Von dem Recht und der Pflicht eines Landes- Fürsten in Ansehung der Jagden.
[Spaltenumbruch]
§. 1.
OB zwar dem natürlichen Recht nach die Befugniß wil- de Thiere einzufangen einer jeden Privat-Person scheinet überlassen und vergönnet zu seyn, so kan man jedennoch unterschiedene vernünfftige Ursachen an die Hand geben, warum es besser sey, daß sich heutiges Tages die Landes-Fürsten der Jagden allein an- maassen, als wann ein jeder nach Ge- fallen das Wild hetzte und wegschösse. Denn (1.) würden bey einer solchen un- umschrenckten Jagd-Freyheit allerhand Sorten von Wildpräth gantz u. gar ver- tilget werden, wie man denn an denje- nigen Orten, wo entweder den Vasallen oder gewissen Gemeinden einige Arten der Jagden concediret sind, wahrnimmt, daß sich das Wild an solchen Orten über- aus rahr macht. (2.) Würde auch viel bö- se Gesindel sich in Wäldern auffhalten, und unter dem Schein dem Wilde nach- zugehen, manche reisende und andere Personen nicht allein um ihr bey sich ha- bendes Haab und Gut, sondern auch wohl gar umb Leib und Leben bringen, da man hingegen bey jetziger Beschaffenheit diejenigen, die man mit Gewehr in den Wäldern antrifft, und sich dieserhalben nicht sattsam legitimiren können, entwe- der vor Wild-Diebe oder sonst vor Schnapphäne mit allem Recht ansiehet, sie zur Captur bringt, und mit der In- quisition gegen sie verfähret. (3.) Würde auch von allerhand Leuten, die mit dem Schiessen nicht recht umgehen können, manches Wild zu Holtz geschossen wer- den, welches hernach umfallen müste, und Niemand zu gute käme. (4.) Würden vie- le, die sich des Jagens allzusehr befleis- sigen dürfften, hierdurch zu dem Müs- siggang verleitet, und von anderer tüch- tigen Arbeit abgehalten werden, und dürffte dieses vielleicht auch in die Classe des Sprichworts mit zu setzen seyn, da man sonst zu sagen pfleget: Fische fan- gen und Vogelstellen, verderben manchen guten Gesellen. (5) Könten in Ansehung der Jagden des Schiessens und Hetzens zwischen einem u. dem andern allerhand [Spaltenumbruch]
Zänckereyen, ja wohl gar Mord und Todtschlag entstehen. Diesemnach ist es am besten, daß sich die grossen Herren die Jagden zu ihrer Ergötzlichkeit zu- eignen, und ihren Unterthanen solche, in soweit sie es gut befinden, concediren.
§. 2.
Wenn gleich die Landes-Fürsten- heutiges Tages sich der Jagd-Gerechtig- keit allein anmaassen, so verwehren sie in- zwischen den Unterthanen nicht, daß sie die reissenden und gefährlichen Thiere, als Bäre, Wölffe u. s. w. die sowohl Men- schen, als Vieh, Schaden zufügen, nach Gefallen todt schlagen, ja sie pflegen auch wohl noch diejenigen, die die grösten An- zähl derselben erlegen, mit Belohnung anzusehen. Es kan auch sonst keiner be- strafft werden, wenn er sich gegen ein Stück Wild, so ihm an seinem Leib und Leben Schaden zufügen will, wehret, daß er das Wild hinrichtet, dafern er in sol- che Umstände gerathen, daß er ihm nicht entgehen kan. Denn es ist ein Jedweder in seinem Gewissen verbunden, sein Le- ben auff alle Art und Weise zu erhal- ten, und sich gegen eine jedwede Crea- tur, so ihm darnach trachtet, zur Wehre zu setzen.
§. 3.
