[Spaltenumbruch]
dieses kommt nun die Kunst des Herrn A- gricolae an; Es ist nicht zu läugnen, daß manches neue und unbekandte durch den Herrn Agricolam an den Tag kommen, das ist aber auch gewiß, daß er diese und andere seine Erfindungen höher angiebt, als er in der That zu praestiren vermag, und daß der Oeconomische Nutzen, der hievon zu erwarten seyn solte, so gar groß nicht seyn wird.
§. 5.
Es hat auch der Herr Agricola eine Plantation durch umgekehrte Zweige vorgenommen; Wovon auch der Wirth- schaffts-Verständige Herr Joseph von Feldeck in seinem Böhmischen und Oester- reichischen Haushalter p. 443. folgendes Experiment anführet: Es hat sich vor ungefehr zwantzig Jahren eine seltzame Begebenheit eräussert, daß in meines Freundes Garten ein grosser Apffel- Baum durch einen hefftigen Sturmwind just im Herbst, als solcher voll lauter Früchte gehangen, von der Wurtzel völlig abgebrochen, und hievon ein starcker Ast sich gegen einer Elle tieff in die Erde ein- geschlagen hat. Nun hat zwar ein ieder vermeynt, daß es mit dem Baum gesche- hen sey, und solcher nichts bessers werth, als ins Feuer geworffen zu werden. Al- lein im Frühlinge, als man im Garten dasselbige Jahr etliche Wochen später, als sonsten, geräumet, hat man gesehen, daß der Baum noch frisch, und im Saffte auf- gestiegen, ja endlich weiter wider alles Ver- muthen gegrünet und ausgeschlagen, das andere Jahr aber darauf geblühet, und wiederum die schönsten Früchte getra- gen hat.
Der Herr Agricola zeiget in seinem Wercke, wie man mit umgestürtzten Zweigen einen gantzen Wald anlegen soll.
Von des Herrn Küfners neuen Baum-Künsten.
§. 6.
Herr Friedrich Küfner, Pfar- rer zu Lichtenberg im Brandenburg-Ba- reuthischen Vogtlande, hat An. 1716. in einem Tractate gezeiget, wie man vermit- telst neuerfundener Pfropff-Künste mit lebendigen Bäumen, wilden und guten, allerley Wände, Espaliere, Säulen, Py- ramiden, Bögen, Portale, Lust-Häuser, auch Stunden-weisende, Blumen-tragen- de, Wasser-spritzende, Wald-befestigende, auch noch mehr ersonnene Lust-Nutz- Frucht- und Garten-Gebäude verferti- gen soll. Er zeiget darinnen, wie ein ie- [Spaltenumbruch]
der Baum mit 10. biß 70. und mehr Zwei- gen Kunstmäßig zu pfropffen, und mit andern Bäumen dieser Art zusammen zu fügen, daß sie im ersten Jahr der Zwei- gung schon die Höhe bekommen, im drit- ten aber anfangen von unten biß oben aus Früchte zu tragen, von Jahren zu Jahren derselben mehr bringen, und demnach mit allerley Früchten gezierte Spalieren, Thüren, Bogen, Gänge und Fenster abgeben.
§. 7.
Vor dem hat man nicht mehr als 5. Pfropff-Arten gehabt, nemlich: 1) in Spalten, 2) in die Rinde, 3) ins Au- ge, 4) das Ubersäugen, 5) das Röhreln; Unser Autor aber hat, um zu seinem Zweck zu gelangen, 13. biß 14. Arten zu peltzen er- funden, die er hier vorstellig macht, als 1) das Zweigen zur Wand, 2) zur Säule, 3) zu Bögen, 4) zu Pyramiden, 5) in die Qvere zu pfropffen, 6) das Sinuiren, 7) das Züngeln, 8) das Zier-Peltzen, 9) das vermengte Peltzen, 10) specialiter in Bogen peltzen, das Allactiren, oder Collactiren, d. i. einen Zweig an den an- dern, ja viele zusammen zu peltzen, 11) das Illactiren, wenn der Zweig in einen Ge- gen- oder Neben-Stamm hinein ge- pfropfft wird, 12) Translactiren, wenn man eines Baumes Zweige im Bogen in des Neben- oder Gegen-Stammes Plat- te oder Rinde überpeltzet, 13) Relactiren, welches man auch wohl das Doppel-pel- tzen nennen möchte, da nemlich der Zweig, wenn er einmahl eingewachsen, im folgen- den, oder auch wohl noch im ersten Jahre mit seiner an die Spitze geschnittenen An- gel noch einmahl einwachsen muß, 14) Contra- oder Gegen-peltzen, wenn zwey Reiser von einem oder zwey Stämmen mit ihren Spitzen wider einander wach- sen, oder gezogen, und über einander ge- pfropfft werden, daß sie einander entge- gen wachsen, wenn z. E. eines gegen Mor- gen, das andere gegen Abend sich erstreckt.
