Der Andere Theil/ handelt Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch]
ALs uns Menschen un- begreifflich und höchst- wundersam GOTT der Allmächtige Schöpffer Himmels und der Er- den bey Anfang der Welt aus grosser Lie- be erschaffen hatte, sind sowohl die grimmig reissende, als andere wil- de Thiere im Paradieß gantz gewöhnt und zahm umb den Menschen einher gegangen und haben ihre Unterthä- nigkeit durch dessen willkührliche Be- nennung bezeuget, hingegen hat durch des Menschen mißbrauchende Gewalt, feindseeliges Erwürgen und Verjagen die vorige Liebe und Gewogenheit der- selben sich von Natur in einen Haß und Abscheu verwandelt, daher solche vor demselben so scheu und flüchtig worden sind, wie wir davon in Heiliger Schrifft mit mehrerm ersehen, auch der Ver- nunfft nach leicht erachten können. Nach- dem nun das Clima Coeli oder die himmli- sche Firmaments-Krafft, ferner das Nutri- ment der Erd-Gewächse, oder das Humi- dum radicale derer unterirdischen feuch- ten Dünste entweder heiß oder trocken, feuchte oder kalt sich befinden, so verändern sich auch dahero alle Vögel in der Lufft, sowohl die wilden Thiere, als die Men- schen auf Erden, und alle Fische im Was- ser gar mercklich an ihrer gantzen Natur und Eigenschafften, an ihrer Gestalt, Größe, Farbe, Haaren, und Federn, Stimme, Geschmack und dergleichen mehr, wie solches aus der täglichen Er- [Spaltenumbruch]
fahrung zu sehen, darinnen man nim- mer auslernen kan. Dann woher kom- men sonsten die Mohren, als aus hitzi- gen Mittags-Ländern, desgleichen die bräunlichen Spanier und Jtaliener; Dagegen findet man in kalten nordischen Ländern nicht alleine weiße Leute, son- dern auch häuffige weisse Thiere, als in Grönland oder Nova Zembla die weis- sen Bäre, ingleichen solche Wölffe, Füch- se und Haasen, ja gar Raben. Welche wundersame Variation nach GOttes al- lein weisem Rath die Natur vorhin er- meldter maassen unerforschlich hervor- bringet. Wem ist nicht bekant, daß die wilden Thiere uns Menschen in vie- len Dingen übertreffen, auch offt gar beschämen, wie wir sowohl von allen in genere, als von einem jeden specialiter melden wollen. Beschämen nicht die wilden Thiere uns Menschen an der Keuschheit, zum wenigsten halten sie doch ihre Zeit und Ordnung darinnen, gegen menschlicher Geylheit, so täglich ge- schiehet. Ferner auch an der Mäßig- keit, da man nicht finden wird, daß ein wildes Thier ein mehrers essen oder trin- cken werde, als was ihm dienlich, gegen unsere Schwelgerey. Was sie in der Wachsamkeit vor uns für eine Praero- gativ haben, ist denen Erfahrenen nicht unbekant. Ja die meisten haben einen weit schärffern Geruch, als wir und prae- valiren also in vielen Dingen; Als der Adler im Sehen, das wilde Schwein im Hören, der Affe im Schmecken, die Spinne im Fühlen, und dergleichen. Jn
dem
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Der Andere Theil/ handelt Von denen wilden Thieren.
[Spaltenumbruch]
ALs uns Menſchen un- begreifflich und hoͤchſt- wunderſam GOTT der Allmaͤchtige Schoͤpffer Himmels und der Er- den bey Anfang der Welt aus groſſer Lie- be erſchaffen hatte, ſind ſowohl die grimmig reiſſende, als andere wil- de Thiere im Paradieß gantz gewoͤhnt und zahm umb den Menſchen einher gegangen und haben ihre Unterthaͤ- nigkeit durch deſſen willkuͤhrliche Be- nennung bezeuget, hingegen hat durch des Menſchen mißbrauchende Gewalt, feindſeeliges Erwuͤrgen und Verjagen die vorige Liebe und Gewogenheit der- ſelben ſich von Natur in einen Haß und Abſcheu verwandelt, daher ſolche vor demſelben ſo ſcheu und fluͤchtig worden ſind, wie wir davon in Heiliger Schrifft mit mehrerm erſehen, auch der Ver- nunfft nach leicht erachten koͤnnen. Nach- dem nun das Clima Cœli oder die himmli- ſche Firmaments-Krafft, ferner das Nutri- ment der Erd-Gewaͤchſe, oder das Humi- dum radicale derer unterirdiſchen feuch- ten Duͤnſte entweder heiß oder trocken, feuchte oder kalt ſich befindẽ, ſo veraͤndern ſich auch dahero alle Voͤgel in der Lufft, ſowohl die wilden Thiere, als die Men- ſchen auf Erden, und alle Fiſche im Waſ- ſer gar mercklich an ihrer gantzen Natur und Eigenſchafften, an ihrer Geſtalt, Groͤße, Farbe, Haaren, und Federn, Stimme, Geſchmack und dergleichen mehr, wie ſolches aus der taͤglichen Er- [Spaltenumbruch]
fahrung zu ſehen, darinnen man nim- mer auslernen kan. Dann woher kom- men ſonſten die Mohren, als aus hitzi- gen Mittags-Laͤndern, desgleichen die braͤunlichen Spanier und Jtaliener; Dagegen findet man in kalten nordiſchen Laͤndern nicht alleine weiße Leute, ſon- dern auch haͤuffige weiſſe Thiere, als in Groͤnland oder Nova Zembla die weiſ- ſen Baͤre, ingleichen ſolche Woͤlffe, Fuͤch- ſe und Haaſen, ja gar Raben. Welche wunderſame Variation nach GOttes al- lein weiſem Rath die Natur vorhin er- meldter maaſſen unerforſchlich hervor- bringet. Wem iſt nicht bekant, daß die wilden Thiere uns Menſchen in vie- len Dingen uͤbertreffen, auch offt gar beſchaͤmen, wie wir ſowohl von allen in genere, als von einem jeden ſpecialiter melden wollen. Beſchaͤmen nicht die wilden Thiere uns Menſchen an der Keuſchheit, zum wenigſten halten ſie doch ihre Zeit und Ordnung darinnen, gegen menſchlicher Geylheit, ſo taͤglich ge- ſchiehet. Ferner auch an der Maͤßig- keit, da man nicht finden wird, daß ein wildes Thier ein mehrers eſſen oder trin- cken werde, als was ihm dienlich, gegen unſere Schwelgerey. Was ſie in der Wachſamkeit vor uns fuͤr eine Præro- gativ haben, iſt denen Erfahrenen nicht unbekant. Ja die meiſten haben einen weit ſchaͤrffern Geruch, als wir und præ- valiren alſo in vielen Dingen; Als der Adler im Sehen, das wilde Schwein im Hoͤren, der Affe im Schmecken, die Spinne im Fuͤhlen, und dergleichen. Jn
dem
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[Abbildung]
Der Andere Theil/
handelt
Von denen wilden Thieren.
