Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.eine himmlisch-gesinnete Gottseligkeit spühren lassen; Sie wuste mit schuldigem Danck und Gehorsahm stets zu erkennen das Gute / so Sie von ihren Eltern genossen. Die Tugend welche Sie / nichts anders als ein Zweig den Safft aus seinem Stamm / von ihrem lieben Vater an sich genommen / äusserten sich von Tage zu Tage immer mehr bey Ihr / gleich denen Buchstaben / welche man in einen jungen Baum geschnitten. Ihre eingezogene Keuschheit vergleichte Sie einem Granatapffel-Baume / von dem es heißt: Und O unvergleichliche Gedult! die Sie sonderlich in ihren so schmertzlichen und langwierigen Krancken-Bette von sich spühren lassen. O beständiger Glaube! damit Sie an ihrem Erlösere gehangen. Je tieffer der Tod gleichsam sein Messer ansetzte Sie von ihrem Stamm abzuschneiden / je tieffer und fester senckte sich ihre Seele ein in den Baum des Lebens Christum Jesum / daran sie ein lebendiger Zweig gewesen. Ja wie ein Zweig / wenn er schon von dem Baum balb abgerissen / und nunmehro bald verdorren wil: Peritura viret: Wenn schon der Riß geschehen / Noch lässet Blühte sehen.So auch die Seelige / da schon ein langsamer Tod Sie sterben machte / lebte doch in ihrer Seele noch der Glaube frisch und grün / und ließ sich durch die andächtige Seufftzer mercken. Endlich aber fiel der schöne Zweig dahin / und muste von seinem Stam abgerissen werden. Ah concidit ante diem: Ach viel zu früh hat dieser Reben Sein Leben müssen dahin geben.eine himmlisch-gesinnete Gottseligkeit spühren lassen; Sie wuste mit schuldigem Danck und Gehorsahm stets zu erkennen das Gute / so Sie von ihren Eltern genossen. Die Tugend welche Sie / nichts anders als ein Zweig den Safft aus seinem Stamm / von ihrem lieben Vater an sich genommen / äusserten sich von Tage zu Tage immer mehr bey Ihr / gleich denen Buchstaben / welche man in einen jungen Baum geschnitten. Ihre eingezogene Keuschheit vergleichte Sie einem Granatapffel-Baume / von dem es heißt: Und O unvergleichliche Gedult! die Sie sonderlich in ihren so schmertzlichen und langwierigen Krancken-Bette von sich spühren lassen. O beständiger Glaube! damit Sie an ihrem Erlösere gehangen. Je tieffer der Tod gleichsam sein Messer ansetzte Sie von ihrem Stamm abzuschneiden / je tieffer und fester senckte sich ihre Seele ein in den Baum des Lebens Christum Jesum / daran sie ein lebendiger Zweig gewesen. Ja wie ein Zweig / wenn er schon von dem Baum balb abgerissen / und nunmehro bald verdorren wil: Peritura viret: Wenn schon der Riß geschehen / Noch lässet Blühte sehen.So auch die Seelige / da schon ein langsamer Tod Sie sterben machte / lebte doch in ihrer Seele noch der Glaube frisch und grün / und ließ sich durch die andächtige Seufftzer mercken. Endlich aber fiel der schöne Zweig dahin / und muste von seinem Stam abgerissen werden. Ah concidit ante diem: Ach viel zu früh hat dieser Reben Sein Leben müssen dahin geben.<TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0065" n="59"/> eine himmlisch-gesinnete Gottseligkeit spühren lassen; Sie wuste mit schuldigem Danck und Gehorsahm stets zu erkennen das Gute / so Sie von ihren Eltern genossen. Die Tugend welche Sie / nichts anders als ein Zweig den Safft aus seinem Stamm / von ihrem lieben Vater an sich genommen / äusserten sich von Tage zu Tage immer mehr bey Ihr / gleich denen Buchstaben / welche man in einen jungen Baum geschnitten. Ihre eingezogene Keuschheit vergleichte Sie einem Granatapffel-Baume / von dem es heißt:</p> <l>Tutius sub umbra: Nicht zu bekandt Gibt sichern Stand.</l> <p>Und O unvergleichliche Gedult! die Sie sonderlich in ihren so schmertzlichen und langwierigen Krancken-Bette von sich spühren lassen. O beständiger Glaube! damit Sie an ihrem Erlösere gehangen. Je tieffer der Tod gleichsam sein Messer ansetzte Sie von ihrem Stamm abzuschneiden / je tieffer und fester senckte sich ihre Seele ein in den Baum des Lebens Christum Jesum / daran sie ein lebendiger Zweig gewesen. Ja wie ein Zweig / wenn er schon von dem Baum balb abgerissen / und nunmehro bald verdorren wil:</p> <l>Peritura viret: Wenn schon der Riß geschehen / Noch lässet Blühte sehen.</l> <p>So auch die Seelige / da schon ein langsamer Tod Sie sterben machte / lebte doch in ihrer Seele noch der Glaube frisch und grün / und ließ sich durch die andächtige Seufftzer mercken. Endlich aber fiel der schöne Zweig dahin / und muste von seinem Stam abgerissen werden.</p> <l>Ah concidit ante diem: Ach viel zu früh hat dieser Reben Sein Leben müssen dahin geben.</l> </div> </body> </text> </TEI> [59/0065]
eine himmlisch-gesinnete Gottseligkeit spühren lassen; Sie wuste mit schuldigem Danck und Gehorsahm stets zu erkennen das Gute / so Sie von ihren Eltern genossen. Die Tugend welche Sie / nichts anders als ein Zweig den Safft aus seinem Stamm / von ihrem lieben Vater an sich genommen / äusserten sich von Tage zu Tage immer mehr bey Ihr / gleich denen Buchstaben / welche man in einen jungen Baum geschnitten. Ihre eingezogene Keuschheit vergleichte Sie einem Granatapffel-Baume / von dem es heißt:
Tutius sub umbra: Nicht zu bekandt Gibt sichern Stand. Und O unvergleichliche Gedult! die Sie sonderlich in ihren so schmertzlichen und langwierigen Krancken-Bette von sich spühren lassen. O beständiger Glaube! damit Sie an ihrem Erlösere gehangen. Je tieffer der Tod gleichsam sein Messer ansetzte Sie von ihrem Stamm abzuschneiden / je tieffer und fester senckte sich ihre Seele ein in den Baum des Lebens Christum Jesum / daran sie ein lebendiger Zweig gewesen. Ja wie ein Zweig / wenn er schon von dem Baum balb abgerissen / und nunmehro bald verdorren wil:
Peritura viret: Wenn schon der Riß geschehen / Noch lässet Blühte sehen. So auch die Seelige / da schon ein langsamer Tod Sie sterben machte / lebte doch in ihrer Seele noch der Glaube frisch und grün / und ließ sich durch die andächtige Seufftzer mercken. Endlich aber fiel der schöne Zweig dahin / und muste von seinem Stam abgerissen werden.
Ah concidit ante diem: Ach viel zu früh hat dieser Reben Sein Leben müssen dahin geben.
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Zitationshilfe: | Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/65>, abgerufen am 16.02.2025. |