Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

Des Andern Theils 50. Capitel/
[Spaltenumbruch] zuführen unnöthig. Wenn man von
den Materialisten Rasuram Cornu Cervi
kauffen will, weil sehr grosse Betrüge-
reyen damit vorgehen, und sie solche mit
geschabten Ochsen- oder Küh-Hörnern
verfälschen, so thut man wohl, wenn
man solche gleich in seiner Gegenwart sich
feilen läßt. Die Hirsch-Creutzgen, die
man ebener gestalt zur Artzney anwen-
det, müssen überaus weiß und nicht allzu
groß seyn, sonst vermuthet man mit
Recht, daß sie von sehr alten Ochsen her-
kommen, in welchen man eben derglei-
chen Knöchelgen antrifft, und Unwissen-
de werden hernach damit betrogen. Da-
her trifft man auch in den Medicinischen
Materialien-Musaeis allezeit zwey Sorten
an, als eine veritable von Hirschen, und
eine falsche von Ochsen.

Das 50. Capitel/
Historische Anmerckungen
von Wölffen.
§. 1.

Die Aegyptier verehren diese garstigen
und grimmigen Thiere fast göttlich,
sie unterhalten sie mit grossen Unkosten,
tractiren sie auf das beste, salben sie mit
den köstlichsten Salben, u. s. w. S. Gar-
man. de miraculis mortuorum pag.
1018.
Jm Hessen-Lande sind einstens eine Par-
thie Wölffe in ein Dorff gefallen, haben
viel Schafe niedergerissen, und da sie von
den Hirten gestöhret worden, solche halb
liegen lassen. Die Schaf-Hirten lassen
das von den Wölffen übrig gelassene
Schaf-Fleisch ihre Hunde vollends auf-
fressen. Einige Tage darauf fallen die
Schaf-Hunde die Heerde Schafe an, reis-
sen ihrer viele nieder, und fressen solche
mit der grösten Begierde nicht anders,
als die Wölffe. Jn America sollen sich
die Europäischen Hunde so vermehret ha-
ben, daß ihrer viele wilde geworden, und
Menschen und Vieh als die Wölffe an-
fallen. Hingegentheil wenn ein Wolff
stets von Jugend auf unter den Hunden
aufgezogen wird, so beschützt er die Scha-
fe vor den Wölffen, wie ein Hund. Schott.
Phys. Curios. l. 8. c.
48.

§. 2.

Gesnerus erwehnet l. 1. de Qua-
druped. pag.
725. daß ein Mann in der
Schweitz einen Wolff mit dem Klang ei-
ner Trommel von sich gejaget, den er mit
[Spaltenumbruch] den grösten Steinen und Prügeln nicht
abhalten können. Jn dem vorigen 30.
jährigen Kriege lagen, sonderlich im Ge-
bürge, viel Dörffer öde und wüste, so,
daß sich die Wölffe in derselben Gegend
trefflich gemehret hatten. Ein Reisender
wurde von sieben solchen Gesellen ange-
lauffen, der salvirt sich zu seinem Glück
in ein wüstes Haus, findet eine Farth, dar-
an steigt er auf den Boden, und zeucht
die Farth hernach. Hiermit war er zwar
dem Feind entgangen, muste aber eine sel-
tzame Belägerung ausstehen, und etliche
Tage mit dem Hunger kämpffen. Die
Wölffe lagerten sich unten im Hause,
wetzten die Zähne auf dem Braten, und
bissen vor grosser Begierde immer in die
Erde. Löseten auch einander, wenn sie
ihre Nothdurfft ablegen wolten, ordent-
lich ab. Wie dem armen Passagirer zu
Muthe gewesen, ist leicht zu erachten.
Am dritten Tage erblickt er eine Parthie
Reuter, denen giebt er mit dem auf ei-
ne Stange gesteckten Hut ein Zeichen, da
sie sich nähern, erzehlt er seine Bloquade,
und wird errettet, als die Reuter durch die
Fenster Feuer in die Corps de Guarde
dieser Räuber geben, welche denn mit ei-
nem Sturm ausgerissen, und die ver-
hoffte Beute quittiren müssen.

