[Spaltenumbruch]
die drey Gelenck in der Schaale des Fus- ses, die Form halten und die Bewegung der Fährd machen: Der Oberrück oder die Aber-Klauen, welche jede mit einer kleinen Flechse angehefftet, stehet zwischen denen beyden ersteren Gelencken: Die Schuh o- der Schaalen und Ballen aber sind gleich- sam angezogen, von hornigtem Ge- wächs. Der sämtliche Rückgrad von dem Hinter-Pürtzel biß über die Schul- tern, war mit starcken Sehnen und [Spaltenumbruch]
Flechsen, von dar aber dem Halß nach, biß ins Genücke, mit doppelten Flechsen versehen, woselbst zwischen denen zwey letz- ten Flechsen am Knorpel des Hirnschä- dels der behörige Nickfang geschiehet, allwo die Hirn-Schaale einen guten Daumen unterwerts in drey Linien oder Brüche sich separirete und in gleicher Linie von dar unter den Augen und Na- senlöchern geführet wurde.
Anatomia eines tragenden Wilds.
[Spaltenumbruch]
Nachdem ich nun ebenfalls par cu- riositaet ein tragend Stück Wild anato- miren wolte, selbiges aber aus meinem Thier-Garten zu nehmen, Schaden gewesen wäre, als habe ich meinem För- ster Hannß Christoph Köttlizen befohlen, eines zu schiessen, der es auch des andern Tages, als den 10. Martii verwichenen Jahres, in denen so genannten Sand- schellen-Höltzern früh Morgens gepür- schet, welches folgenden Tages anatomi- ret, da denn folgendes gefunden: Nem- lich es war ein starck gewachsenes Thier, dem Ansehen nach 5. biß 6. Jahr alt, wel- ches sein jähriges und zweyjähriges Kalb bey sich gehabt, und hatte seine grau- braunlichte Winter-Haare, dessen Hö- he 5. gute Spannen und eine Qver- Hand; die Länge des Leibes aber 6. Spannen und die Dicke 3. Spannen war. Wir machten, nachdem man von Kien den gantzen Leib hinunter biß hin- ten die Haut auffgeschürffet, auffgebro- chen, und die Viscera gehalten, den An- fang von der Vulvula oder dem Weibli- chen Gliede, jägerisch das Feigenblatt genannt, welches von dem Weydeloch 2. Qver-Finger separiret war. Aeuserlich war dieses Glied ein länglichtes Loch, von einer harten schrumpfflichten Haut, so kleine Falten hatte, von brauner Far- be, darinnen der Ductus oder die Ge- burths-Röhre oberwerts nach dem Rück- grad gienge, welche schon weicher und Fleischigter, doch mercklich enger, als ei- nes Fingers dick war, und ferner Ober- halb des Schlosses seinen Gang über die Blase nach dem Geburths-Schlauch, so noch weich war, eine Spanne lang nahm; Allda fund sich ein knorplichtes Hartes und enges Gewächs, worin man kaum mit einem Feder-Kiel kommen können, einer Quer-Hand breit an drey Orten [Spaltenumbruch]
gewachsene Wiederhacken und schleimigte Materie zu deren Ausgang andere Ovu- la oder Eyergen angewachsen, welche zur künfftigen Generation mehrerer Kälber von der Natur geordnet sind. Dann lag die mütterliche Bürde in der Größe einer grossen starcken Katzen unter de- nen Nieren beysammen, mit denen Läufften nach dem Hertzen, wornach die Nabel-Schnur gienge, mit dem Kopff aber nach der rechten Seiten, weil es ein Hirsch-Kalb gewesen. Die Nabel- Schnur war einer Spannen lang, von perlichter Farbe und weissen Drüßgen, worinnen der