Fischer, Christian August: Ueber Collegien und Collegienhefte. Bonn, 1826.Uebermacht besaß. Ein Federzug hätte Deutschland und die Schweiz mit Frankreich vereinigt, ein einziger Hauptschlag die französischen Adler, auf den Pforten des Serails aufgepflanzt, ein einziges Jahr die Eroberungen Spanien und Portugall vollendet, und die Engländer auf ihre Insel beschränkt. Bald hätte nun der stolze Ueberwinder des Continents, alle militärischen und marinarischen Kräfte desselben, gegen das letzte Bollwerk seiner Uebermacht, gegen das letzte Asyl der Freyheit, gegen das hohe heilige Albion gekehrt. Lange würde die Energie des Volkskarakters, lange der Muth der Verzweiflung, den Ausgang ungewiß gelassen haben, endlich hätten die Berechnungen der Ueberzahl, die Gesetze der physischen Gewalt, auch hier entscheiden müssen, und Napoleon würde der Herr eines Welttheils, der Universalmonarch von Europa geworden seyn. Jetzt, welche neue Masse von Entwicklungen! Welcher neue Lauf von Eroberungen ins Unübersehbare hin! - Allerdings bot Napoleon, blos aus dem dynamischen Gesichtspunkte betrachtet, ein Beyspiel der ungeheuersten Kraftentwicklung dar. Er hatte eine Größe der Ideen, eine Kühnheit der Plane, eine Stätigkeit und Ausdauer gezeigt, die billig Erstaunen erregt. Mit scharfem Blicke hatte er stets das Ganze, und alle Einzelnheiten umfaßt, alle Kräfte auf einen Punkt geleitet, jedes Hülfsmittel des Genies und der Erfahrung benutzt, und Alles, überall und immer, zugleich in Bewegung gesetzt. Er hatte sich endlich über die Meinungen, über die Leidenschaften, und über den Zufall, eine Herrschaft zu erwerben gewußt, die ihm einen seltenen Nimbus von Größe, von Weisheit, und Unüberwindlichkeit gab. Allein diese glänzende Außenseite verbarg ein System des Truges, der Hinterlist, und der Grausamkeit, wie es kaum die Geschichte aufzuweisen Uebermacht besaß. Ein Federzug hätte Deutschland und die Schweiz mit Frankreich vereinigt, ein einziger Hauptschlag die französischen Adler, auf den Pforten des Serails aufgepflanzt, ein einziges Jahr die Eroberungen Spanien und Portugall vollendet, und die Engländer auf ihre Insel beschränkt. Bald hätte nun der stolze Ueberwinder des Continents, alle militärischen und marinarischen Kräfte desselben, gegen das letzte Bollwerk seiner Uebermacht, gegen das letzte Asyl der Freyheit, gegen das hohe heilige Albion gekehrt. Lange würde die Energie des Volkskarakters, lange der Muth der Verzweiflung, den Ausgang ungewiß gelassen haben, endlich hätten die Berechnungen der Ueberzahl, die Gesetze der physischen Gewalt, auch hier entscheiden müssen, und Napoleon würde der Herr eines Welttheils, der Universalmonarch von Europa geworden seyn. Jetzt, welche neue Masse von Entwicklungen! Welcher neue Lauf von Eroberungen ins Unübersehbare hin! – Allerdings bot Napoleon, blos aus dem dynamischen Gesichtspunkte betrachtet, ein Beyspiel der ungeheuersten Kraftentwicklung dar. Er hatte eine Größe der Ideen, eine Kühnheit der Plane, eine Stätigkeit und Ausdauer gezeigt, die billig Erstaunen erregt. Mit scharfem Blicke hatte er stets das Ganze, und alle Einzelnheiten umfaßt, alle Kräfte auf einen Punkt geleitet, jedes Hülfsmittel des Genies und der Erfahrung benutzt, und Alles, überall und immer, zugleich in Bewegung gesetzt. Er hatte sich endlich über die Meinungen, über die Leidenschaften, und