤllig iſt. Die Zeit aber, die Bruten in die Baͤu-

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Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/349>, abgerufen am 22.12.2024.