§. 8.
Jn der Tractation erkläret er zugleich den Nutzen dieser neuen Pfropff- und Lactir-Arten, welcher darinnen be- stehet, 1) daß der Schnee den Wand-Bäu- men, Portalen, Spalieren, hohlen Py- ramiden, weil sie entweder zwey oder mehrmahlen, auch über einander, an- und eingewachsen, nicht so viel Schaden thun könne, 2) daß die Winde bey lockerm Erd- reich, und bey schwancken Aesten den Bäu- men nicht so viel zu schaden vermögen, 3) daß ihm noch kein Baum erfrohren, 4) daß die Raupen eher abzulesen, als die
sich
im Anbau und Menage des Holtzes.
[Spaltenumbruch]
dieſes kommt nun die Kunſt des Herrn A- gricolæ an; Es iſt nicht zu laͤugnen, daß manches neue und unbekandte durch den Herrn Agricolam an den Tag kommen, das iſt aber auch gewiß, daß er dieſe und andere ſeine Erfindungen hoͤher angiebt, als er in der That zu præſtiren vermag, und daß der Oeconomiſche Nutzen, der hievon zu erwarten ſeyn ſolte, ſo gar groß nicht ſeyn wird.
§. 5.
Es hat auch der Herr Agricola eine Plantation durch umgekehrte Zweige vorgenommen; Wovon auch der Wirth- ſchaffts-Verſtaͤndige Herr Joſeph von Feldeck in ſeinem Boͤhmiſchen und Oeſter- reichiſchen Haushalter p. 443. folgendes Experiment anfuͤhret: Es hat ſich vor ungefehr zwantzig Jahren eine ſeltzame Begebenheit eraͤuſſert, daß in meines Freundes Garten ein groſſer Apffel- Baum durch einen hefftigen Sturmwind juſt im Herbſt, als ſolcher voll lauter Fruͤchte gehangen, von der Wurtzel voͤllig abgebrochen, und hievon ein ſtarcker Aſt ſich gegen einer Elle tieff in die Erde ein- geſchlagen hat. Nun hat zwar ein ieder vermeynt, daß es mit dem Baum geſche- hen ſey, und ſolcher nichts beſſers werth, als ins Feuer geworffen zu werden. Al- lein im Fruͤhlinge, als man im Garten daſſelbige Jahr etliche Wochen ſpaͤter, als ſonſten, geraͤumet, hat man geſehen, daß der Baum noch friſch, und im Saffte auf- geſtiegen, ja endlich weiter wider alles Ver- muthen gegruͤnet und ausgeſchlagen, das andere Jahr aber darauf gebluͤhet, und wiederum die ſchoͤnſten Fruͤchte getra- gen hat.
Der Herr Agricola zeiget in ſeinem Wercke, wie man mit umgeſtuͤrtzten Zweigen einen gantzen Wald anlegen ſoll.
Von des Herrn Kuͤfners neuen Baum-Kuͤnſten.
§. 6.
Herr Friedrich Kuͤfner, Pfar- rer zu Lichtenberg im Brandenburg-Ba- reuthiſchen Vogtlande, hat An. 1716. in einem Tractate gezeiget, wie man vermit- telſt neuerfundener Pfropff-Kuͤnſte mit lebendigen Baͤumen, wilden und guten, allerley Waͤnde, Eſpaliere, Saͤulen, Py- ramiden, Boͤgen, Portale, Luſt-Haͤuſer, auch Stunden-weiſende, Blumen-tragen- de, Waſſer-ſpritzende, Wald-befeſtigende, auch noch mehr erſonnene Luſt-Nutz- Frucht- und Garten-Gebaͤude verferti- gen ſoll. Er zeiget darinnen, wie ein ie- [Spaltenumbruch]
der Baum mit 10. biß 70. und mehr Zwei- gen Kunſtmaͤßig zu pfropffen, und mit andern Baͤumen dieſer Art zuſammen zu fuͤgen, daß ſie im erſten Jahr der Zwei- gung ſchon die Hoͤhe bekommen, im drit- ten aber anfangen von unten biß oben aus Fruͤchte zu tragen, von Jahren zu Jahren derſelben mehr bringen, und demnach mit allerley Fruͤchten gezierte Spalieren, Thuͤren, Bogen, Gaͤnge und Fenſter abgeben.
