des Tastens, nicht möglich ist, und wird dann ganz natür¬ lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten für eine Bedeutung in Betreff eines durch sie zu befrie¬ digenden allgemeinen Triebes besitzen, sondern, welchen Werth sie für das Sinnesgebiet selbst haben, auf dem sie sich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬ qualität, die durch einen Sinn wie den Tastsinn vermittelt worden ist, von den Gegenständen nicht trennen kann, an denen sie erscheint; daß man hingegen durch den Gesichts¬ sinn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum Gegenstand einer selbstständigen, von den anderen Sinnes¬ qualitäten, die in einem Gegenstande zusammentreffen, un¬ abhängigen Darstellung machen kann. Vergegenwärtigen wir uns den einfachsten Gegenstand, der sowohl Object unseres Tastsinnes als auch unseres Gesichtssinnes ist: wollten wir das, was wir die Tastvorstellung an dem Gegenstand nennen, darstellen, wie vermöchten wir dies anders zu thun, als indem wir den Gegenstand selbst wiederholten, um durch die Wiederholung dieselben Tast¬ vorstellungen hervorzurufen, die wir dem ursprünglichen Gegenstand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um einen Schritt weiter: wir besitzen gar kein Mittel, um uns einer Tastvorstellung unmittelbar zu bemächtigen; nur indirekt können wir sie wieder hervorzurufen suchen, und das, was wir dadurch erreichen, kommt im besten Falle dem gleich, was wir ursprünglich an tastbarer Wirklichkeit in unserem wahrnehmenden Bewußtsein besaßen. Das, was sich auf dem Gebiet des Tastsinnes als unmöglich erweist,
Fiedler, Ursprung. 6
des Taſtens, nicht möglich iſt, und wird dann ganz natür¬ lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten für eine Bedeutung in Betreff eines durch ſie zu befrie¬ digenden allgemeinen Triebes beſitzen, ſondern, welchen Werth ſie für das Sinnesgebiet ſelbſt haben, auf dem ſie ſich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬ qualität, die durch einen Sinn wie den Taſtſinn vermittelt worden iſt, von den Gegenſtänden nicht trennen kann, an denen ſie erſcheint; daß man hingegen durch den Geſichts¬ ſinn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum Gegenſtand einer ſelbſtſtändigen, von den anderen Sinnes¬ qualitäten, die in einem Gegenſtande zuſammentreffen, un¬ abhängigen Darſtellung machen kann. Vergegenwärtigen wir uns den einfachſten Gegenſtand, der ſowohl Object unſeres Taſtſinnes als auch unſeres Geſichtsſinnes iſt: wollten wir das, was wir die Taſtvorſtellung an dem Gegenſtand nennen, darſtellen, wie vermöchten wir dies anders zu thun, als indem wir den Gegenſtand ſelbſt wiederholten, um durch die Wiederholung dieſelben Taſt¬ vorſtellungen hervorzurufen, die wir dem urſprünglichen Gegenſtand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um einen Schritt weiter: wir beſitzen gar kein Mittel, um uns einer Taſtvorſtellung unmittelbar zu bemächtigen; nur indirekt können wir ſie wieder hervorzurufen ſuchen, und das, was wir dadurch erreichen, kommt im beſten Falle dem gleich, was wir urſprünglich an taſtbarer Wirklichkeit in unſerem wahrnehmenden Bewußtſein beſaßen. Das, was ſich auf dem Gebiet des Taſtſinnes als unmöglich erweiſt,
Fiedler, Urſprung. 6
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des Taſtens, nicht möglich iſt, und wird dann ganz natür¬
lich auf die Frage kommen, nicht, was jene Fähigkeiten
für eine Bedeutung in Betreff eines durch ſie zu befrie¬
digenden allgemeinen Triebes beſitzen, ſondern, welchen
Werth ſie für das Sinnesgebiet ſelbſt haben, auf dem
ſie ſich zeigen. Man muß bedenken, daß man die Sinnes¬
qualität, die durch einen Sinn wie den Taſtſinn vermittelt
worden iſt, von den Gegenſtänden nicht trennen kann, an
denen ſie erſcheint; daß man hingegen durch den Geſichts¬
ſinn eine Art Wirklichkeitsmaterial erhält, welches man zum
Gegenſtand einer ſelbſtſtändigen, von den anderen Sinnes¬
qualitäten, die in einem Gegenſtande zuſammentreffen, un¬
abhängigen Darſtellung machen kann. Vergegenwärtigen
wir uns den einfachſten Gegenſtand, der ſowohl Object
unſeres Taſtſinnes als auch unſeres Geſichtsſinnes iſt:
wollten wir das, was wir die Taſtvorſtellung an dem
Gegenſtand nennen, darſtellen, wie vermöchten wir dies
anders zu thun, als indem wir den Gegenſtand ſelbſt
wiederholten, um durch die Wiederholung dieſelben Taſt¬
vorſtellungen hervorzurufen, die wir dem urſprünglichen
Gegenſtand verdankten? Wir gelangen dabei nicht um
einen Schritt weiter: wir beſitzen gar kein Mittel, um
uns einer Taſtvorſtellung unmittelbar zu bemächtigen; nur
indirekt können wir ſie wieder hervorzurufen ſuchen, und
das, was wir dadurch erreichen, kommt im beſten Falle dem
gleich, was wir urſprünglich an taſtbarer Wirklichkeit in
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/93>, abgerufen am 16.07.2024.
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