§. 3.

Anno 1550. im Jan. gieng ein
Bergmann von Frorias im harten Win-
ter früh um 3. Uhr auf seine Zeiche mit
einer Laterne. Dem begegnen 9. Wölffe.
Er fället nieder unter eine Fichte, seuffzet
zu GOtt, er wolle ihn wie Daniel unter
den Löwen erhalten, hält die leuchtende
Laterne den anlauffenden Wölffen vor
die Augen, damit lieffen sie alle davon, und
liessen ihn unbeschädiget. Anno 1591. hü-
tete ein Mägdlein der Kühe auf den Her-
mesdorffischen Feldern, und sahe eine
Wölffin mit 5. Jungen herzu lauffen.
Das arme Kind legte sich aus Furcht und
Schrecken in eine Grube, da kamen die
jungen Wölffe, und leckten immer das
Maul aus Begierde sie anzugreiffen.
Aber GOtt schickte es so wunderlich, daß
gleich die Wölffin ein Wild ersiehet, solches
anfällt, und damit die Jungen zur Beu-
te lockt, daß das Mägdlein davon läufft.
Anno 1669. will Hanß Neur ein Bauer
in der Kiehn-Heide unter Zwönitz sein
Vieh austreiben, da er die Thüre am Hof-
Thor aufmachet, springt ihm ein thörich-
ter Wolff entgegen, und beist ihn gefähr-
lich am Arm und Schenckeln, biß ihn der

Bauer

Des Andern Theils 50. Capitel/
[Spaltenumbruch] zufuͤhren unnoͤthig. Wenn man von
den Materialiſten Raſuram Cornu Cervi
kauffen will, weil ſehr groſſe Betruͤge-
reyen damit vorgehen, und ſie ſolche mit
geſchabten Ochſen- oder Kuͤh-Hoͤrnern
verfaͤlſchen, ſo thut man wohl, wenn
man ſolche gleich in ſeiner Gegenwart ſich
feilen laͤßt. Die Hirſch-Creutzgen, die
man ebener geſtalt zur Artzney anwen-
det, muͤſſen uͤberaus weiß und nicht allzu
groß ſeyn, ſonſt vermuthet man mit
Recht, daß ſie von ſehr alten Ochſen her-
kommen, in welchen man eben derglei-
chen Knoͤchelgen antrifft, und Unwiſſen-
de werden hernach damit betrogen. Da-
her trifft man auch in den Mediciniſchen
Materialien-Muſæis allezeit zwey Sorten
an, als eine veritable von Hirſchen, und
eine falſche von Ochſen.

Das 50. Capitel/
Hiſtoriſche Anmerckungen
von Woͤlffen.
§. 1.

Die Aegyptier verehren dieſe garſtigen
und grimmigen Thiere faſt goͤttlich,
ſie unterhalten ſie mit groſſen Unkoſten,
tractiren ſie auf das beſte, ſalben ſie mit
den koͤſtlichſten Salben, u. ſ. w. S. Gar-
man. de miraculis mortuorum pag.
1018.
Jm Heſſen-Lande ſind einſtens eine Par-
thie Woͤlffe in ein Dorff gefallen, haben
viel Schafe niedergeriſſen, und da ſie von
den Hirten geſtoͤhret worden, ſolche halb
liegen laſſen. Die Schaf-Hirten laſſen
das von den Woͤlffen uͤbrig gelaſſene
Schaf-Fleiſch ihre Hunde vollends auf-
freſſen. Einige Tage darauf fallen die
Schaf-Hunde die Heerde Schafe an, reiſ-
ſen ihrer viele nieder, und freſſen ſolche
mit der groͤſten Begierde nicht anders,
als die Woͤlffe. Jn America ſollen ſich
die Europaͤiſchen Hunde ſo vermehret ha-
ben, daß ihrer viele wilde geworden, und
Menſchen und Vieh als die Woͤlffe an-
fallen. Hingegentheil wenn ein Wolff
ſtets von Jugend auf unter den Hunden
aufgezogen wird, ſo beſchuͤtzt er die Scha-
fe vor den Woͤlffen, wie ein Hund. Schott.
Phyſ. Curioſ. l. 8. c.
48.

