ihrer selbst zu kommen und in demselben von uns festge¬ halten werden zu können. Der Unterschied besteht aber darin, daß auf dem Gebiet des Tastsinns eine Möglichkeit zu einer weiteren Entwickelung des durch denselben ge¬ gebenen Wirklichkeitsmateriales nicht vorhanden ist, während sich für das, was der Gesichtssinn liefert, wie wir sehen werden, die Aussicht eröffnet, zu einer in dem sinnlichen Stoff selbst sich darstellenden Ausdrucksform zu gelangen. Der Tastsinn liefert uns Empfindungen und Wahrneh¬ mungen, er verfügt aber über keinerlei Mittel, durch die in einem Product ein Seiendes als ein Tastbares gestaltet, eine Tastvorstellung als solche realisirt werden könnte. Wenn wir von Widerstand, von Härte, Weichheit, Glätte, Rauhheit u. s. w. sprechen, wenn wir den Tastorganen die Wahrnehmung von Formen verdanken, die wir mit eben, gebogen, kugelförmig u. s. w. bezeichnen, so meinen wir unzweifelhaft, in diesen Bezeichnungen den Ausdruck von Vorstellungen zu besitzen, die sich aus den Daten ge¬ bildet haben, die vom Tastsinn geliefert werden. Was wir aber thatsächlich in diesen Bezeichnungen besitzen, sind eben keine Tastvorstellungen, sondern Sprachvorstellungen. Gerade weil wir uns in der Unmöglichkeit befinden, aus den von dem Tastsinn gelieferten Empfindungs- und Wahr¬ nehmungsmaterial etwas zu gestalten, was, selbst wiederum nur für den Tastsinn vorhanden, eine Tastvorstellung ge¬ nannt werden könnte, gerade um dieser Unmöglichkeit willen sehen wir uns durch das Bedürfniß, uns aus dem Zu¬ stande bloßer Empfindungs- und Wahrnehmungsvorgänge
ihrer ſelbſt zu kommen und in demſelben von uns feſtge¬ halten werden zu können. Der Unterſchied beſteht aber darin, daß auf dem Gebiet des Taſtſinns eine Möglichkeit zu einer weiteren Entwickelung des durch denſelben ge¬ gebenen Wirklichkeitsmateriales nicht vorhanden iſt, während ſich für das, was der Geſichtsſinn liefert, wie wir ſehen werden, die Ausſicht eröffnet, zu einer in dem ſinnlichen Stoff ſelbſt ſich darſtellenden Ausdrucksform zu gelangen. Der Taſtſinn liefert uns Empfindungen und Wahrneh¬ mungen, er verfügt aber über keinerlei Mittel, durch die in einem Product ein Seiendes als ein Taſtbares geſtaltet, eine Taſtvorſtellung als ſolche realiſirt werden könnte. Wenn wir von Widerſtand, von Härte, Weichheit, Glätte, Rauhheit u. ſ. w. ſprechen, wenn wir den Taſtorganen die Wahrnehmung von Formen verdanken, die wir mit eben, gebogen, kugelförmig u. ſ. w. bezeichnen, ſo meinen wir unzweifelhaft, in dieſen Bezeichnungen den Ausdruck von Vorſtellungen zu beſitzen, die ſich aus den Daten ge¬ bildet haben, die vom Taſtſinn geliefert werden. Was wir aber thatſächlich in dieſen Bezeichnungen beſitzen, ſind eben keine Taſtvorſtellungen, ſondern Sprachvorſtellungen. Gerade weil wir uns in der Unmöglichkeit befinden, aus den von dem Taſtſinn gelieferten Empfindungs- und Wahr¬ nehmungsmaterial etwas zu geſtalten, was, ſelbſt wiederum nur für den Taſtſinn vorhanden, eine Taſtvorſtellung ge¬ nannt werden könnte, gerade um dieſer Unmöglichkeit willen ſehen wir uns durch das Bedürfniß, uns aus dem Zu¬ ſtande bloßer Empfindungs- und Wahrnehmungsvorgänge
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ihrer ſelbſt zu kommen und in demſelben von uns feſtge¬
halten werden zu können. Der Unterſchied beſteht aber
darin, daß auf dem Gebiet des Taſtſinns eine Möglichkeit
zu einer weiteren Entwickelung des durch denſelben ge¬
gebenen Wirklichkeitsmateriales nicht vorhanden iſt, während
ſich für das, was der Geſichtsſinn liefert, wie wir ſehen
werden, die Ausſicht eröffnet, zu einer in dem ſinnlichen
Stoff ſelbſt ſich darſtellenden Ausdrucksform zu gelangen.
Der Taſtſinn liefert uns Empfindungen und Wahrneh¬
mungen, er verfügt aber über keinerlei Mittel, durch die
in einem Product ein Seiendes als ein Taſtbares geſtaltet,
eine Taſtvorſtellung als ſolche realiſirt werden könnte.
Wenn wir von Widerſtand, von Härte, Weichheit, Glätte,
Rauhheit u. ſ. w. ſprechen, wenn wir den Taſtorganen
die Wahrnehmung von Formen verdanken, die wir mit
eben, gebogen, kugelförmig u. ſ. w. bezeichnen, ſo meinen
wir unzweifelhaft, in dieſen Bezeichnungen den Ausdruck
von Vorſtellungen zu beſitzen, die ſich aus den Daten ge¬
bildet haben, die vom Taſtſinn geliefert werden. Was
wir aber thatſächlich in dieſen Bezeichnungen beſitzen, ſind
eben keine Taſtvorſtellungen, ſondern Sprachvorſtellungen.
Gerade weil wir uns in der Unmöglichkeit befinden, aus
den von dem Taſtſinn gelieferten Empfindungs- und Wahr¬
nehmungsmaterial etwas zu geſtalten, was, ſelbſt wiederum
nur für den Taſtſinn vorhanden, eine Taſtvorſtellung ge¬
nannt werden könnte, gerade um dieſer Unmöglichkeit willen
ſehen wir uns durch das Bedürfniß, uns aus dem Zu¬
ſtande bloßer Empfindungs- und Wahrnehmungsvorgänge
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/88>, abgerufen am 27.07.2024.
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