Nabel und eine Sehne, auch darinnen zwey Ductus befindlich waren, welche sich nach einer Spannen lang in funffzehen Adern oberwerts vertheileten und diese wiederumb sich in unzehliche kleinere Blut-Adern zu drey- en Ovulis oder Eyergen umbwendeten. Ein jedes Eygen war in der Grösse ei- nes gemeinen runden Käses, theils klei- ner, theils grösser, und innerlich von ei- nem harten schwammigten Fleische, so äuserlich die Natur mit einer festen schwammigten Haut beschirmet hatte. Das Kalb war ein Hirsch-Kalb, in der Grösse einer Katzen, jedoch noch ohne Leben, hatte keine Haare, aber alle Gliedmaassen, wie die Namen haben mögen. Die Lauff- und Aber-Klauen waren gantz weich und Saffran gelbe; Das Köpffgen weißlicht, der Ort seines künfftigen Gehörns und die Nase schwärtzlicht, der übrige Leib aber allent- halben wie ein rohes Fleisch; Gestalt es dann nur die Helffte an seinem Gewächs damahls war. Ausserhalb war die Mut- ter zu beyden Seiten des Mastdarms un- glaublich feiste, mehr als Spannen lang, einer Hand breit und dicke; Wie denn auch das gantze Eingeweyde, nach denen
Nie-
R
Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch]
die drey Gelenck in der Schaale des Fuſ- ſes, die Form halten und die Bewegung der Faͤhrd machen: Der Oberruͤck oder die Abeꝛ-Klauen, welche jede mit einer kleinen Flechſe angehefftet, ſtehet zwiſchen denen beyden erſteren Gelencken: Die Schuh o- der Schaalen und Ballen aber ſind gleich- ſam angezogen, von hornigtem Ge- waͤchs. Der ſaͤmtliche Ruͤckgrad von dem Hinter-Puͤrtzel biß uͤber die Schul- tern, war mit ſtarcken Sehnen und [Spaltenumbruch]
Flechſen, von dar aber dem Halß nach, biß ins Genuͤcke, mit doppelten Flechſen veꝛſehen, woſelbſt zwiſchen denen zwey letz- ten Flechſen am Knorpel des Hirnſchaͤ- dels der behoͤrige Nickfang geſchiehet, allwo die Hirn-Schaale einen guten Daumen unterwerts in drey Linien oder Bruͤche ſich ſeparirete und in gleicher Linie von dar unter den Augen und Na- ſenloͤchern gefuͤhret wurde.
Anatomia eines tragenden Wilds.
[Spaltenumbruch]
Nachdem ich nun ebenfalls par cu- rioſitæt ein tragend Stuͤck Wild anato- miren wolte, ſelbiges aber aus meinem Thier-Garten zu nehmen, Schaden geweſen waͤre, als habe ich meinem Foͤr- ſter Hannß Chriſtoph Koͤttlizen befohlen, eines zu ſchieſſen, der es auch des andern Tages, als den 10. Martii verwichenen Jahres, in denen ſo genannten Sand- ſchellen-Hoͤltzern fruͤh Morgens gepuͤr- ſchet, welches folgenden Tages anatomi- ret, da denn folgendes gefunden: Nem- lich es war ein ſtarck gewachſenes Thier, dem Anſehen nach 5. biß 6. Jahr alt, wel- ches ſein jaͤhriges und zweyjaͤhriges Kalb bey ſich gehabt, und hatte ſeine grau- braunlichte Winter-Haare, deſſen Hoͤ- he 5. gute Spannen und eine Qver- Hand; die Laͤnge des Leibes aber 6. Spannen und die Dicke 3. Spannen war. Wir machten, nachdem man von Kien den gantzen Leib hinunter biß hin- ten die Haut auffgeſchuͤrffet, auffgebro- chen, und die Viſcera gehalten, den An- fang von der Vulvula oder dem Weibli- chen Gliede, jaͤgeriſch das Feigenblatt genannt, welches von dem Weydeloch 2. Qver-Finger