Fischer, Christian August: Ueber Collegien und Collegienhefte. Bonn, 1826.Fünfter Abschnitt. Von den Vorlesungen nach Heften. §. 1. Der Vortrag nach Heften, sonst auch der Lesevortrag genannt, pflegt bekanntlich, auf allen deutschen Universitäten, der vorherrschende zu seyn. Dies hat seine ganz natürlichen Ursachen, so daß man sich darüber nicht wundern darf. Einmal ist der freye Vortrag nur sehr wenig Docenten verliehen. Warum? Weil er ursprünglich eine Naturgabe ist, und weil diese einer sorgfältigen Ausbildung, und einer vieljährigen Uebung bedarf, wenn man es darin, nicht nur zu einer gewissen Fertigkeit bringen, sondern sich auch in jeder Hinsicht auszeichnen will. Es gehört vor allem ein gutes Organ, eine reine, deutliche, feine Aussprache, und eine große Lebendigkeit des Geistes, also ein reicher Ideenfluß dazu. Zugleich muß ein solcher Docent, seinen Stoff durchaus zu beherrschen wissen, und der Sprache in hohem Gerade mächtig seyn. Dieß alles ist aber, wie gesagt, nur wenigen gegeben, weil es eine äußerst glückliche Organisation voraussetzt, die unter fünfzig Individuen, kaum einem zu Theil wird. Wir gehen nun zu der zweiten Ursache über, warum der freie Vortrag auf unseren Universitäten so selten gefunden wird. Diese ist ebenfalls ganz natürlich, indem sich dieser Vortrag, auf den größten Theil der academischen Vorlesungen nicht füglich, man könnte wohl sagen, Fünfter Abschnitt. Von den Vorlesungen nach Heften. §. 1. Der Vortrag nach Heften, sonst auch der Lesevortrag genannt, pflegt bekanntlich, auf allen deutschen Universitäten, der vorherrschende zu seyn. Dies hat seine ganz natürlichen Ursachen, so daß man sich darüber nicht wundern darf. Einmal ist der freye Vortrag nur sehr wenig Docenten verliehen. Warum? Weil er ursprünglich eine Naturgabe ist, und weil diese einer sorgfältigen Ausbildung, und einer vieljährigen Uebung bedarf, wenn man es darin, nicht nur zu einer gewissen Fertigkeit bringen, sondern sich auch in jeder Hinsicht auszeichnen will. Es gehört vor allem ein gutes Organ, eine reine, deutliche, feine Aussprache, und eine große Lebendigkeit des Geistes, also ein reicher Ideenfluß dazu. Zugleich muß ein solcher Docent, seinen Stoff durchaus zu beherrschen wissen, und der Sprache in hohem Gerade mächtig seyn. Dieß alles ist aber, wie gesagt, nur wenigen gegeben, weil es eine äußerst glückliche Organisation voraussetzt, die unter fünfzig Individuen, kaum einem zu Theil wird. Wir gehen nun zu der zweiten Ursache über, warum der freie Vortrag auf unseren Universitäten so selten gefunden wird. Diese ist ebenfalls ganz natürlich, indem sich dieser Vortrag, auf den größten Theil der academischen Vorlesungen nicht füglich, man könnte wohl sagen, <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0058" n="54"/> <div> <head><hi rendition="#g">Fünfter Abschnitt</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div> <head><hi rendition="#g">Von den Vorlesungen nach Heften</hi>.</head><lb/> <div> <head>§. 1.</head><lb/> <p>Der Vortrag nach <hi rendition="#g">Heften</hi>, sonst auch der <hi rendition="#g">Lesevortrag</hi> genannt, pflegt bekanntlich, auf allen deutschen Universitäten, der vorherrschende zu seyn. Dies hat seine ganz natürlichen Ursachen, so daß man sich darüber nicht wundern darf. Einmal ist der freye Vortrag nur sehr wenig Docenten verliehen. Warum? Weil er ursprünglich eine Naturgabe ist, und weil diese einer sorgfältigen Ausbildung, und einer vieljährigen Uebung bedarf, wenn man es darin, nicht nur zu einer gewissen Fertigkeit bringen, sondern sich auch in jeder Hinsicht auszeichnen will. Es gehört vor allem ein gutes Organ, eine reine, deutliche, feine Aussprache, und eine große Lebendigkeit des Geistes, also ein reicher Ideenfluß dazu. Zugleich muß ein solcher Docent, seinen Stoff durchaus zu beherrschen wissen, und der Sprache in hohem Gerade mächtig seyn. Dieß alles ist aber, wie gesagt, nur wenigen gegeben, weil es eine äußerst glückliche Organisation voraussetzt, die unter fünfzig Individuen, kaum einem zu Theil wird.</p><lb/> <p>Wir gehen nun zu der zweiten Ursache über, warum der freie Vortrag auf unseren Universitäten so selten gefunden wird. Diese ist ebenfalls ganz natürlich, indem sich dieser Vortrag, auf den größten Theil der academischen Vorlesungen nicht füglich, man könnte wohl sagen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0058]
Fünfter Abschnitt.
Von den Vorlesungen nach Heften.
§. 1.
Der Vortrag nach Heften, sonst auch der Lesevortrag genannt, pflegt bekanntlich, auf allen deutschen Universitäten, der vorherrschende zu seyn. Dies hat seine ganz natürlichen Ursachen, so daß man sich darüber nicht wundern darf. Einmal ist der freye Vortrag nur sehr wenig Docenten verliehen. Warum? Weil er ursprünglich eine Naturgabe ist, und weil diese einer sorgfältigen Ausbildung, und einer vieljährigen Uebung bedarf, wenn man es darin, nicht nur zu einer gewissen Fertigkeit bringen, sondern sich auch in jeder Hinsicht auszeichnen will. Es gehört vor allem ein gutes Organ, eine reine, deutliche, feine Aussprache, und eine große Lebendigkeit des Geistes, also ein reicher Ideenfluß dazu. Zugleich muß ein solcher Docent, seinen Stoff durchaus zu beherrschen wissen, und der Sprache in hohem Gerade mächtig seyn. Dieß alles ist aber, wie gesagt, nur wenigen gegeben, weil es eine äußerst glückliche Organisation voraussetzt, die unter fünfzig Individuen, kaum einem zu Theil wird.
Wir gehen nun zu der zweiten Ursache über, warum der freie Vortrag auf unseren Universitäten so selten gefunden wird. Diese ist ebenfalls ganz natürlich, indem sich dieser Vortrag, auf den größten Theil der academischen Vorlesungen nicht füglich, man könnte wohl sagen,
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Zitationshilfe: | Fischer, Christian August: Ueber Collegien und Collegienhefte. Bonn, 1826, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_collegienhefte_1826/58>, abgerufen am 07.07.2024. |