über den Zufall, eine Herrschaft zu erwerben gewußt, die ihm einen seltenen Nimbus von Größe, von Weisheit, und Unüberwindlichkeit gab. Allein diese glänzende Außenseite verbarg ein System des Truges, der Hinterlist, und der Grausamkeit, wie es kaum die Geschichte aufzuweisen <TEI> <text> <body> <div> <div> <div> <div> <div> <p><pb facs="#f0020" n="16"/> Uebermacht besaß. Ein Federzug hätte Deutschland und die Schweiz mit Frankreich vereinigt, ein einziger Hauptschlag die französischen Adler, auf den Pforten des Serails aufgepflanzt, ein einziges Jahr die Eroberungen Spanien und Portugall vollendet, und die Engländer auf ihre Insel beschränkt. Bald hätte nun der stolze Ueberwinder des Continents, alle militärischen und marinarischen Kräfte desselben, gegen das letzte Bollwerk seiner Uebermacht, gegen das letzte Asyl der Freyheit, gegen das hohe heilige Albion gekehrt. Lange würde die Energie des Volkskarakters, lange der Muth der Verzweiflung, den Ausgang ungewiß gelassen haben, endlich hätten die Berechnungen der Ueberzahl, die Gesetze der physischen Gewalt, auch hier entscheiden müssen, und <hi rendition="#g">Napoleon</hi> würde der Herr eines Welttheils, der Universalmonarch von Europa geworden seyn. Jetzt, welche neue Masse von Entwicklungen! 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Uebermacht besaß. Ein Federzug hätte Deutschland und die Schweiz mit Frankreich vereinigt, ein einziger Hauptschlag die französischen Adler, auf den Pforten des Serails aufgepflanzt, ein einziges Jahr die Eroberungen Spanien und Portugall vollendet, und die Engländer auf ihre Insel beschränkt. Bald hätte nun der stolze Ueberwinder des Continents, alle militärischen und marinarischen Kräfte desselben, gegen das letzte Bollwerk seiner Uebermacht, gegen das letzte Asyl der Freyheit, gegen das hohe heilige Albion gekehrt. Lange würde die Energie des Volkskarakters, lange der Muth der Verzweiflung, den Ausgang ungewiß gelassen haben, endlich hätten die Berechnungen der Ueberzahl, die Gesetze der physischen Gewalt, auch hier entscheiden müssen, und Napoleon würde der Herr eines Welttheils, der Universalmonarch von Europa geworden seyn. Jetzt, welche neue Masse von Entwicklungen! Welcher neue Lauf von Eroberungen ins Unübersehbare hin! –
Allerdings bot Napoleon, blos aus dem dynamischen Gesichtspunkte betrachtet, ein Beyspiel der ungeheuersten Kraftentwicklung dar. Er hatte eine Größe der Ideen, eine Kühnheit der Plane, eine Stätigkeit und Ausdauer gezeigt, die billig Erstaunen erregt. Mit scharfem Blicke hatte er stets das Ganze, und alle Einzelnheiten umfaßt, alle Kräfte auf einen Punkt geleitet, jedes Hülfsmittel des Genies und der Erfahrung benutzt, und Alles, überall und immer, zugleich in Bewegung gesetzt. Er hatte sich endlich über die Meinungen, über die Leidenschaften, und über den Zufall, eine Herrschaft zu erwerben gewußt, die ihm einen seltenen Nimbus von Größe, von Weisheit, und Unüberwindlichkeit gab. Allein diese glänzende Außenseite verbarg ein System des Truges, der Hinterlist, und der Grausamkeit, wie es kaum die Geschichte aufzuweisen
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Zitationshilfe: | Fischer, Christian August: Ueber Collegien und Collegienhefte. Bonn, 1826, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_collegienhefte_1826/20>, abgerufen am 07.07.2024. |