ſepariret war. Aeuſerlich war dieſes Glied ein laͤnglichtes Loch, von einer harten ſchrumpfflichten Haut, ſo kleine Falten hatte, von brauner Far- be, darinnen der Ductus oder die Ge- burths-Roͤhre oberwerts nach dem Ruͤck- grad gienge, welche ſchon weicher und Fleiſchigter, doch mercklich enger, als ei- nes Fingers dick war, und ferner Ober- halb des Schloſſes ſeinen Gang uͤber die Blaſe nach dem Geburths-Schlauch, ſo noch weich war, eine Spanne lang nahm; Allda fund ſich ein knorplichtes Hartes und enges Gewaͤchs, worin man kaum mit einem Feder-Kiel kommen koͤnnen, einer Quer-Hand breit an drey Orten [Spaltenumbruch]
gewachſene Wiederhacken und ſchleimigte Materie zu deren Ausgang andere Ovu- la oder Eyergen angewachſen, welche zur kuͤnfftigen Generation mehrerer Kaͤlber von der Natur geordnet ſind. Dann lag die muͤtterliche Buͤrde in der Groͤße einer groſſen ſtarcken Katzen unter de- nen Nieren beyſammen, mit denen Laͤufften nach dem Hertzen, wornach die Nabel-Schnur gienge, mit dem Kopff aber nach der rechten Seiten, weil es ein Hirſch-Kalb geweſen. Die Nabel- Schnur war einer Spannen lang, von perlichter Farbe und weiſſen Druͤßgen, worinnen der Nabel und eine Sehne, auch darinnen zwey Ductus befindlich waren, welche ſich nach einer Spannen lang in funffzehen Adern oberwerts vertheileten und dieſe wiederumb ſich in unzehliche kleinere Blut-Adern zu drey- en Ovulis oder Eyergen umbwendeten. Ein jedes Eygen war in der Groͤſſe ei- nes gemeinen runden Kaͤſes, theils klei- ner, theils groͤſſer, und innerlich von ei- nem harten ſchwammigten Fleiſche, ſo aͤuſerlich die Natur mit einer feſten ſchwammigten Haut beſchirmet hatte. Das Kalb war ein Hirſch-Kalb, in der Groͤſſe einer Katzen, jedoch noch ohne Leben, hatte keine Haare, aber alle Gliedmaaſſen, wie die Namen haben moͤgen. Die Lauff- und Aber-Klauen waren gantz weich und Saffran gelbe; Das Koͤpffgen weißlicht, der Ort ſeines kuͤnfftigen Gehoͤrns und die Naſe ſchwaͤrtzlicht, der uͤbrige Leib aber allent- halben wie ein rohes Fleiſch; Geſtalt es dann nur die Helffte an ſeinem Gewaͤchs damahls war. Auſſerhalb war die Mut- ter zu beyden Seiten des Maſtdarms un- glaublich feiſte, mehr als Spannen lang, einer Hand breit und dicke; Wie denn auch das gantze Eingeweyde, nach denen
Nie-
R
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0231"n="129"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von denen wilden Thieren.</hi></fw><lb/><cb/>
die drey Gelenck in der Schaale des Fuſ-<lb/>ſes, die Form halten und die Bewegung<lb/>
der Faͤhrd machen: Der Oberruͤck oder die<lb/>
Abeꝛ-Klauen, welche jede mit einer kleinen<lb/>
Flechſe angehefftet, ſtehet zwiſchen denen<lb/>
beyden erſteren Gelencken: Die Schuh o-<lb/>
der Schaalen und Ballen aber ſind gleich-<lb/>ſam angezogen, von hornigtem Ge-<lb/>
waͤchs. Der ſaͤmtliche Ruͤckgrad von<lb/>
dem Hinter-Puͤrtzel biß uͤber die Schul-<lb/>
tern, war mit ſtarcken Sehnen und<lb/><cb/>
Flechſen, von dar aber dem Halß nach,<lb/>
biß ins Genuͤcke, mit doppelten Flechſen<lb/>
veꝛſehen, woſelbſt zwiſchen denen zwey letz-<lb/>