§. 7.
Vor dem hat man nicht mehr als 5. Pfropff-Arten gehabt, nemlich: 1) in Spalten, 2) in die Rinde, 3) ins Au- ge, 4) das Uberſaͤugen, 5) das Roͤhreln; Unſer Autor aber hat, um zu ſeinem Zweck zu gelangen, 13. biß 14. Arten zu peltzen er- funden, die er hier vorſtellig macht, als 1) das Zweigen zur Wand, 2) zur Saͤule, 3) zu Boͤgen, 4) zu Pyramiden, 5) in die Qvere zu pfropffen, 6) das Sinuiren, 7) das Zuͤngeln, 8) das Zier-Peltzen, 9) das vermengte Peltzen, 10) ſpecialiter in Bogen peltzen, das Allactiren, oder Collactiren, d. i. einen Zweig an den an- dern, ja viele zuſammen zu peltzen, 11) das Illactiren, wenn der Zweig in einen Ge- gen- oder Neben-Stamm hinein ge- pfropfft wird, 12) Translactiren, wenn man eines Baumes Zweige im Bogen in des Neben- oder Gegen-Stammes Plat- te oder Rinde uͤberpeltzet, 13) Relactiren, welches man auch wohl das Doppel-pel- tzen nennen moͤchte, da nemlich der Zweig, wenn er einmahl eingewachſen, im folgen- den, oder auch wohl noch im erſten Jahre mit ſeiner an die Spitze geſchnittenen An- gel noch einmahl einwachſen muß, 14) Contra- oder Gegen-peltzen, wenn zwey Reiſer von einem oder zwey Staͤmmen mit ihren Spitzen wider einander wach- ſen, oder gezogen, und uͤber einander ge- pfropfft werden, daß ſie einander entge- gen wachſen, wenn z. E. eines gegen Mor- gen, das andere gegen Abend ſich erſtreckt.
§. 8.
Jn der Tractation erklaͤret er zugleich den Nutzen dieſer neuen Pfropff- und Lactir-Arten, welcher darinnen be- ſtehet, 1) daß der Schnee den Wand-Baͤu- men, Portalen, Spalieren, hohlen Py- ramiden, weil ſie entweder zwey oder mehrmahlen, auch uͤber einander, an- und eingewachſen, nicht ſo viel Schaden thun koͤnne, 2) daß die Winde bey lockerm Erd- reich, und bey ſchwancken Aeſten den Baͤu- men nicht ſo viel zu ſchaden vermoͤgen, 3) daß ihm noch kein Baum erfrohren, 4) daß die Raupen eher abzuleſen, als die
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[79/0139]
im Anbau und Menage des Holtzes.
dieſes kommt nun die Kunſt des Herrn A-
gricolæ an; Es iſt nicht zu laͤugnen, daß
manches neue und unbekandte durch den
Herrn Agricolam an den Tag kommen,
das iſt aber auch gewiß, daß er dieſe und
andere ſeine Erfindungen hoͤher angiebt,
als er in der That zu præſtiren vermag,
und daß der Oeconomiſche Nutzen, der
hievon zu erwarten ſeyn ſolte, ſo gar groß
nicht ſeyn wird.
§. 5. Es hat auch der Herr Agricola
eine Plantation durch umgekehrte Zweige
vorgenommen; Wovon auch der Wirth-
ſchaffts-Verſtaͤndige Herr Joſeph von
Feldeck in ſeinem Boͤhmiſchen und Oeſter-
reichiſchen Haushalter p. 443. folgendes
Experiment anfuͤhret: Es hat ſich vor
ungefehr zwantzig Jahren eine ſeltzame
Begebenheit eraͤuſſert, daß in meines
Freundes Garten ein groſſer Apffel-
Baum durch einen hefftigen Sturmwind
juſt im Herbſt, als ſolcher voll lauter
Fruͤchte gehangen, von der Wurtzel voͤllig
abgebrochen, und hievon ein ſtarcker Aſt
ſich gegen einer Elle tieff in die Erde ein-
geſchlagen hat. Nun hat zwar ein ieder
vermeynt, daß es mit dem Baum geſche-
hen ſey, und ſolcher nichts beſſers werth,
als ins Feuer geworffen zu werden. Al-
lein im Fruͤhlinge, als man im Garten
daſſelbige Jahr etliche Wochen ſpaͤter, als
ſonſten, geraͤumet, hat man geſehen, daß
der Baum noch friſch, und im Saffte auf-
geſtiegen, ja endlich weiter wider alles Ver-
muthen gegruͤnet und ausgeſchlagen, das
andere Jahr aber darauf gebluͤhet, und
wiederum die ſchoͤnſten Fruͤchte getra-
gen hat.
