Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

stellungsfähigkeit eine Art Vorstufe gegeben sei, während
es dem Denken und der Erkenntniß vorbehalten bleibe,
dieses selbe Sein erst nach seinem wahren Wesen zu einem
geistigen Besitz zu machen. Wenn wir nun gleichwohl ein
Abhängigkeitsverhältniß zwischen Denken und Vorstellen
thatsächlich beobachten, wenn wir sehen, wie sich an Be¬
griffe, an Denkvorgänge, Vorstellungsvorgänge anknüpfen,
wie umgekehrt mit Vorstellungen, mögen sie auf unmittel¬
barer Wahrnehmung oder auf Reproduction beruhen, Worte,
Begriffe, Denkoperationen in das Bewußtsein treten, so
werden wir darin doch eben nichts anderes sehen, als eine
thatsächliche Zusammengehörigkeit so verschiedener Vorgänge
oder Vorkommnisse in unserem Bewußtsein. Worauf diese
Zusammengehörigkeit beruht, dies zu untersuchen, ist hier
nicht der Ort; jedenfalls aber müssen wir dieselbe nicht
nur als eine psychische, sondern auch als eine physische
Zusammengehörigkeit auffassen und zwar nicht nur in dem
Sinne, daß in Folge eines durchgehenden Parallelismus
zwischen geistigen und leiblichen Vorgängen, da wo ein
geistiger Zusammenhang vorliege, auch auf einen Zu¬
sammenhang leiblicher Natur geschlossen werden müsse. Das
Zugeständniß eines nothwendigen Parallelismus zwischen
geistigen Vorgängen und Vorgängen im leiblichen Organ
schließt nicht aus, daß man im Grunde doch nur an ein
zeitweiliges, gezwungenes Zusammensein zweier in ihrem
inneren Wesen getrennter unvereinbarer Elemente glaubt.
Man spricht von dieser Zusammengehörigkeit unter der
Voraussetzung, daß körperliche und geistige Vorgänge ver¬

ſtellungsfähigkeit eine Art Vorſtufe gegeben ſei, während
es dem Denken und der Erkenntniß vorbehalten bleibe,
dieſes ſelbe Sein erſt nach ſeinem wahren Weſen zu einem
geiſtigen Beſitz zu machen. Wenn wir nun gleichwohl ein
Abhängigkeitsverhältniß zwiſchen Denken und Vorſtellen
thatſächlich beobachten, wenn wir ſehen, wie ſich an Be¬
griffe, an Denkvorgänge, Vorſtellungsvorgänge anknüpfen,
wie umgekehrt mit Vorſtellungen, mögen ſie auf unmittel¬
barer Wahrnehmung oder auf Reproduction beruhen, Worte,
Begriffe, Denkoperationen in das Bewußtſein treten, ſo
werden wir darin doch eben nichts anderes ſehen, als eine
thatſächliche Zuſammengehörigkeit ſo verſchiedener Vorgänge
oder Vorkommniſſe in unſerem Bewußtſein. Worauf dieſe
Zuſammengehörigkeit beruht, dies zu unterſuchen, iſt hier
nicht der Ort; jedenfalls aber müſſen wir dieſelbe nicht
nur als eine pſychiſche, ſondern auch als eine phyſiſche
Zuſammengehörigkeit auffaſſen und zwar nicht nur in dem
Sinne, daß in Folge eines durchgehenden Parallelismus
zwiſchen geiſtigen und leiblichen Vorgängen, da wo ein
geiſtiger Zuſammenhang vorliege, auch auf einen Zu¬
ſammenhang leiblicher Natur geſchloſſen werden müſſe. Das
Zugeſtändniß eines nothwendigen Parallelismus zwiſchen
geiſtigen Vorgängen und Vorgängen im leiblichen Organ
ſchließt nicht aus, daß man im Grunde doch nur an ein
zeitweiliges, gezwungenes Zuſammenſein zweier in ihrem
inneren Weſen getrennter unvereinbarer Elemente glaubt.