§. 2.

Geſnerus erwehnet l. 1. de Qua-
druped. pag.
725. daß ein Mann in der
Schweitz einen Wolff mit dem Klang ei-
ner Trommel von ſich gejaget, den er mit
[Spaltenumbruch] den groͤſten Steinen und Pruͤgeln nicht
abhalten koͤnnen. Jn dem vorigen 30.
jaͤhrigen Kriege lagen, ſonderlich im Ge-
buͤrge, viel Doͤrffer oͤde und wuͤſte, ſo,
daß ſich die Woͤlffe in derſelben Gegend
trefflich gemehret hatten. Ein Reiſender
wurde von ſieben ſolchen Geſellen ange-
lauffen, der ſalvirt ſich zu ſeinem Gluͤck
in ein wuͤſtes Haus, findet eine Farth, dar-
an ſteigt er auf den Boden, und zeucht
die Farth hernach. Hiermit war er zwar
dem Feind entgangen, muſte aber eine ſel-
tzame Belaͤgerung ausſtehen, und etliche
Tage mit dem Hunger kaͤmpffen. Die
Woͤlffe lagerten ſich unten im Hauſe,
wetzten die Zaͤhne auf dem Braten, und
biſſen vor groſſer Begierde immer in die
Erde. Loͤſeten auch einander, wenn ſie
ihre Nothdurfft ablegen wolten, ordent-
lich ab. Wie dem armen Paſſagirer zu
Muthe geweſen, iſt leicht zu erachten.
Am dritten Tage erblickt er eine Parthie
Reuter, denen giebt er mit dem auf ei-
ne Stange geſteckten Hut ein Zeichen, da
ſie ſich naͤhern, erzehlt er ſeine Bloquade,
und wird errettet, als die Reuter durch die
Fenſter Feuer in die Corps de Guarde
dieſer Raͤuber geben, welche denn mit ei-
nem Sturm ausgeriſſen, und die ver-
hoffte Beute quittiren muͤſſen.

§. 3.

Anno 1550. im Jan. gieng ein
Bergmann von Frorias im harten Win-
ter fruͤh um 3. Uhr auf ſeine Zeiche mit
einer Laterne. Dem begegnen 9. Woͤlffe.
Er faͤllet nieder unter eine Fichte, ſeuffzet
zu GOtt, er wolle ihn wie Daniel unter
den Loͤwen erhalten, haͤlt die leuchtende
Laterne den anlauffenden Woͤlffen vor
die Augen, damit lieffen ſie alle davon, und
lieſſen ihn unbeſchaͤdiget. Anno 1591. huͤ-
tete ein Maͤgdlein der Kuͤhe auf den Her-
mesdorffiſchen Feldern, und ſahe eine
Woͤlffin mit 5. Jungen herzu lauffen.
Das arme Kind legte ſich aus Furcht und
Schrecken in eine Grube, da kamen die
jungen Woͤlffe, und leckten immer das
Maul aus Begierde ſie anzugreiffen.
Aber GOtt ſchickte es ſo wunderlich, daß
gleich die Woͤlffin ein Wild erſiehet, ſolches
anfaͤllt, und damit die Jungen zur Beu-
te lockt, daß das Maͤgdlein davon laͤufft.
Anno 1669. will Hanß Neur ein Bauer
in der Kiehn-Heide unter Zwoͤnitz ſein
Vieh austreiben, da er die Thuͤre am Hof-
Thor aufmachet, ſpringt ihm ein thoͤrich-
ter Wolff entgegen, und beiſt ihn gefaͤhr-
lich am Arm und Schenckeln, biß ihn der

