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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

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borgenen Täuschungen unterworfen, als die sind, gegen
die wir auf dem Gebiete unserer sogenannten geistigen
Operationen beständig auf der Hut sein müssen.

Ueber manche Beschränkungen, denen unsere sinnliche
Auffassungsfähigkeit unterliegt, täuschen wir uns freilich
nicht. Wir wissen recht gut, daß wir das, was sich unseren
Sinnen zunächst als ein zusammengesetztes und mannich¬
faltiges Ganzes darbietet, zerstören müssen, sobald wir es
näher zu ergreifen trachten. Nur so lange wir unsere
Aufmerksamkeit in einem gewissen Mittelstadium der Stärke
erhalten, vermögen wir einen combinirten Sinneseindruck
von einigem Umfange als ein Ganzes aufzufassen. Suchen
wir die Intensität der sinnlichen Wahrnehmung zu steigern,
so sehen wir uns gezwungen, von dem Ganzen auf seine
Theile überzugehen, und je genauer wir wahrzunehmen
suchen, desto mehr scheint sich der Umfang dessen zusammen¬
zuziehen, was wir noch wahrnehmen können. Auf der
anderen Seite müssen wir auch den qualitativ gemischten
Sinneseindruck in seine Bestandtheile auflösen, um ihm
näher zu kommen; jeder Versuch, das, was sich als ein
sinnlich Vielfaches in einer gewissen Entfernung zeigt, uns
in seinem gesammten sinnlichen Reichthum nahe und immer
näher zu bringen, muß mißlingen. Indem wir die sinn¬
liche Mannichfaltigkeit eines Eindrucks als solche zu er¬
fassen und uns anzueignen suchen, vermögen wir doch nur
eine einzelne Sinnesqualität zu ergreifen. Zu Gunsten
dieser einen treten die anderen zurück; ja sie werden bis
zu beinahe gänzlichem Verschwinden aus der Wahrnehmung

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borgenen Täuſchungen unterworfen, als die ſind, gegen
die wir auf dem Gebiete unſerer ſogenannten geiſtigen
Operationen beſtändig auf der Hut ſein müſſen.

Ueber manche Beſchränkungen, denen unſere ſinnliche
Auffaſſungsfähigkeit unterliegt, täuſchen wir uns freilich
nicht. Wir wiſſen recht gut, daß wir das, was ſich unſeren
Sinnen zunächſt als ein zuſammengeſetztes und mannich¬
faltiges Ganzes darbietet, zerſtören müſſen, ſobald wir es
näher zu ergreifen trachten. Nur ſo lange wir unſere
Aufmerkſamkeit in einem gewiſſen Mittelſtadium der Stärke
erhalten, vermögen wir einen combinirten Sinneseindruck
von einigem Umfange als ein Ganzes aufzufaſſen. Suchen
wir die Intenſität der ſinnlichen Wahrnehmung zu ſteigern,
ſo ſehen wir uns gezwungen, von dem Ganzen auf ſeine
Theile überzugehen, und je genauer wir wahrzunehmen
ſuchen, deſto mehr ſcheint ſich der Umfang deſſen zuſammen¬
zuziehen, was wir noch wahrnehmen können. Auf der
anderen Seite müſſen wir auch den qualitativ gemiſchten
Sinneseindruck in ſeine Beſtandtheile auflöſen, um ihm
näher zu kommen; jeder Verſuch, das, was ſich als ein
ſinnlich Vielfaches in einer gewiſſen Entfernung zeigt, uns
in ſeinem geſammten ſinnlichen Reichthum nahe und immer
näher zu bringen, muß mißlingen. Indem wir die ſinn¬
liche Mannichfaltigkeit eines Eindrucks als ſolche zu er¬
faſſen und uns anzueignen ſuchen, vermögen wir doch nur
eine einzelne Sinnesqualität zu ergreifen. Zu Gunſten
dieſer einen treten die anderen zurück; ja ſie werden bis
zu beinahe gänzlichem Verſchwinden aus der Wahrnehmung

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[51/0063] borgenen Täuſchungen unterworfen, als die ſind, gegen die wir auf dem Gebiete unſerer ſogenannten geiſtigen Operationen beſtändig auf der Hut ſein müſſen. Ueber manche Beſchränkungen, denen unſere ſinnliche Auffaſſungsfähigkeit unterliegt, täuſchen wir uns freilich nicht. Wir wiſſen recht gut, daß wir das, was ſich unſeren Sinnen zunächſt als ein zuſammengeſetztes und mannich¬ faltiges Ganzes darbietet, zerſtören müſſen, ſobald wir es näher zu ergreifen trachten. Nur ſo lange wir unſere Aufmerkſamkeit in einem gewiſſen Mittelſtadium der Stärke erhalten, vermögen wir einen combinirten Sinneseindruck von einigem Umfange als ein Ganzes aufzufaſſen. Suchen wir die Intenſität der ſinnlichen Wahrnehmung zu ſteigern, ſo ſehen wir uns gezwungen, von dem Ganzen auf ſeine Theile überzugehen, und je genauer wir wahrzunehmen ſuchen, deſto mehr ſcheint ſich der Umfang deſſen zuſammen¬ zuziehen, was wir noch wahrnehmen können. Auf der anderen Seite müſſen wir auch den qualitativ gemiſchten Sinneseindruck in ſeine Beſtandtheile auflöſen, um ihm näher zu kommen; jeder Verſuch, das, was ſich als ein ſinnlich Vielfaches in einer gewiſſen Entfernung zeigt, uns in ſeinem geſammten ſinnlichen Reichthum nahe und immer näher zu bringen, muß mißlingen. Indem wir die ſinn¬ liche Mannichfaltigkeit eines Eindrucks als ſolche zu er¬ faſſen und uns anzueignen ſuchen, vermögen wir doch nur eine einzelne Sinnesqualität zu ergreifen. Zu Gunſten dieſer einen treten die anderen zurück; ja ſie werden bis zu beinahe gänzlichem Verſchwinden aus der Wahrnehmung 4*

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Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/63>, abgerufen am 21.11.2024.