Man ſpricht von dieſer Zuſammengehörigkeit unter der
Vorausſetzung, daß körperliche und geiſtige Vorgänge ver¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0050" n="38"/>
&#x017F;tellungsfähigkeit eine Art Vor&#x017F;tufe gegeben &#x017F;ei, während<lb/>
es dem Denken und der Erkenntniß vorbehalten bleibe,<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;elbe Sein er&#x017F;t nach &#x017F;einem wahren We&#x017F;en zu einem<lb/>
gei&#x017F;tigen Be&#x017F;itz zu machen. Wenn wir nun gleichwohl ein<lb/>
Abhängigkeitsverhältniß zwi&#x017F;chen Denken und Vor&#x017F;tellen<lb/>
that&#x017F;ächlich beobachten, wenn wir &#x017F;ehen, wie &#x017F;ich an Be¬<lb/>
griffe, an Denkvorgänge, Vor&#x017F;tellungsvorgänge anknüpfen,<lb/>
wie umgekehrt mit Vor&#x017F;tellungen, mögen &#x017F;ie auf unmittel¬<lb/>
barer Wahrnehmung oder auf Reproduction beruhen, Worte,<lb/>
Begriffe, Denkoperationen in das Bewußt&#x017F;ein treten, &#x017F;o<lb/>
werden wir darin doch eben nichts anderes &#x017F;ehen, als eine<lb/>
that&#x017F;ächliche Zu&#x017F;ammengehörigkeit &#x017F;o ver&#x017F;chiedener Vorgänge<lb/>
oder Vorkommni&#x017F;&#x017F;e in un&#x017F;erem Bewußt&#x017F;ein. Worauf die&#x017F;e<lb/>
Zu&#x017F;ammengehörigkeit beruht, dies zu unter&#x017F;uchen, i&#x017F;t hier<lb/>
nicht der Ort; jedenfalls aber mü&#x017F;&#x017F;en wir die&#x017F;elbe nicht<lb/>
nur als eine p&#x017F;ychi&#x017F;che, &#x017F;ondern auch als eine phy&#x017F;i&#x017F;che<lb/>
Zu&#x017F;ammengehörigkeit auffa&#x017F;&#x017F;en und zwar nicht nur in dem<lb/>
Sinne, daß in Folge eines durchgehenden Parallelismus<lb/>
zwi&#x017F;chen gei&#x017F;tigen und leiblichen Vorgängen, da wo ein<lb/>
gei&#x017F;tiger Zu&#x017F;ammenhang vorliege, auch auf einen Zu¬<lb/>
&#x017F;ammenhang leiblicher Natur ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden mü&#x017F;&#x017F;e. Das<lb/>
Zuge&#x017F;tändniß eines nothwendigen Parallelismus zwi&#x017F;chen<lb/>
gei&#x017F;tigen Vorgängen und Vorgängen im leiblichen Organ<lb/>
&#x017F;chließt nicht aus, daß man im Grunde doch nur an ein<lb/>
zeitweiliges, gezwungenes Zu&#x017F;ammen&#x017F;ein zweier in ihrem<lb/>
inneren We&#x017F;en getrennter unvereinbarer Elemente glaubt.<lb/>
Man &#x017F;pricht von die&#x017F;er Zu&#x017F;ammengehörigkeit unter der<lb/>
Voraus&#x017F;etzung, daß körperliche und gei&#x017F;tige Vorgänge ver¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0050] ſtellungsfähigkeit eine Art Vorſtufe gegeben ſei, während es dem Denken und der Erkenntniß vorbehalten bleibe, dieſes ſelbe Sein erſt nach ſeinem wahren Weſen zu einem geiſtigen Beſitz zu machen. Wenn wir nun gleichwohl ein Abhängigkeitsverhältniß zwiſchen Denken und Vorſtellen thatſächlich beobachten, wenn wir ſehen, wie ſich an Be¬ griffe, an Denkvorgänge, Vorſtellungsvorgänge anknüpfen, wie umgekehrt mit Vorſtellungen, mögen ſie auf unmittel¬ barer Wahrnehmung oder auf Reproduction beruhen, Worte, Begriffe, Denkoperationen in das Bewußtſein treten, ſo werden wir darin doch eben nichts anderes ſehen, als eine thatſächliche Zuſammengehörigkeit ſo verſchiedener Vorgänge oder Vorkommniſſe in unſerem Bewußtſein. Worauf dieſe Zuſammengehörigkeit beruht, dies zu unterſuchen, iſt hier nicht der Ort; jedenfalls aber müſſen wir dieſelbe nicht nur als eine pſychiſche, ſondern auch als eine phyſiſche Zuſammengehörigkeit auffaſſen und zwar nicht nur in dem Sinne, daß in Folge eines durchgehenden Parallelismus zwiſchen geiſtigen und leiblichen Vorgängen, da wo ein geiſtiger Zuſammenhang vorliege, auch auf einen Zu¬ ſammenhang leiblicher Natur geſchloſſen werden müſſe. Das Zugeſtändniß eines nothwendigen Parallelismus zwiſchen geiſtigen Vorgängen und Vorgängen im leiblichen Organ ſchließt nicht aus, daß man im Grunde doch nur an ein zeitweiliges, gezwungenes Zuſammenſein zweier in ihrem inneren Weſen getrennter unvereinbarer Elemente glaubt. Man ſpricht von dieſer Zuſammengehörigkeit unter der Vorausſetzung, daß körperliche und geiſtige Vorgänge ver¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/50
Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/50>, abgerufen am 18.12.2024.