Wenn man erwegt, was die Wölf- fe, zumahl zur Winters-Zeit, an denjeni- gen Orten, wo sie in grossen Haufen an- zutreffen, sowohl Menschen, als Vieh, vor unsäglichen Schaden verursachen, und also ein Regente zu Besorgung des allgemeinen Heils seiner Unterthanen auf derselben Vertilgung bedacht zu seyn, billich hohe Ursache hat, so erkennt man, daß er gar wohl befugt sey, gantze Dorff- schafften auffbiethen zu lassen, und ihnen anzubefehlen, daß sie sich zur Wolffs- Jagd mit nöthigem Gewehr einfinden, und wenn sie schon einige Tage oder Wo- chen darüber zubringen solten. Ob zwar der Unterthanen eigenes Interesse hier- durch befördert wird, indem die Raub- Thiere hierdurch vertilget, und aus dem Lande geschafft werden, so ist es dennoch wohl billiger, weil die Landes-Fürsten sich ohnedem des Wildes angemast, davon die armen Unterthanen wenig oder nichts bekommen, und sie auch an ihren Wirth- schafften zu Hause viel versäumen, und
offt
Anhang unterſchiedener nuͤtzlicher
Von dem Recht und der Pflicht eines Landes- Fuͤrſten in Anſehung der Jagden.
[Spaltenumbruch]
§. 1.
OB zwar dem natuͤrlichen Recht nach die Befugniß wil- de Thiere einzufangen einer jeden Privat-Perſon ſcheinet uͤberlaſſen und vergoͤnnet zu ſeyn, ſo kan man jedennoch unterſchiedene vernuͤnfftige Urſachen an die Hand geben, warum es beſſer ſey, daß ſich heutiges Tages die Landes-Fuͤrſten der Jagden allein an- maaſſen, als wann ein jeder nach Ge- fallen das Wild hetzte und wegſchoͤſſe. Denn (1.) wuͤrden bey einer ſolchen un- umſchrenckten Jagd-Freyheit allerhand Sorten von Wildpraͤth gantz u. gar ver- tilget werden, wie man denn an denje- nigen Orten, wo entweder den Vaſallen oder gewiſſen Gemeinden einige Arten der Jagden concediret ſind, wahrnimmt, daß ſich das Wild an ſolchen Orten uͤber- aus rahr macht. (2.) Wuͤrde auch viel boͤ- ſe Geſindel ſich in Waͤldern auffhalten, und unter dem Schein dem Wilde nach- zugehen, manche reiſende und andere Perſonen nicht allein um ihr bey ſich ha- bendes Haab und Gut, ſondern auch wohl gar umb Leib und Leben bringen, da man hingegen bey jetziger Beſchaffenheit diejenigen, die man mit Gewehr in den Waͤldern antrifft, und ſich dieſerhalben nicht ſattſam legitimiren koͤnnen, entwe- der vor Wild-Diebe oder ſonſt vor Schnapphaͤne mit allem Recht anſiehet, ſie zur Captur bringt, und mit der In- quiſition gegen ſie verfaͤhret. (3.) Wuͤrde auch von allerhand Leuten, die mit dem Schieſſen nicht recht umgehen koͤnnen, manches Wild zu Holtz geſchoſſen wer- den, welches hernach umfallen muͤſte, und Niemand zu gute kaͤme. (4.) Wuͤrden vie- le, die ſich des Jagens allzuſehr befleiſ- ſigen duͤrfften, hierdurch zu dem Muͤſ- ſiggang verleitet, und von anderer tuͤch- tigen Arbeit abgehalten werden, und duͤrffte dieſes vielleicht auch in die Claſſe des Sprichworts mit zu ſetzen ſeyn, da man ſonſt zu ſagen pfleget: Fiſche fan- gen und Vogelſtellen, verderben manchen guten Geſellen. (5) Koͤnten in Anſehung der Jagden des Schieſſens und Hetzens zwiſchen einem u. dem andern allerhand [Spaltenumbruch]
Zaͤnckereyen, ja wohl gar Mord und Todtſchlag entſtehen. Dieſemnach iſt es am beſten, daß ſich die groſſen Herren die Jagden zu ihrer Ergoͤtzlichkeit zu- eignen, und ihren Unterthanen ſolche, in ſoweit ſie es gut befinden, concediren.
§. 2.
