Erkenntniß, die Denkthätigkeit, zu erneuter Energie sich steigert; das Leben der Erkenntniß besteht in einem be¬ ständigen Suchen nach dem unerschütterlichen Boden der Wahrheit; die endgültige Beruhigung bei irgend einem Erreichten würde ihr Tod sein. Und auch den sichtbaren Besitz der Welt können wir auf keine andere Weise prüfen und uns immer von neuem erringen als durch das Sehen selbst; kein anderes sinnliches Mittel kann uns dazu ver¬ helfen, kein Tasten, kein Wägen, kein Messen, noch auch irgend ein Fühlen, Denken und Erkennen.
Wenn wir es nun versuchen, die Kraft unseres Be¬ wußtseins auf den Gesichtssinn zu concentriren, wenn wir alle Energie aufwenden, um das, was wir sehen, nicht zum Object eines anderen Sinnes zu machen, uns seiner namentlich nicht, was ja sehr nahe liegt, als etwas Greif¬ baren zu versichern, ihm keinerlei Einwirkung auf unser Gefühlsleben zu gestatten, noch auch endlich es zu benennen, und als Begriff zu fassen: so werden wir zunächst gewahr werden, daß uns dieser Zustand keineswegs ein gewohnter und natürlicher ist. Ja unter allen Erscheinungen, die wir in dem Leben unseres Geistes beobachten, unter allen Anstrengungen, die wir diesem zumuthen, findet dieses ausschließliche Beharren bei der dem Gesichtssinn sich dar¬ bietenden Erscheinung der Dinge keinen Platz; wo es uns begegnen mag, da scheint es uns eher eine Hemmung, als eine Förderung des inneren Lebens zu bedeuten. So sehr sind wir gewohnt, den gesammten Wirklichkeitsstoff, den uns das Auge liefert, anstatt uns um seiner selbst
Erkenntniß, die Denkthätigkeit, zu erneuter Energie ſich ſteigert; das Leben der Erkenntniß beſteht in einem be¬ ſtändigen Suchen nach dem unerſchütterlichen Boden der Wahrheit; die endgültige Beruhigung bei irgend einem Erreichten würde ihr Tod ſein. Und auch den ſichtbaren Beſitz der Welt können wir auf keine andere Weiſe prüfen und uns immer von neuem erringen als durch das Sehen ſelbſt; kein anderes ſinnliches Mittel kann uns dazu ver¬ helfen, kein Taſten, kein Wägen, kein Meſſen, noch auch irgend ein Fühlen, Denken und Erkennen.
Wenn wir es nun verſuchen, die Kraft unſeres Be¬ wußtſeins auf den Geſichtsſinn zu concentriren, wenn wir alle Energie aufwenden, um das, was wir ſehen, nicht zum Object eines anderen Sinnes zu machen, uns ſeiner namentlich nicht, was ja ſehr nahe liegt, als etwas Greif¬ baren zu verſichern, ihm keinerlei Einwirkung auf unſer Gefühlsleben zu geſtatten, noch auch endlich es zu benennen, und als Begriff zu faſſen: ſo werden wir zunächſt gewahr werden, daß uns dieſer Zuſtand keineswegs ein gewohnter und natürlicher iſt. Ja unter allen Erſcheinungen, die wir in dem Leben unſeres Geiſtes beobachten, unter allen Anſtrengungen, die wir dieſem zumuthen, findet dieſes ausſchließliche Beharren bei der dem Geſichtsſinn ſich dar¬ bietenden Erſcheinung der Dinge keinen Platz; wo es uns begegnen mag, da ſcheint es uns eher eine Hemmung, als eine Förderung des inneren Lebens zu bedeuten. So ſehr ſind wir gewohnt, den geſammten Wirklichkeitsſtoff, den uns das Auge liefert, anſtatt uns um ſeiner ſelbſt
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Erkenntniß, die Denkthätigkeit, zu erneuter Energie ſich
ſteigert; das Leben der Erkenntniß beſteht in einem be¬
ſtändigen Suchen nach dem unerſchütterlichen Boden der
Wahrheit; die endgültige Beruhigung bei irgend einem
Erreichten würde ihr Tod ſein. Und auch den ſichtbaren
Beſitz der Welt können wir auf keine andere Weiſe prüfen
und uns immer von neuem erringen als durch das Sehen
ſelbſt; kein anderes ſinnliches Mittel kann uns dazu ver¬
helfen, kein Taſten, kein Wägen, kein Meſſen, noch auch
irgend ein Fühlen, Denken und Erkennen.
Wenn wir es nun verſuchen, die Kraft unſeres Be¬
wußtſeins auf den Geſichtsſinn zu concentriren, wenn wir
alle Energie aufwenden, um das, was wir ſehen, nicht
zum Object eines anderen Sinnes zu machen, uns ſeiner
namentlich nicht, was ja ſehr nahe liegt, als etwas Greif¬
baren zu verſichern, ihm keinerlei Einwirkung auf unſer
Gefühlsleben zu geſtatten, noch auch endlich es zu benennen,
und als Begriff zu faſſen: ſo werden wir zunächſt gewahr
werden, daß uns dieſer Zuſtand keineswegs ein gewohnter
und natürlicher iſt. Ja unter allen Erſcheinungen, die
wir in dem Leben unſeres Geiſtes beobachten, unter allen
Anſtrengungen, die wir dieſem zumuthen, findet dieſes
ausſchließliche Beharren bei der dem Geſichtsſinn ſich dar¬
bietenden Erſcheinung der Dinge keinen Platz; wo es uns
begegnen mag, da ſcheint es uns eher eine Hemmung, als
eine Förderung des inneren Lebens zu bedeuten. So
ſehr ſind wir gewohnt, den geſammten Wirklichkeitsſtoff,
den uns das Auge liefert, anſtatt uns um ſeiner ſelbſt
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/78>, abgerufen am 16.07.2024.
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