Bauer
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0230" n="142"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Des Andern Theils 50. Capitel/</hi></fw><lb/><cb/>
zufu&#x0364;hren unno&#x0364;thig. Wenn man von<lb/>
den <hi rendition="#aq">Materiali&#x017F;t</hi>en <hi rendition="#aq">Ra&#x017F;uram Cornu Cervi</hi><lb/>
kauffen will, weil &#x017F;ehr gro&#x017F;&#x017F;e Betru&#x0364;ge-<lb/>
reyen damit vorgehen, und &#x017F;ie &#x017F;olche mit<lb/>
ge&#x017F;chabten Och&#x017F;en- oder Ku&#x0364;h-Ho&#x0364;rnern<lb/>
verfa&#x0364;l&#x017F;chen, &#x017F;o thut man wohl, wenn<lb/>
man &#x017F;olche gleich in &#x017F;einer Gegenwart &#x017F;ich<lb/>
feilen la&#x0364;ßt. Die Hir&#x017F;ch-Creutzgen, die<lb/>
man ebener ge&#x017F;talt zur Artzney anwen-<lb/>
det, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;beraus weiß und nicht allzu<lb/>
groß &#x017F;eyn, &#x017F;on&#x017F;t vermuthet man mit<lb/>
Recht, daß &#x017F;ie von &#x017F;ehr alten Och&#x017F;en her-<lb/>
kommen, in welchen man eben derglei-<lb/>
chen Kno&#x0364;chelgen antrifft, und Unwi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
de werden hernach damit betrogen. Da-<lb/>
her trifft man auch in den <hi rendition="#aq">Medicini</hi>&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">Materiali</hi>en-<hi rendition="#aq">Mu&#x017F;æis</hi> allezeit zwey Sorten<lb/>
an, als eine <hi rendition="#aq">veritable</hi> von Hir&#x017F;chen, und<lb/>
eine fal&#x017F;che von Och&#x017F;en.</p>
          </div>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">Das 50. Capitel/<lb/>
Hi&#x017F;tori&#x017F;che Anmerckungen<lb/>
von Wo&#x0364;lffen.</hi> </head><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 1.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Aegyptier verehren die&#x017F;e gar&#x017F;tigen<lb/>
und grimmigen Thiere fa&#x017F;t go&#x0364;ttlich,<lb/>
&#x017F;ie unterhalten &#x017F;ie mit gro&#x017F;&#x017F;en Unko&#x017F;ten,<lb/><hi rendition="#aq">tracti</hi>ren &#x017F;ie auf das be&#x017F;te, &#x017F;alben &#x017F;ie mit<lb/>
den ko&#x0364;&#x017F;tlich&#x017F;ten Salben, u. &#x017F;. w. S. <hi rendition="#aq">Gar-<lb/>
man. de miraculis mortuorum pag.</hi> 1018.<lb/>
Jm He&#x017F;&#x017F;en-Lande &#x017F;ind ein&#x017F;tens eine Par-<lb/>
thie Wo&#x0364;lffe in ein Dorff gefallen, haben<lb/>
viel Schafe niedergeri&#x017F;&#x017F;en, und da &#x017F;ie von<lb/>
den Hirten ge&#x017F;to&#x0364;hret worden, &#x017F;olche halb<lb/>
liegen la&#x017F;&#x017F;en. Die Schaf-Hirten la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
das von den Wo&#x0364;lffen u&#x0364;brig gela&#x017F;&#x017F;ene<lb/>
Schaf-Flei&#x017F;ch ihre Hunde vollends auf-<lb/>
fre&#x017F;&#x017F;en. Einige Tage darauf fallen die<lb/>
Schaf-Hunde die Heerde Schafe an, rei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en ihrer viele nieder, und fre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olche<lb/>
mit der gro&#x0364;&#x017F;ten Begierde nicht anders,<lb/>