Wenn gleich die Landes-Fuͤrſten- heutiges Tages ſich der Jagd-Gerechtig- keit allein anmaaſſen, ſo verwehren ſie in- zwiſchen den Unterthanen nicht, daß ſie die reiſſenden und gefaͤhrlichen Thiere, als Baͤre, Woͤlffe u. ſ. w. die ſowohl Men- ſchen, als Vieh, Schaden zufuͤgen, nach Gefallen todt ſchlagen, ja ſie pflegen auch wohl noch diejenigen, die die groͤſten An- zaͤhl derſelben erlegen, mit Belohnung anzuſehen. Es kan auch ſonſt keiner be- ſtrafft werden, wenn er ſich gegen ein Stuͤck Wild, ſo ihm an ſeinem Leib und Leben Schaden zufuͤgen will, wehret, daß er das Wild hinrichtet, dafern er in ſol- che Umſtaͤnde gerathen, daß er ihm nicht entgehen kan. Denn es iſt ein Jedweder in ſeinem Gewiſſen verbunden, ſein Le- ben auff alle Art und Weiſe zu erhal- ten, und ſich gegen eine jedwede Crea- tur, ſo ihm darnach trachtet, zur Wehre zu ſetzen.
§. 3.
Weñ man erwegt, was die Woͤlf- fe, zumahl zur Winters-Zeit, an denjeni- gen Orten, wo ſie in groſſen Haufen an- zutreffen, ſowohl Menſchen, als Vieh, vor unſaͤglichen Schaden verurſachen, und alſo ein Regente zu Beſorgung des allgemeinen Heils ſeiner Unterthanen auf derſelben Vertilgung bedacht zu ſeyn, billich hohe Urſache hat, ſo erkennt man, daß er gar wohl befugt ſey, gantze Dorff- ſchafften auffbiethen zu laſſen, und ihnen anzubefehlen, daß ſie ſich zur Wolffs- Jagd mit noͤthigem Gewehr einfinden, und wenn ſie ſchon einige Tage oder Wo- chen daruͤber zubringen ſolten. Ob zwar der Unterthanen eigenes Intereſſe hier- durch befoͤrdert wird, indem die Raub- Thiere hierdurch vertilget, und aus dem Lande geſchafft werden, ſo iſt es dennoch wohl billiger, weil die Landes-Fuͤrſten ſich ohnedem des Wildes angemaſt, davon die armen Unteꝛthanen wenig oder nichts bekommen, und ſie auch an ihren Wirth- ſchafften zu Hauſe viel verſaͤumen, und
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[2/0576]
Anhang unterſchiedener nuͤtzlicher
Von dem Recht und der Pflicht eines Landes-
Fuͤrſten in Anſehung der Jagden.
§. 1.
OB zwar dem natuͤrlichen
Recht nach die Befugniß wil-
de Thiere einzufangen einer
jeden Privat-Perſon ſcheinet
uͤberlaſſen und vergoͤnnet zu
ſeyn, ſo kan man jedennoch
unterſchiedene vernuͤnfftige
Urſachen an die Hand geben, warum
es beſſer ſey, daß ſich heutiges Tages die
Landes-Fuͤrſten der Jagden allein an-
maaſſen, als wann ein jeder nach Ge-
fallen das Wild hetzte und wegſchoͤſſe.