ALs uns Menſchen un-
begreifflich und hoͤchſt-
wunderſam GOTT der
Allmaͤchtige Schoͤpffer
Himmels und der Er-
den bey Anfang der
Welt aus groſſer Lie-
be erſchaffen hatte, ſind ſowohl die
grimmig reiſſende, als andere wil-
de Thiere im Paradieß gantz gewoͤhnt
und zahm umb den Menſchen einher
gegangen und haben ihre Unterthaͤ-
nigkeit durch deſſen willkuͤhrliche Be-
nennung bezeuget, hingegen hat durch
des Menſchen mißbrauchende Gewalt,
feindſeeliges Erwuͤrgen und Verjagen
die vorige Liebe und Gewogenheit der-
ſelben ſich von Natur in einen Haß und
Abſcheu verwandelt, daher ſolche vor
demſelben ſo ſcheu und fluͤchtig worden
ſind, wie wir davon in Heiliger Schrifft
mit mehrerm erſehen, auch der Ver-
nunfft nach leicht erachten koͤnnen. Nach-
dem nun das Clima Cœli oder die himmli-
ſche Firmaments-Krafft, ferner das Nutri-
ment der Erd-Gewaͤchſe, oder das Humi-
dum radicale derer unterirdiſchen feuch-
ten Duͤnſte entweder heiß oder trocken,
feuchte oder kalt ſich befindẽ, ſo veraͤndern
ſich auch dahero alle Voͤgel in der Lufft,
ſowohl die wilden Thiere, als die Men-
ſchen auf Erden, und alle Fiſche im Waſ-
ſer gar mercklich an ihrer gantzen Natur
und Eigenſchafften, an ihrer Geſtalt,
Groͤße, Farbe, Haaren, und Federn,
Stimme, Geſchmack und dergleichen
mehr, wie ſolches aus der taͤglichen Er-
fahrung zu ſehen, darinnen man nim-
mer auslernen kan. Dann woher kom-
men ſonſten die Mohren, als aus hitzi-
gen Mittags-Laͤndern, desgleichen die
braͤunlichen Spanier und Jtaliener;
Dagegen findet man in kalten nordiſchen
Laͤndern nicht alleine weiße Leute, ſon-
dern auch haͤuffige weiſſe Thiere, als in
Groͤnland oder Nova Zembla die weiſ-
ſen Baͤre, ingleichen ſolche Woͤlffe, Fuͤch-
ſe und Haaſen, ja gar Raben. Welche
wunderſame Variation nach GOttes al-
lein weiſem Rath die Natur vorhin er-
meldter maaſſen unerforſchlich hervor-
bringet. Wem iſt nicht bekant, daß
die wilden Thiere uns Menſchen in vie-
len Dingen uͤbertreffen, auch offt gar
beſchaͤmen, wie wir ſowohl von allen in
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melden wollen. Beſchaͤmen nicht die
wilden Thiere uns Menſchen an der
Keuſchheit, zum wenigſten halten ſie
doch ihre Zeit und Ordnung darinnen,
gegen menſchlicher Geylheit, ſo taͤglich ge-
ſchiehet. Ferner auch an der Maͤßig-
keit, da man nicht finden wird, daß ein
wildes Thier ein mehrers eſſen oder trin-
cken werde, als was ihm dienlich, gegen
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unbekant. Ja die meiſten haben einen
weit ſchaͤrffern Geruch, als wir und præ-
valiren alſo in vielen Dingen; Als der
Adler im Sehen, das wilde Schwein im
Hoͤren, der Affe im Schmecken, die
Spinne im Fuͤhlen, und dergleichen. Jn
dem
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Fleming, Hans Friedrich von: Der Vollkommene Teutsche Jäger. Bd. 1. Leipzig, 1719, S. [79]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fleming_jaeger01_1719/165>, abgerufen am 25.11.2024.
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