als die Wo&#x0364;lffe. Jn <hi rendition="#aq">America</hi> &#x017F;ollen &#x017F;ich<lb/>
die Europa&#x0364;i&#x017F;chen Hunde &#x017F;o vermehret ha-<lb/>
ben, daß ihrer viele wilde geworden, und<lb/>
Men&#x017F;chen und Vieh als die Wo&#x0364;lffe an-<lb/>
fallen. Hingegentheil wenn ein Wolff<lb/>
&#x017F;tets von Jugend auf unter den Hunden<lb/>
aufgezogen wird, &#x017F;o be&#x017F;chu&#x0364;tzt er die Scha-<lb/>
fe vor den Wo&#x0364;lffen, wie ein Hund. <hi rendition="#aq">Schott.<lb/>
Phy&#x017F;. Curio&#x017F;. l. 8. c.</hi> 48.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 2.</head>
            <p><hi rendition="#aq">Ge&#x017F;nerus</hi> erwehnet <hi rendition="#aq">l. 1. de Qua-<lb/>
druped. pag.</hi> 725. daß ein Mann in der<lb/>
Schweitz einen Wolff mit dem Klang ei-<lb/>
ner Trommel von &#x017F;ich gejaget, den er mit<lb/><cb/>
den gro&#x0364;&#x017F;ten Steinen und Pru&#x0364;geln nicht<lb/>
abhalten ko&#x0364;nnen. Jn dem vorigen 30.<lb/>
ja&#x0364;hrigen Kriege lagen, &#x017F;onderlich im Ge-<lb/>
bu&#x0364;rge, viel Do&#x0364;rffer o&#x0364;de und wu&#x0364;&#x017F;te, &#x017F;o,<lb/>
daß &#x017F;ich die Wo&#x0364;lffe in der&#x017F;elben Gegend<lb/>
trefflich gemehret hatten. Ein Rei&#x017F;ender<lb/>
wurde von &#x017F;ieben &#x017F;olchen Ge&#x017F;ellen ange-<lb/>
lauffen, der <hi rendition="#aq">&#x017F;alvi</hi>rt &#x017F;ich zu &#x017F;einem Glu&#x0364;ck<lb/>
in ein wu&#x0364;&#x017F;tes Haus, findet eine Farth, dar-<lb/>
an &#x017F;teigt er auf den Boden, und zeucht<lb/>
die Farth hernach. Hiermit war er zwar<lb/>
dem Feind entgangen, mu&#x017F;te aber eine &#x017F;el-<lb/>
tzame Bela&#x0364;gerung aus&#x017F;tehen, und etliche<lb/>
Tage mit dem Hunger ka&#x0364;mpffen. Die<lb/>
Wo&#x0364;lffe lagerten &#x017F;ich unten im Hau&#x017F;e,<lb/>
wetzten die Za&#x0364;hne auf dem Braten, und<lb/>
bi&#x017F;&#x017F;en vor gro&#x017F;&#x017F;er Begierde immer in die<lb/>
Erde. Lo&#x0364;&#x017F;eten auch einander, wenn &#x017F;ie<lb/>
ihre Nothdurfft ablegen wolten, ordent-<lb/>
lich ab. Wie dem armen <hi rendition="#aq">Pa&#x017F;&#x017F;agir</hi>er zu<lb/>
Muthe gewe&#x017F;en, i&#x017F;t leicht zu erachten.<lb/>
Am dritten Tage erblickt er eine Parthie<lb/>
Reuter, denen giebt er mit dem auf ei-<lb/>
ne Stange ge&#x017F;teckten Hut ein Zeichen, da<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich na&#x0364;hern, erzehlt er &#x017F;eine <hi rendition="#aq">Bloquade,</hi><lb/>
und wird errettet, als die Reuter durch die<lb/>
Fen&#x017F;ter Feuer in die <hi rendition="#aq">Corps de Guarde</hi><lb/>
die&#x017F;er Ra&#x0364;uber geben, welche denn mit ei-<lb/>
nem Sturm ausgeri&#x017F;&#x017F;en, und die ver-<lb/>
hoffte Beute <hi rendition="#aq">quitti</hi>ren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 3.</head>
            <p><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1550. im <hi rendition="#aq">Jan.</hi> gieng ein<lb/>
Bergmann von Frorias im harten Win-<lb/>
