Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702.

Bild:
<< vorherige Seite

den Jungen einen Vorzug haben; Ich meyne / ein alter Grübling solt eher die Grube füllen als ein junger. Allein was weiß der Tod von Ordnung und Billigkeit? Das Alter hat bey ihm so viel Respect als die Jugend / die Ingend so viel als das Alter. Der schon lange auf der Grube gangen muß öffters dem noch zur Grube folgen / der noch vielen zu folgen dachte. Ja daß der Tod sein Recht recht sehen lasse / so heißt er zuweilen Jung und Alt zugleich in die Grube gehen. Ach die heissen Witwen und Wäysen-Thränen / die schmertzliche Mutter- und Brüder-Seufftzer / so in diesen Tagen in allen Winckeln dieses Hauses vergossen und heraus gestossen worden // beklagen das / was ich itzt gesagt! Und wir / die wir itzt von zwey betrübten Gruben kommen / bezeugen es mit diesem Leid-Wesen / daß ein Grübling von 70. und eine Grüblingin von 20. Jahren in einem Augenblick in die Grube kriechen müssen. Es ist ja der weyland Edle und Hochachtbahre Herr Hanß Grübling / bey dieser Hochlöbl. Stadt Helmstädt in die 15. Jahr treu-verdienter Rahts-Cämmerer und des hiesigen Rahts-Schöppenstuhls Beysitzer / dem wir itzo zu seiner Grube begleitet haben. O schon genug wäre es / daß wir diesen missen müssen. Aber ach! dem harten Verhängniß war es noch nicht genug; Es ist auch dessen Tochter / die weyland Hoch-Ehr- und Tugendbegabte Jungfer Anna Dorothea Grüblings / welche von uns eben solchen traurigen Dienst genossen. O schmertzliche Begebenheit / daß eine so wolgerahtene Tochter zur unschuldgen Vater-Mörderinn werden müssen! Wie kan ich diß anders ansehen? Die Tochter erkrancket anfangs nur an einem äusserlichen Gliede / der Vater gar am Hertzen; Die Tochter stirbt; der Vater auch. Doch wie könte es anders seyn? Wenn die Tochter zur Trauung gehet / so ist der Vater Braut-Führer. Wer kan denn diesem Vater solche Ehre absprechen /

den Jungen einen Vorzug haben; Ich meyne / ein alter Grübling solt eher die Grube füllen als ein junger. Allein was weiß der Tod von Ordnung und Billigkeit? Das Alter hat bey ihm so viel Respect als die Jugend / die Ingend so viel als das Alter. Der schon lange auf der Grube gangen muß öffters dem noch zur Grube folgen / der noch vielen zu folgen dachte. Ja daß der Tod sein Recht recht sehen lasse / so heißt er zuweilen Jung und Alt zugleich in die Grube gehen. Ach die heissen Witwen und Wäysen-Thränen / die schmertzliche Mutter- und Brüder-Seufftzer / so in diesen Tagen in allen Winckeln dieses Hauses vergossen und heraus gestossen worden // beklagen das / was ich itzt gesagt! Und wir / die wir itzt von zwey betrübten Gruben kommen / bezeugen es mit diesem Leid-Wesen / daß ein Grübling von 70. und eine Grüblingin von 20. Jahren in einem Augenblick in die Grube kriechen müssen. Es ist ja der weyland Edle und Hochachtbahre Herr Hanß Grübling / bey dieser Hochlöbl. Stadt Helmstädt in die 15. Jahr treu-verdienter Rahts-Cämmerer und des hiesigen Rahts-Schöppenstuhls Beysitzer / dem wir itzo zu seiner Grube begleitet haben. O schon genug wäre es / daß wir diesen missen müssen. Aber ach! dem harten Verhängniß war es noch nicht genug; Es ist auch dessen Tochter / die weyland Hoch-Ehr- und Tugendbegabte Jungfer Anna Dorothea Grüblings / welche von uns eben solchen traurigen Dienst genossen. O schmertzliche Begebenheit / daß eine so wolgerahtene Tochter zur unschuldgen Vater-Mörderinn werden müssen! Wie kan ich diß anders ansehen? Die Tochter erkrancket anfangs nur an einem äusserlichen Gliede / der Vater gar am Hertzen; Die Tochter stirbt; der Vater auch. Doch wie könte es anders seyn? Weñ die Tochter zur Trauung gehet / so ist der Vater Braut-Führer. Wer kan deñ diesem Vater solche Ehre absprechen /