Der Herr Agricola zeiget in ſeinem
Wercke, wie man mit umgeſtuͤrtzten
Zweigen einen gantzen Wald anlegen ſoll.
Von des Herrn Kuͤfners neuen
Baum-Kuͤnſten.
§. 6. Herr Friedrich Kuͤfner, Pfar-
rer zu Lichtenberg im Brandenburg-Ba-
reuthiſchen Vogtlande, hat An. 1716. in
einem Tractate gezeiget, wie man vermit-
telſt neuerfundener Pfropff-Kuͤnſte mit
lebendigen Baͤumen, wilden und guten,
allerley Waͤnde, Eſpaliere, Saͤulen, Py-
ramiden, Boͤgen, Portale, Luſt-Haͤuſer,
auch Stunden-weiſende, Blumen-tragen-
de, Waſſer-ſpritzende, Wald-befeſtigende,
auch noch mehr erſonnene Luſt-Nutz-
Frucht- und Garten-Gebaͤude verferti-
gen ſoll. Er zeiget darinnen, wie ein ie-
der Baum mit 10. biß 70. und mehr Zwei-
gen Kunſtmaͤßig zu pfropffen, und mit
andern Baͤumen dieſer Art zuſammen zu
fuͤgen, daß ſie im erſten Jahr der Zwei-
gung ſchon die Hoͤhe bekommen, im drit-
ten aber anfangen von unten biß oben
aus Fruͤchte zu tragen, von Jahren zu
Jahren derſelben mehr bringen, und
demnach mit allerley Fruͤchten gezierte
Spalieren, Thuͤren, Bogen, Gaͤnge und
Fenſter abgeben.
§. 7. Vor dem hat man nicht mehr
als 5. Pfropff-Arten gehabt, nemlich:
1) in Spalten, 2) in die Rinde, 3) ins Au-
ge, 4) das Uberſaͤugen, 5) das Roͤhreln;
Unſer Autor aber hat, um zu ſeinem Zweck
zu gelangen, 13. biß 14. Arten zu peltzen er-
funden, die er hier vorſtellig macht, als
1) das Zweigen zur Wand, 2) zur Saͤule,
3) zu Boͤgen, 4) zu Pyramiden, 5) in die
Qvere zu pfropffen, 6) das Sinuiren,
7) das Zuͤngeln, 8) das Zier-Peltzen,
9) das vermengte Peltzen, 10) ſpecialiter
in Bogen peltzen, das Allactiren, oder
Collactiren, d. i. einen Zweig an den an-
dern, ja viele zuſammen zu peltzen, 11) das
Illactiren, wenn der Zweig in einen Ge-
gen- oder Neben-Stamm hinein ge-
pfropfft wird, 12) Translactiren, wenn
man eines Baumes Zweige im Bogen in
des Neben- oder Gegen-Stammes Plat-
te oder Rinde uͤberpeltzet, 13) Relactiren,
welches man auch wohl das Doppel-pel-
tzen nennen moͤchte, da nemlich der Zweig,
wenn er einmahl eingewachſen, im folgen-
den, oder auch wohl noch im erſten Jahre
mit ſeiner an die Spitze geſchnittenen An-
gel noch einmahl einwachſen muß, 14)
Contra- oder Gegen-peltzen, wenn zwey
Reiſer von einem oder zwey Staͤmmen
mit ihren Spitzen wider einander wach-
ſen, oder gezogen, und uͤber einander ge-
pfropfft werden, daß ſie einander entge-
gen wachſen, wenn z. E. eines gegen Mor-
gen, das andere gegen Abend ſich erſtreckt.
§. 8. Jn der Tractation erklaͤret er
zugleich den Nutzen dieſer neuen Pfropff-
und Lactir-Arten, welcher darinnen be-
ſtehet, 1) daß der Schnee den Wand-Baͤu-
men, Portalen, Spalieren, hohlen Py-
ramiden, weil ſie entweder zwey oder
mehrmahlen, auch uͤber einander, an- und
eingewachſen, nicht ſo viel Schaden thun
koͤnne, 2) daß die Winde bey lockerm Erd-
reich, und bey ſchwancken Aeſten den Baͤu-
men nicht ſo viel zu ſchaden vermoͤgen, 3)
daß ihm noch kein Baum erfrohren, 4)
daß die Raupen eher abzuleſen, als die
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 2. Leipzig, 1724, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger02_1724/139>, abgerufen am 28.07.2024.
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