ter fru&#x0364;h um 3. Uhr auf &#x017F;eine Zeiche mit<lb/>
einer Laterne. Dem begegnen 9. Wo&#x0364;lffe.<lb/>
Er fa&#x0364;llet nieder unter eine Fichte, &#x017F;euffzet<lb/>
zu GOtt, er wolle ihn wie Daniel unter<lb/>
den Lo&#x0364;wen erhalten, ha&#x0364;lt die leuchtende<lb/>
Laterne den anlauffenden Wo&#x0364;lffen vor<lb/>
die Augen, damit lieffen &#x017F;ie alle davon, und<lb/>
lie&#x017F;&#x017F;en ihn unbe&#x017F;cha&#x0364;diget. <hi rendition="#aq">Anno</hi> 1591. hu&#x0364;-<lb/>
tete ein Ma&#x0364;gdlein der Ku&#x0364;he auf den Her-<lb/>
mesdorffi&#x017F;chen Feldern, und &#x017F;ahe eine<lb/>
Wo&#x0364;lffin mit 5. Jungen herzu lauffen.<lb/>
Das arme Kind legte &#x017F;ich aus Furcht und<lb/>
Schrecken in eine Grube, da kamen die<lb/>
jungen Wo&#x0364;lffe, und leckten immer das<lb/>
Maul aus Begierde &#x017F;ie anzugreiffen.<lb/>
Aber GOtt &#x017F;chickte es &#x017F;o wunderlich, daß<lb/>
gleich die Wo&#x0364;lffin ein Wild er&#x017F;iehet, &#x017F;olches<lb/>
anfa&#x0364;llt, und damit die Jungen zur Beu-<lb/>
te lockt, daß das Ma&#x0364;gdlein davon la&#x0364;ufft.<lb/><hi rendition="#aq">Anno</hi> 1669. will Hanß Neur ein Bauer<lb/>
in der Kiehn-Heide unter Zwo&#x0364;nitz &#x017F;ein<lb/>
Vieh austreiben, da er die Thu&#x0364;re am Hof-<lb/>
Thor aufmachet, &#x017F;pringt ihm ein tho&#x0364;rich-<lb/>
ter Wolff entgegen, und bei&#x017F;t ihn gefa&#x0364;hr-<lb/>
lich am Arm und Schenckeln, biß ihn der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Bauer</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0230] Des Andern Theils 50. Capitel/ zufuͤhren unnoͤthig. Wenn man von den Materialiſten Raſuram Cornu Cervi kauffen will, weil ſehr groſſe Betruͤge- reyen damit vorgehen, und ſie ſolche mit geſchabten Ochſen- oder Kuͤh-Hoͤrnern verfaͤlſchen, ſo thut man wohl, wenn man ſolche gleich in ſeiner Gegenwart ſich feilen laͤßt. Die Hirſch-Creutzgen, die man ebener geſtalt zur Artzney anwen- det, muͤſſen uͤberaus weiß und nicht allzu groß ſeyn, ſonſt vermuthet man mit Recht, daß ſie von ſehr alten Ochſen her- kommen, in welchen man eben derglei- chen Knoͤchelgen antrifft, und Unwiſſen- de werden hernach damit betrogen. Da- her trifft man auch in den Mediciniſchen Materialien-Muſæis allezeit zwey Sorten an, als eine veritable von Hirſchen, und eine falſche von Ochſen. Das 50. Capitel/ Hiſtoriſche Anmerckungen von Woͤlffen. §. 1. Die Aegyptier verehren dieſe garſtigen und grimmigen Thiere faſt goͤttlich, ſie unterhalten ſie mit groſſen Unkoſten, tractiren ſie auf das beſte, ſalben ſie mit den koͤſtlichſten Salben, u. ſ. w. S. Gar- man. de miraculis mortuorum pag. 1018. Jm Heſſen-Lande ſind einſtens eine Par- thie Woͤlffe in ein Dorff gefallen, haben viel Schafe niedergeriſſen, und da ſie von den Hirten geſtoͤhret worden, ſolche halb liegen laſſen. Die Schaf-Hirten laſſen das von den Woͤlffen uͤbrig gelaſſene Schaf-Fleiſch ihre Hunde vollends auf- freſſen. Einige Tage darauf fallen die Schaf-Hunde die Heerde Schafe an, reiſ- ſen ihrer viele nieder, und freſſen ſolche mit der groͤſten Begierde nicht anders, als die Woͤlffe. Jn America ſollen ſich die Europaͤiſchen Hunde ſo vermehret ha- ben, daß ihrer viele wilde geworden, und Menſchen und Vieh als die Woͤlffe an- fallen. Hingegentheil wenn ein Wolff ſtets von Jugend auf unter den Hunden aufgezogen wird, ſo beſchuͤtzt er die Scha- fe vor den Woͤlffen, wie ein Hund. Schott. Phyſ. Curioſ. l. 8. c. 48. §. 