Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.Auffassung von Formen, namentlich complicirter Art, kein Es ist nicht überflüssig, hier noch einiger Mißver¬ Auffaſſung von Formen, namentlich complicirter Art, kein Es iſt nicht überflüſſig, hier noch einiger Mißver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="61"/> Auffaſſung von Formen, namentlich complicirter Art, kein<lb/> geeignetes und hinreichendes Organ ſei, und unterſcheidet<lb/> dabei nicht hinlänglich, daß die Form, die überhaupt eine<lb/> ſichtbare Form iſt, nur dem Geſichtsſinn verdankt werden<lb/> kann, daß aber die Form, deren Entſtehung auf anderen<lb/> Sinneswahrnehmungen beruht, mit der ſichtbaren Form<lb/> gar nichts zu thun hat. Es hat gar keinen Sinn, zu ſagen,<lb/> das Auge vermöge der Form der Dinge nicht vollſtändig<lb/> gerecht zu werden, während man dieſe Form mit der<lb/> höchſten Genauigkeit meſſen und berechnen könne. Als ob<lb/> es eine Form ſchlechthin gäbe, und als ob die verſchie¬<lb/> denen Sinnesorgane nur die mehr oder minder geeigneten<lb/> Werkzeuge wären, ſich dieſe Form anzueignen. Was kann<lb/> es der Form, die durch und für das Auge entſteht, nützen,<lb/> wenn eine Form feſtgeſtellt wird, die gar nicht als eine<lb/> ſichtbare in unſer wahrnehmendes und vorſtellendes Be¬<lb/> wußtſein treten kann?</p><lb/> <p>Es iſt nicht überflüſſig, hier noch einiger Mißver¬<lb/> ſtändniſſe zu gedenken, denen man wohl begegnet. Man<lb/> kann die Behauptung aufſtellen hören, für die Wiedergabe<lb/> ſowohl der ſtereometriſchen als auch der auf eine Fläche<lb/> projicirten Form eines Körpers ſei ein mechaniſches Ver¬<lb/> fahren wie in jenem Falle das der Abformung, in dieſem<lb/> das der Photographie, das zuverläſſigſte Mittel. Nun iſt<lb/> klar, daß, wenn ich einen Gegenſtand abforme, ich damit<lb/> zwar einen zweiten taſtbaren und auch ſichtbaren Gegen¬<lb/> ſtand, keineswegs aber einen Ausdruck des Geſichtsbildes<lb/> herſtelle, welches ich von dem Gegenſtand empfange. Ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [61/0073]
Auffaſſung von Formen, namentlich complicirter Art, kein
geeignetes und hinreichendes Organ ſei, und unterſcheidet
dabei nicht hinlänglich, daß die Form, die überhaupt eine
ſichtbare Form iſt, nur dem Geſichtsſinn verdankt werden
kann, daß aber die Form, deren Entſtehung auf anderen
Sinneswahrnehmungen beruht, mit der ſichtbaren Form
gar nichts zu thun hat. Es hat gar keinen Sinn, zu ſagen,
das Auge vermöge der Form der Dinge nicht vollſtändig
gerecht zu werden, während man dieſe Form mit der
höchſten Genauigkeit meſſen und berechnen könne. Als ob
es eine Form ſchlechthin gäbe, und als ob die verſchie¬
denen Sinnesorgane nur die mehr oder minder geeigneten
Werkzeuge wären, ſich dieſe Form anzueignen. Was kann
es der Form, die durch und für das Auge entſteht, nützen,
wenn eine Form feſtgeſtellt wird, die gar nicht als eine
ſichtbare in unſer wahrnehmendes und vorſtellendes Be¬
wußtſein treten kann?
Es iſt nicht überflüſſig, hier noch einiger Mißver¬
ſtändniſſe zu gedenken, denen man wohl begegnet. Man
kann die Behauptung aufſtellen hören, für die Wiedergabe
ſowohl der ſtereometriſchen als auch der auf eine Fläche
projicirten Form eines Körpers ſei ein mechaniſches Ver¬
fahren wie in jenem Falle das der Abformung, in dieſem
das der Photographie, das zuverläſſigſte Mittel. Nun iſt
klar, daß, wenn ich einen Gegenſtand abforme, ich damit
zwar einen zweiten taſtbaren und auch ſichtbaren Gegen¬
ſtand, keineswegs aber einen Ausdruck des Geſichtsbildes
herſtelle, welches ich von dem Gegenſtand empfange. Ich
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