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0061" n="55"/>
den Jungen einen Vorzug haben; Ich
                     meyne / ein alter Grübling solt eher die Grube füllen als ein junger. Allein was
                     weiß der Tod von Ordnung und Billigkeit? Das Alter hat bey ihm so viel Respect
                     als die Jugend / die Ingend so viel als das Alter. Der schon lange auf der Grube
                     gangen muß öffters dem noch zur Grube folgen / der noch vielen zu folgen dachte.
                     Ja daß der Tod sein Recht recht sehen lasse / so heißt er zuweilen Jung und Alt
                     zugleich in die Grube gehen. Ach die heissen Witwen und Wäysen-Thränen / die
                     schmertzliche Mutter- und Brüder-Seufftzer / so in diesen Tagen in allen
                     Winckeln dieses Hauses vergossen und heraus gestossen worden // beklagen das /
                     was ich itzt gesagt! Und wir / die wir itzt von zwey betrübten Gruben kommen /
                     bezeugen es mit diesem Leid-Wesen / daß ein Grübling von 70. und eine Grüblingin
                     von 20. Jahren in einem Augenblick in die Grube kriechen müssen. Es ist ja der
                     weyland Edle und Hochachtbahre Herr Hanß Grübling / bey dieser Hochlöbl. Stadt
                     Helmstädt in die 15. Jahr treu-verdienter Rahts-Cämmerer und des hiesigen
                     Rahts-Schöppenstuhls Beysitzer / dem wir itzo zu seiner Grube begleitet haben. O
                     schon genug wäre es / daß wir diesen missen müssen. Aber ach! dem harten
                     Verhängniß war es noch nicht genug; Es ist auch dessen Tochter / die weyland
                     Hoch-Ehr- und Tugendbegabte Jungfer Anna Dorothea Grüblings / welche von uns
                     eben solchen traurigen Dienst genossen. O schmertzliche Begebenheit / daß eine
                     so wolgerahtene Tochter zur unschuldgen Vater-Mörderinn werden müssen! Wie kan
                     ich diß anders ansehen? Die Tochter erkrancket anfangs nur an einem äusserlichen
                     Gliede / der Vater gar am Hertzen; Die Tochter stirbt; der Vater auch. Doch wie
                     könte es anders seyn? Wen&#x0303; die Tochter zur Trauung gehet / so ist
                     der Vater Braut-Führer. Wer kan den&#x0303; diesem Vater solche Ehre
                     absprechen /
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0061] den Jungen einen Vorzug haben; Ich meyne / ein alter Grübling solt eher die Grube füllen als ein junger. Allein was weiß der Tod von Ordnung und Billigkeit? Das Alter hat bey ihm so viel Respect als die Jugend / die Ingend so viel als das Alter. Der schon lange auf der Grube gangen muß öffters dem noch zur Grube folgen / der noch vielen zu folgen dachte. Ja daß der Tod sein Recht recht sehen lasse / so heißt er zuweilen Jung und Alt zugleich in die Grube gehen. Ach die heissen Witwen und Wäysen-Thränen / die schmertzliche Mutter- und Brüder-Seufftzer / so in diesen Tagen in allen Winckeln dieses Hauses vergossen und heraus gestossen worden // beklagen das / was ich itzt gesagt! Und wir / die wir itzt von zwey betrübten Gruben kommen / bezeugen es mit diesem Leid-Wesen / daß ein Grübling von 70. und eine Grüblingin von 20. Jahren in einem Augenblick in die Grube kriechen müssen. Es ist ja der weyland Edle und Hochachtbahre Herr Hanß Grübling / bey dieser Hochlöbl. Stadt Helmstädt in die 15. Jahr treu-verdienter Rahts-Cämmerer und des hiesigen Rahts-Schöppenstuhls Beysitzer / dem wir itzo zu seiner Grube begleitet haben. O schon genug wäre es / daß wir diesen missen müssen. Aber ach! dem harten Verhängniß war es noch nicht genug; Es ist auch dessen Tochter / die weyland Hoch-Ehr- und Tugendbegabte Jungfer Anna Dorothea Grüblings / welche von uns eben solchen traurigen Dienst genossen. O schmertzliche Begebenheit / daß eine so wolgerahtene Tochter zur unschuldgen Vater-Mörderinn werden müssen! Wie kan ich diß anders ansehen? Die Tochter erkrancket anfangs nur an einem äusserlichen Gliede / der Vater gar am Hertzen; Die Tochter stirbt; der Vater auch. Doch wie könte es anders seyn? Weñ die Tochter zur Trauung gehet / so ist der Vater Braut-Führer. Wer kan deñ diesem Vater solche Ehre absprechen /

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/61
Zitationshilfe: Finen, Eberhard: Helmstädtsche Denk- und Dank-Reden. Helmstedt, 1702, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/finen_dankreden_1702/61>, abgerufen am 30.11.2024.