2. Geſnerus erwehnet l. 1. de Qua- druped. pag. 725. daß ein Mann in der Schweitz einen Wolff mit dem Klang ei- ner Trommel von ſich gejaget, den er mit den groͤſten Steinen und Pruͤgeln nicht abhalten koͤnnen. Jn dem vorigen 30. jaͤhrigen Kriege lagen, ſonderlich im Ge- buͤrge, viel Doͤrffer oͤde und wuͤſte, ſo, daß ſich die Woͤlffe in derſelben Gegend trefflich gemehret hatten. Ein Reiſender wurde von ſieben ſolchen Geſellen ange- lauffen, der ſalvirt ſich zu ſeinem Gluͤck in ein wuͤſtes Haus, findet eine Farth, dar- an ſteigt er auf den Boden, und zeucht die Farth hernach. Hiermit war er zwar dem Feind entgangen, muſte aber eine ſel- tzame Belaͤgerung ausſtehen, und etliche Tage mit dem Hunger kaͤmpffen. Die Woͤlffe lagerten ſich unten im Hauſe, wetzten die Zaͤhne auf dem Braten, und biſſen vor groſſer Begierde immer in die Erde. Loͤſeten auch einander, wenn ſie ihre Nothdurfft ablegen wolten, ordent- lich ab. Wie dem armen Paſſagirer zu Muthe geweſen, iſt leicht zu erachten. Am dritten Tage erblickt er eine Parthie Reuter, denen giebt er mit dem auf ei- ne Stange geſteckten Hut ein Zeichen, da ſie ſich naͤhern, erzehlt er ſeine Bloquade, und wird errettet, als die Reuter durch die Fenſter Feuer in die Corps de Guarde dieſer Raͤuber geben, welche denn mit ei- nem Sturm ausgeriſſen, und die ver- hoffte Beute quittiren muͤſſen. §. 3. Anno 1550. im Jan. gieng ein Bergmann von Frorias im harten Win- ter fruͤh um 3. Uhr auf ſeine Zeiche mit einer Laterne. Dem begegnen 9. Woͤlffe. Er faͤllet nieder unter eine Fichte, ſeuffzet zu GOtt, er wolle ihn wie Daniel unter den Loͤwen erhalten, haͤlt die leuchtende Laterne den anlauffenden Woͤlffen vor die Augen, damit lieffen ſie alle davon, und lieſſen ihn unbeſchaͤdiget. Anno 1591. huͤ- tete ein Maͤgdlein der Kuͤhe auf den Her- mesdorffiſchen Feldern, und ſahe eine Woͤlffin mit 5. Jungen herzu lauffen. Das arme Kind legte ſich aus Furcht und Schrecken in eine Grube, da kamen die jungen Woͤlffe, und leckten immer das Maul aus Begierde ſie anzugreiffen. Aber GOtt ſchickte es ſo wunderlich, daß gleich die Woͤlffin ein Wild erſiehet, ſolches anfaͤllt, und damit die Jungen zur Beu- te lockt, daß das Maͤgdlein davon laͤufft. Anno 1669. will Hanß Neur ein Bauer in der Kiehn-Heide unter Zwoͤnitz ſein Vieh austreiben, da er die Thuͤre am Hof- Thor aufmachet, ſpringt ihm ein thoͤrich- ter Wolff entgegen, und beiſt ihn gefaͤhr- lich am Arm und Schenckeln, biß ihn der Bauer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/230
Zitationshilfe: Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/230>, abgerufen am 21.11.2024.