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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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edlen Panagathe. Sie kannte die große
Gewalt derjenigen Leidenschaft, von welcher
sie ihren Neffen hingerissen sah. Doch
was konnte sie thun? Jn ihrer Macht stand
es nicht, den Bestimmungen der Natur
vorzugreifen, sie konnte nicht den Fügun-
gen der Wesen eine andere Richtung geben.
Jm großen Buche des Schicksals stand es
verzeichnet: Kanzedirs Gestalt soll kein
weibliches Herz erobern und man mußte
nicht häßlicher als Kanzedir sein, um
den Ausspruch des Schicksals in Erfüllung
zu bringen.

Panagathe dachte nur auf Mittel seine
Leidenschaft zu mäßigen. Durch Zerstreu-
ungen und neue Bekanntschaften hoffte sie
seiner auf Abenza hingewurzelten Einbil-
dungskraft eine andere Richtung zu ver-
leihen und allmählig die Flammen der Liebe
zu mildern, die ihn zu verzehren droheten.

edlen Panagathe. Sie kannte die große
Gewalt derjenigen Leidenſchaft, von welcher
ſie ihren Neffen hingeriſſen ſah. Doch
was konnte ſie thun? Jn ihrer Macht ſtand
es nicht, den Beſtimmungen der Natur
vorzugreifen, ſie konnte nicht den Fuͤgun-
gen der Weſen eine andere Richtung geben.
Jm großen Buche des Schickſals ſtand es
verzeichnet: Kanzedirs Geſtalt ſoll kein
weibliches Herz erobern und man mußte
nicht haͤßlicher als Kanzedir ſein, um
den Ausſpruch des Schickſals in Erfuͤllung
zu bringen.

Panagathe dachte nur auf Mittel ſeine
Leidenſchaft zu maͤßigen. Durch Zerſtreu-
ungen und neue Bekanntſchaften hoffte ſie
ſeiner auf Abenza hingewurzelten Einbil-
dungskraft eine andere Richtung zu ver-
leihen und allmaͤhlig die Flammen der Liebe
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[223/0227] edlen Panagathe. Sie kannte die große Gewalt derjenigen Leidenſchaft, von welcher ſie ihren Neffen hingeriſſen ſah. Doch was konnte ſie thun? Jn ihrer Macht ſtand es nicht, den Beſtimmungen der Natur vorzugreifen, ſie konnte nicht den Fuͤgun- gen der Weſen eine andere Richtung geben. Jm großen Buche des Schickſals ſtand es verzeichnet: Kanzedirs Geſtalt ſoll kein weibliches Herz erobern und man mußte nicht haͤßlicher als Kanzedir ſein, um den Ausſpruch des Schickſals in Erfuͤllung zu bringen. Panagathe dachte nur auf Mittel ſeine Leidenſchaft zu maͤßigen. Durch Zerſtreu- ungen und neue Bekanntſchaften hoffte ſie ſeiner auf Abenza hingewurzelten Einbil- dungskraft eine andere Richtung zu ver- leihen und allmaͤhlig die Flammen der Liebe zu mildern, die ihn zu verzehren droheten.

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/227>, abgerufen am 22.11.2024.