ten Flechſen am Knorpel des Hirnſchaͤ-<lb/>
dels der behoͤrige Nickfang geſchiehet,<lb/>
allwo die Hirn-Schaale einen guten<lb/>
Daumen unterwerts in drey Linien<lb/>
oder Bruͤche ſich <hirendition="#aq">ſeparir</hi>ete und in gleicher<lb/>
Linie von dar unter den Augen und Na-<lb/>ſenloͤchern gefuͤhret wurde.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq">Anatomia</hi> eines tragenden Wilds.</hi></head><lb/><cb/><p>Nachdem ich nun ebenfalls <hirendition="#aq">par cu-<lb/>
rioſitæt</hi> ein tragend Stuͤck Wild <hirendition="#aq">anato-<lb/>
mir</hi>en wolte, ſelbiges aber aus meinem<lb/>
Thier-Garten zu nehmen, Schaden<lb/>
geweſen waͤre, als habe ich meinem Foͤr-<lb/>ſter Hannß Chriſtoph Koͤttlizen befohlen,<lb/>
eines zu ſchieſſen, der es auch des andern<lb/>
Tages, als den 10. Martii verwichenen<lb/>
Jahres, in denen ſo genannten Sand-<lb/>ſchellen-Hoͤltzern fruͤh Morgens gepuͤr-<lb/>ſchet, welches folgenden Tages <hirendition="#aq">anatomi-<lb/>
r</hi>et, da denn folgendes gefunden: Nem-<lb/>
lich es war ein ſtarck gewachſenes Thier,<lb/>
dem Anſehen nach 5. biß 6. Jahr alt, wel-<lb/>
ches ſein jaͤhriges und zweyjaͤhriges<lb/>
Kalb bey ſich gehabt, und hatte ſeine grau-<lb/>
braunlichte Winter-Haare, deſſen Hoͤ-<lb/>
he 5. gute Spannen und eine Qver-<lb/>
Hand; die Laͤnge des Leibes aber 6.<lb/>
Spannen und die Dicke 3. Spannen<lb/>
war. Wir machten, nachdem man von<lb/>
Kien den gantzen Leib hinunter biß hin-<lb/>
ten die Haut auffgeſchuͤrffet, auffgebro-<lb/>
chen, und die <hirendition="#aq">Viſcera</hi> gehalten, den An-<lb/>
fang von der <hirendition="#aq">Vulvula</hi> oder dem Weibli-<lb/>
chen Gliede, jaͤgeriſch das Feigenblatt<lb/>
genannt, welches von dem Weydeloch 2.<lb/>
Qver-Finger <hirendition="#aq">ſeparir</hi>et war. Aeuſerlich<lb/>
war dieſes Glied ein laͤnglichtes Loch,<lb/>
von einer harten ſchrumpfflichten Haut,<lb/>ſo kleine Falten hatte, von brauner Far-<lb/>
be, darinnen der <hirendition="#aq">Ductus</hi> oder die Ge-<lb/>
burths-Roͤhre oberwerts nach dem Ruͤck-<lb/>
grad gienge, welche ſchon weicher und<lb/>
Fleiſchigter, doch mercklich enger, als ei-<lb/>
nes Fingers dick war, und ferner Ober-<lb/>
halb des Schloſſes ſeinen Gang uͤber die<lb/>
Blaſe nach dem Geburths-Schlauch, ſo<lb/>
noch weich war, eine Spanne lang nahm;<lb/>
Allda fund ſich ein knorplichtes Hartes<lb/>
und enges Gewaͤchs, worin man kaum<lb/>
mit einem Feder-Kiel kommen koͤnnen,<lb/>
einer Quer-Hand breit an drey Orten<lb/><cb/>
gewachſene Wiederhacken und ſchleimigte<lb/>
Materie zu deren Ausgang andere <hirendition="#aq">Ovu-<lb/>
la</hi> oder Eyergen angewachſen, welche zur<lb/>
kuͤnfftigen <hirendition="#aq">Generation</hi> mehrerer Kaͤlber<lb/>
von der Natur geordnet ſind. Dann<lb/>
lag die muͤtterliche Buͤrde in der Groͤße<lb/>
einer groſſen ſtarcken Katzen unter de-<lb/>
nen Nieren beyſammen, mit denen<lb/>
Laͤufften nach dem Hertzen, wornach die<lb/>
Nabel-Schnur gienge, mit dem Kopff<lb/>
aber nach der rechten Seiten, weil es ein<lb/>
Hirſch-Kalb geweſen. Die Nabel-<lb/>
Schnur war einer Spannen lang, von<lb/>
perlichter Farbe und weiſſen Druͤßgen,<lb/>
