Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.
Daß Vater / Schwester / Mann und
Tochter müssen bleiben.
Doch ich wil bitten in Thränen Maaß zu halten. Der Tod hat diesen Schnitt nicht vor sich gethan; Der HERR des Lebens und des Todes hats ihm geheissen; Der wolte diesen Zweig zusamt seinem Stamm ins Paradieß versetzen; Und so ist es auch in der That geschehen. Sind denn gleich Zweig und Baum verletzet / so heißt es doch: Non ultra corticem: Ob gleich der Schnitt tieff angesetzet / Wird doch die Rinde nur verletzet.Nur die Hütten sind hier abgebrochen / der Geist ist ausgezogen ins Vaterland; Dakan beyder Seele sagen / was der Jesuit Engelgrave bey anderer Gelegenheit über einen inoculirten Pfropff-Reiß schreibe: Non sum, qui fueram: So bin ich nun verändert gar / So bin ich nicht mehr was ich war.Und wer weiß / ob nicht die Sehl. Jungfer / da Sie schon den Vorschmack des Himmels gehabt / ihrem Vater diese Lust auch gönnen wollen? Wer weiß / ob nicht der Vater sich ungern von der Tochter wollen trennen lassen? und siehe / beyde haben erlanget was sie verlanget. Die Tochter kam zwar ein wenig eher in den Himmel als der Vater / Tochter und Vater zugleich ins Grab. Das was hier auf der Welt von beyden liegen blieben / und von uns aus der Welt begleitet worden / wird auch einmahl wieder grünen / wenn Ezechielis Gesicht wird erfüllet werden. Was man von einem dem Ansehen nach zwar fast verdorreten / doch noch wieder ausschlagenden Stamm schreiben möchte / gilt auch hier;
Daß Vater / Schwester / Mann und
Tochter müssen bleiben.
Doch ich wil bitten in Thränen Maaß zu halten. Der Tod hat diesen Schnitt nicht vor sich gethan; Der HERR des Lebens und des Todes hats ihm geheissen; Der wolte diesen Zweig zusamt seinem Stamm ins Paradieß versetzen; Und so ist es auch in der That geschehen. Sind denn gleich Zweig und Baum verletzet / so heißt es doch: Non ultra corticem: Ob gleich der Schnitt tieff angesetzet / Wird doch die Rinde nur verletzet.Nur die Hütten sind hier abgebrochen / der Geist ist ausgezogen ins Vaterland; Dakan beyder Seele sagen / was der Jesuit Engelgrave bey anderer Gelegenheit über einen inoculirten Pfropff-Reiß schreibe: Non sum, qui fueram: So bin ich nun verändert gar / So bin ich nicht mehr was ich war.Und wer weiß / ob nicht die Sehl. Jungfer / da Sie schon den Vorschmack des Himmels gehabt / ihrem Vater diese Lust auch gönnen wollen? Wer weiß / ob nicht der Vater sich ungern von der Tochter wollen trennen lassen? und siehe / beyde haben erlanget was sie verlanget. Die Tochter kam zwar ein wenig eher in den Himmel als der Vater / Tochter und Vater zugleich ins Grab. Das was hier auf der Welt von beyden liegen blieben / und von uns aus der Welt begleitet worden / wird auch einmahl wieder grünen / weñ Ezechielis Gesicht wird erfüllet werden. Was man von einem dem Ansehen nach zwar fast verdorreten / doch noch wieder ausschlagenden Stamm schreiben möchte / gilt auch hier; <TEI> <text> <body> <div> <l><pb facs="#f0067" n="61"/> Daß Vater / Schwester / Mann und Tochter müssen bleiben.</l> <p>Doch ich wil bitten in Thränen Maaß zu halten. Der Tod hat diesen Schnitt nicht vor sich gethan; Der HERR des Lebens und des Todes hats ihm geheissen; Der wolte diesen Zweig zusamt seinem Stamm ins Paradieß versetzen; Und so ist es auch in der That geschehen. Sind denn gleich Zweig und Baum verletzet / so heißt es doch:</p> <l>Non ultra corticem: Ob gleich der Schnitt tieff angesetzet / Wird doch die Rinde nur verletzet.</l> <p>Nur die Hütten sind hier abgebrochen / der Geist ist ausgezogen ins Vaterland; Dakan beyder Seele sagen / was der Jesuit Engelgrave bey anderer Gelegenheit über einen inoculirten Pfropff-Reiß schreibe:</p> <l>Non sum, qui fueram: So bin ich nun verändert gar / So bin ich nicht mehr was ich war.</l> <p>Und wer weiß / ob nicht die Sehl. Jungfer / da Sie schon den Vorschmack des Himmels gehabt / ihrem Vater diese Lust auch gönnen wollen? Wer weiß / ob nicht der Vater sich ungern von der Tochter wollen trennen lassen? und siehe / beyde haben erlanget was sie verlanget. Die Tochter kam zwar ein wenig eher in den Himmel als der Vater / Tochter und Vater zugleich ins Grab. Das was hier auf der Welt von beyden liegen blieben / und von uns aus der Welt begleitet worden / wird auch einmahl wieder grünen / weñ Ezechielis Gesicht wird erfüllet werden. Was man von einem dem Ansehen nach zwar fast verdorreten / doch noch wieder ausschlagenden Stamm schreiben möchte / gilt auch hier;</p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0067]
Daß Vater / Schwester / Mann und Tochter müssen bleiben. Doch ich wil bitten in Thränen Maaß zu halten. Der Tod hat diesen Schnitt nicht vor sich gethan; Der HERR des Lebens und des Todes hats ihm geheissen; Der wolte diesen Zweig zusamt seinem Stamm ins Paradieß versetzen; Und so ist es auch in der That geschehen. Sind denn gleich Zweig und Baum verletzet / so heißt es doch:
Non ultra corticem: Ob gleich der Schnitt tieff angesetzet / Wird doch die Rinde nur verletzet. Nur die Hütten sind hier abgebrochen / der Geist ist ausgezogen ins Vaterland; Dakan beyder Seele sagen / was der Jesuit Engelgrave bey anderer Gelegenheit über einen inoculirten Pfropff-Reiß schreibe:
Non sum, qui fueram: So bin ich nun verändert gar / So bin ich nicht mehr was ich war. Und wer weiß / ob nicht die Sehl. Jungfer / da Sie schon den Vorschmack des Himmels gehabt / ihrem Vater diese Lust auch gönnen wollen? Wer weiß / ob nicht der Vater sich ungern von der Tochter wollen trennen lassen? und siehe / beyde haben erlanget was sie verlanget. Die Tochter kam zwar ein wenig eher in den Himmel als der Vater / Tochter und Vater zugleich ins Grab. Das was hier auf der Welt von beyden liegen blieben / und von uns aus der Welt begleitet worden / wird auch einmahl wieder grünen / weñ Ezechielis Gesicht wird erfüllet werden. Was man von einem dem Ansehen nach zwar fast verdorreten / doch noch wieder ausschlagenden Stamm schreiben möchte / gilt auch hier;
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/67>, abgerufen am 16.02.2025. |