Denn (1.) wuͤrden bey einer ſolchen un-
umſchrenckten Jagd-Freyheit allerhand
Sorten von Wildpraͤth gantz u. gar ver-
tilget werden, wie man denn an denje-
nigen Orten, wo entweder den Vaſallen
oder gewiſſen Gemeinden einige Arten
der Jagden concediret ſind, wahrnimmt,
daß ſich das Wild an ſolchen Orten uͤber-
aus rahr macht. (2.) Wuͤrde auch viel boͤ-
ſe Geſindel ſich in Waͤldern auffhalten,
und unter dem Schein dem Wilde nach-
zugehen, manche reiſende und andere
Perſonen nicht allein um ihr bey ſich ha-
bendes Haab und Gut, ſondern auch wohl
gar umb Leib und Leben bringen, da
man hingegen bey jetziger Beſchaffenheit
diejenigen, die man mit Gewehr in den
Waͤldern antrifft, und ſich dieſerhalben
nicht ſattſam legitimiren koͤnnen, entwe-
der vor Wild-Diebe oder ſonſt vor
Schnapphaͤne mit allem Recht anſiehet,
ſie zur Captur bringt, und mit der In-
quiſition gegen ſie verfaͤhret. (3.) Wuͤrde
auch von allerhand Leuten, die mit dem
Schieſſen nicht recht umgehen koͤnnen,
manches Wild zu Holtz geſchoſſen wer-
den, welches hernach umfallen muͤſte, und
Niemand zu gute kaͤme. (4.) Wuͤrden vie-
le, die ſich des Jagens allzuſehr befleiſ-
ſigen duͤrfften, hierdurch zu dem Muͤſ-
ſiggang verleitet, und von anderer tuͤch-
tigen Arbeit abgehalten werden, und
duͤrffte dieſes vielleicht auch in die Claſſe
des Sprichworts mit zu ſetzen ſeyn, da
man ſonſt zu ſagen pfleget: Fiſche fan-
gen und Vogelſtellen, verderben manchen
guten Geſellen. (5) Koͤnten in Anſehung
der Jagden des Schieſſens und Hetzens
zwiſchen einem u. dem andern allerhand
Zaͤnckereyen, ja wohl gar Mord und
Todtſchlag entſtehen. Dieſemnach iſt
es am beſten, daß ſich die groſſen Herren
die Jagden zu ihrer Ergoͤtzlichkeit zu-
eignen, und ihren Unterthanen ſolche, in
ſoweit ſie es gut befinden, concediren.
§. 2. Wenn gleich die Landes-Fuͤrſten-
heutiges Tages ſich der Jagd-Gerechtig-
keit allein anmaaſſen, ſo verwehren ſie in-
zwiſchen den Unterthanen nicht, daß ſie
die reiſſenden und gefaͤhrlichen Thiere, als
Baͤre, Woͤlffe u. ſ. w. die ſowohl Men-
ſchen, als Vieh, Schaden zufuͤgen, nach
Gefallen todt ſchlagen, ja ſie pflegen auch
wohl noch diejenigen, die die groͤſten An-
zaͤhl derſelben erlegen, mit Belohnung
anzuſehen. Es kan auch ſonſt keiner be-
ſtrafft werden, wenn er ſich gegen ein
Stuͤck Wild, ſo ihm an ſeinem Leib und
Leben Schaden zufuͤgen will, wehret, daß
er das Wild hinrichtet, dafern er in ſol-
che Umſtaͤnde gerathen, daß er ihm nicht
entgehen kan. Denn es iſt ein Jedweder
in ſeinem Gewiſſen verbunden, ſein Le-
ben auff alle Art und Weiſe zu erhal-
ten, und ſich gegen eine jedwede Crea-
tur, ſo ihm darnach trachtet, zur Wehre zu
ſetzen.
§. 3. Weñ man erwegt, was die Woͤlf-
fe, zumahl zur Winters-Zeit, an denjeni-
gen Orten, wo ſie in groſſen Haufen an-
zutreffen, ſowohl Menſchen, als Vieh,
vor unſaͤglichen Schaden verurſachen,
und alſo ein Regente zu Beſorgung des
allgemeinen Heils ſeiner Unterthanen
auf derſelben Vertilgung bedacht zu ſeyn,
billich hohe Urſache hat, ſo erkennt man,
daß er gar wohl befugt ſey, gantze Dorff-
ſchafften auffbiethen zu laſſen, und ihnen
anzubefehlen, daß ſie ſich zur Wolffs-
Jagd mit noͤthigem Gewehr einfinden,
und wenn ſie ſchon einige Tage oder Wo-
chen daruͤber zubringen ſolten. Ob zwar
der Unterthanen eigenes Intereſſe hier-
durch befoͤrdert wird, indem die Raub-
Thiere hierdurch vertilget, und aus dem
Lande geſchafft werden, ſo iſt es dennoch
wohl billiger, weil die Landes-Fuͤrſten ſich
ohnedem des Wildes angemaſt, davon
die armen Unteꝛthanen wenig oder nichts
bekommen, und ſie auch an ihren Wirth-
ſchafften zu Hauſe viel verſaͤumen, und
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/576>, abgerufen am 23.11.2024.
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