worinnen der Nabel und eine Sehne,<lb/>
auch darinnen zwey <hirendition="#aq">Ductus</hi> befindlich<lb/>
waren, welche ſich nach einer Spannen<lb/>
lang in funffzehen Adern oberwerts<lb/>
vertheileten und dieſe wiederumb ſich in<lb/>
unzehliche kleinere Blut-Adern zu drey-<lb/>
en <hirendition="#aq">Ovulis</hi> oder Eyergen umbwendeten.<lb/>
Ein jedes Eygen war in der Groͤſſe ei-<lb/>
nes gemeinen runden Kaͤſes, theils klei-<lb/>
ner, theils groͤſſer, und innerlich von ei-<lb/>
nem harten ſchwammigten Fleiſche, ſo<lb/>
aͤuſerlich die Natur mit einer feſten<lb/>ſchwammigten Haut beſchirmet hatte.<lb/>
Das Kalb war ein Hirſch-Kalb, in der<lb/>
Groͤſſe einer Katzen, jedoch noch ohne<lb/>
Leben, hatte keine Haare, aber alle<lb/>
Gliedmaaſſen, wie die Namen haben<lb/>
moͤgen. Die Lauff- und Aber-Klauen<lb/>
waren gantz weich und Saffran gelbe;<lb/>
Das Koͤpffgen weißlicht, der Ort ſeines<lb/>
kuͤnfftigen Gehoͤrns und die Naſe<lb/>ſchwaͤrtzlicht, der uͤbrige Leib aber allent-<lb/>
halben wie ein rohes Fleiſch; Geſtalt es<lb/>
dann nur die Helffte an ſeinem Gewaͤchs<lb/>
damahls war. Auſſerhalb war die Mut-<lb/>
ter zu beyden Seiten des Maſtdarms un-<lb/>
glaublich feiſte, mehr als Spannen lang,<lb/>
einer Hand breit und dicke; Wie denn<lb/>
auch das gantze Eingeweyde, nach denen<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R</fw><fwplace="bottom"type="catch">Nie-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[129/0231]
Von denen wilden Thieren.
die drey Gelenck in der Schaale des Fuſ-
ſes, die Form halten und die Bewegung
der Faͤhrd machen: Der Oberruͤck oder die
Abeꝛ-Klauen, welche jede mit einer kleinen
Flechſe angehefftet, ſtehet zwiſchen denen
beyden erſteren Gelencken: Die Schuh o-
der Schaalen und Ballen aber ſind gleich-
ſam angezogen, von hornigtem Ge-
waͤchs. Der ſaͤmtliche Ruͤckgrad von
dem Hinter-Puͤrtzel biß uͤber die Schul-
tern, war mit ſtarcken Sehnen und
Flechſen, von dar aber dem Halß nach,
biß ins Genuͤcke, mit doppelten Flechſen
veꝛſehen, woſelbſt zwiſchen denen zwey letz-
ten Flechſen am Knorpel des Hirnſchaͤ-
dels der behoͤrige Nickfang geſchiehet,
allwo die Hirn-Schaale einen guten
Daumen unterwerts in drey Linien
oder Bruͤche ſich ſeparirete und in gleicher
Linie von dar unter den Augen und Na-
ſenloͤchern gefuͤhret wurde.
Anatomia eines tragenden Wilds.
Nachdem ich nun ebenfalls par cu-
rioſitæt ein tragend Stuͤck Wild anato-
miren wolte, ſelbiges aber aus meinem
Thier-Garten zu nehmen, Schaden
geweſen waͤre, als habe ich meinem Foͤr-
ſter Hannß Chriſtoph Koͤttlizen befohlen,
eines zu ſchieſſen, der es auch des andern
Tages, als den 10. Martii verwichenen
Jahres, in denen ſo genannten Sand-
ſchellen-Hoͤltzern fruͤh Morgens gepuͤr-
ſchet, welches folgenden Tages anatomi-
ret, da denn folgendes gefunden: Nem-
lich es war ein ſtarck gewachſenes Thier,
dem Anſehen nach 5. biß 6. Jahr alt, wel-
ches ſein jaͤhriges und zweyjaͤhriges
Kalb bey ſich gehabt, und hatte ſeine grau-
braunlichte Winter-Haare, deſſen Hoͤ-
he 5. gute Spannen und eine Qver-
Hand; die Laͤnge des Leibes aber 6.
Spannen und die Dicke 3. Spannen
war. Wir machten, nachdem man von
Kien den gantzen Leib hinunter biß hin-
ten die Haut auffgeſchuͤrffet, auffgebro-
chen, und die Viſcera gehalten, den An-
fang von der Vulvula oder dem Weibli-
chen Gliede, jaͤgeriſch das Feigenblatt
genannt, welches von dem Weydeloch 2.
Qver-Finger ſepariret war. Aeuſerlich
war dieſes Glied ein laͤnglichtes Loch,
von einer harten ſchrumpfflichten Haut,
ſo kleine Falten hatte, von brauner Far-
be, darinnen der Ductus oder die Ge-
burths-Roͤhre oberwerts nach dem Ruͤck-
grad gienge, welche ſchon weicher und
Fleiſchigter, doch mercklich enger, als ei-
nes Fingers dick war, und ferner Ober-
halb des Schloſſes ſeinen Gang uͤber die
Blaſe nach dem Geburths-Schlauch, ſo
noch weich war, eine Spanne lang nahm;
Allda fund ſich ein knorplichtes Hartes
und enges Gewaͤchs, worin man kaum
mit einem Feder-Kiel kommen koͤnnen,
einer Quer-Hand breit an drey Orten
gewachſene Wiederhacken und ſchleimigte
Materie zu deren Ausgang andere Ovu-
la oder Eyergen angewachſen, welche zur
kuͤnfftigen Generation mehrerer Kaͤlber
von der Natur geordnet ſind. Dann
lag die muͤtterliche Buͤrde in der Groͤße
einer groſſen ſtarcken Katzen unter de-
nen Nieren beyſammen, mit denen
Laͤufften nach dem Hertzen, wornach die
Nabel-Schnur gienge, mit dem Kopff
aber nach der rechten Seiten, weil es ein
Hirſch-Kalb geweſen. Die Nabel-
Schnur war einer Spannen lang, von
perlichter Farbe und weiſſen Druͤßgen,
worinnen der Nabel und eine Sehne,
auch darinnen zwey Ductus befindlich
waren, welche ſich nach einer Spannen
lang in funffzehen Adern oberwerts
vertheileten und dieſe wiederumb ſich in
unzehliche kleinere Blut-Adern zu drey-
en Ovulis oder Eyergen umbwendeten.
Ein jedes Eygen war in der Groͤſſe ei-
nes gemeinen runden Kaͤſes, theils klei-
ner, theils groͤſſer, und innerlich von ei-
nem harten ſchwammigten Fleiſche, ſo
aͤuſerlich die Natur mit einer feſten
ſchwammigten Haut beſchirmet hatte.
Das Kalb war ein Hirſch-Kalb, in der
Groͤſſe einer Katzen, jedoch noch ohne
Leben, hatte keine Haare, aber alle
Gliedmaaſſen, wie die Namen haben
moͤgen. Die Lauff- und Aber-Klauen
waren gantz weich und Saffran gelbe;
Das Koͤpffgen weißlicht, der Ort ſeines
kuͤnfftigen Gehoͤrns und die Naſe
ſchwaͤrtzlicht, der uͤbrige Leib aber allent-
halben wie ein rohes Fleiſch; Geſtalt es
dann nur die Helffte an ſeinem Gewaͤchs
damahls war. Auſſerhalb war die Mut-
ter zu beyden Seiten des Maſtdarms un-
glaublich feiſte, mehr als Spannen lang,
einer Hand breit und dicke; Wie denn
auch das gantze Eingeweyde, nach denen
Nie-
R
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/231>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.