unserer geistigen Operationen nicht mehr in der Wirklich¬ keit schlechthin, sondern in der als Erscheinung, Vorstellung gegebenen Wirklichkeit zu erblicken. Man geräth da nur aus einem Dogmatismus in den anderen und bleibt zu¬ dem in dem sonderbaren Irrthum befangen, daß man geistige Thätigkeit und Objecte einer geistigen Thätigkeit sich als zweierlei Dinge gegenüberstellen könne, während geistige Thätigkeit abgesehen von einem sogenannten Object, und ein sogenanntes Object abgesehen von einer geistigen Thätig¬ keit ganz unverständliche Worte sind.
In der That stehen der Annahme, daß dem ewig veränderlichen geistigen Besitz gegenüber das sinnliche Phä¬ nomen der Welt eine gegebene Größe sei, erhebliche Be¬ denken entgegen. Wenn wir sagen, daß das Denken die Vorstellungen beherrscht, sie als den ihm zu Gebote stehen¬ den, vorhandenen Stoff behandelt, sie vor das Forum des Bewußtseins citirt, um sie zu ordnen und in unablässiger Arbeit in denjenigen Zusammenhang zu bringen, in welchem sie dem erkenntnißbedürftigen Geist Genüge zu thun geeignet sind, so dürfen wir doch nicht vergessen, daß wir uns nur einer bildlichen Ausdrucksweise bedienen. Sobald wir näher zusehen, müssen wir uns eingestehen, daß das Bild eher geeignet ist, den thatsächlichen Vorgang zu verhüllen, als denselben anschaulich zu machen. Denn sobald wir versuchen, das, was wir als sich gegenüberstehend betrachten, die Welt des Denkens und die Welt der sinnlichen Vor¬ stellungen zu trennen und gesondert zu betrachten, so finden wir zwar auf der Seite des Denkens die bestimmten Werthe
unſerer geiſtigen Operationen nicht mehr in der Wirklich¬ keit ſchlechthin, ſondern in der als Erſcheinung, Vorſtellung gegebenen Wirklichkeit zu erblicken. Man geräth da nur aus einem Dogmatismus in den anderen und bleibt zu¬ dem in dem ſonderbaren Irrthum befangen, daß man geiſtige Thätigkeit und Objecte einer geiſtigen Thätigkeit ſich als zweierlei Dinge gegenüberſtellen könne, während geiſtige Thätigkeit abgeſehen von einem ſogenannten Object, und ein ſogenanntes Object abgeſehen von einer geiſtigen Thätig¬ keit ganz unverſtändliche Worte ſind.
In der That ſtehen der Annahme, daß dem ewig veränderlichen geiſtigen Beſitz gegenüber das ſinnliche Phä¬ nomen der Welt eine gegebene Größe ſei, erhebliche Be¬ denken entgegen. Wenn wir ſagen, daß das Denken die Vorſtellungen beherrſcht, ſie als den ihm zu Gebote ſtehen¬ den, vorhandenen Stoff behandelt, ſie vor das Forum des Bewußtſeins citirt, um ſie zu ordnen und in unabläſſiger Arbeit in denjenigen Zuſammenhang zu bringen, in welchem ſie dem erkenntnißbedürftigen Geiſt Genüge zu thun geeignet ſind, ſo dürfen wir doch nicht vergeſſen, daß wir uns nur einer bildlichen Ausdrucksweiſe bedienen. Sobald wir näher zuſehen, müſſen wir uns eingeſtehen, daß das Bild eher geeignet iſt, den thatſächlichen Vorgang zu verhüllen, als denſelben anſchaulich zu machen. Denn ſobald wir verſuchen, das, was wir als ſich gegenüberſtehend betrachten, die Welt des Denkens und die Welt der ſinnlichen Vor¬ ſtellungen zu trennen und geſondert zu betrachten, ſo finden wir zwar auf der Seite des Denkens die beſtimmten Werthe
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unſerer geiſtigen Operationen nicht mehr in der Wirklich¬
keit ſchlechthin, ſondern in der als Erſcheinung, Vorſtellung
gegebenen Wirklichkeit zu erblicken. Man geräth da nur
aus einem Dogmatismus in den anderen und bleibt zu¬
dem in dem ſonderbaren Irrthum befangen, daß man geiſtige
Thätigkeit und Objecte einer geiſtigen Thätigkeit ſich als
zweierlei Dinge gegenüberſtellen könne, während geiſtige
Thätigkeit abgeſehen von einem ſogenannten Object, und
ein ſogenanntes Object abgeſehen von einer geiſtigen Thätig¬
keit ganz unverſtändliche Worte ſind.
In der That ſtehen der Annahme, daß dem ewig
veränderlichen geiſtigen Beſitz gegenüber das ſinnliche Phä¬
nomen der Welt eine gegebene Größe ſei, erhebliche Be¬
denken entgegen. Wenn wir ſagen, daß das Denken die
Vorſtellungen beherrſcht, ſie als den ihm zu Gebote ſtehen¬
den, vorhandenen Stoff behandelt, ſie vor das Forum des
Bewußtſeins citirt, um ſie zu ordnen und in unabläſſiger
Arbeit in denjenigen Zuſammenhang zu bringen, in welchem
ſie dem erkenntnißbedürftigen Geiſt Genüge zu thun geeignet
ſind, ſo dürfen wir doch nicht vergeſſen, daß wir uns nur
einer bildlichen Ausdrucksweiſe bedienen. Sobald wir
näher zuſehen, müſſen wir uns eingeſtehen, daß das Bild
eher geeignet iſt, den thatſächlichen Vorgang zu verhüllen,
als denſelben anſchaulich zu machen. Denn ſobald wir
verſuchen, das, was wir als ſich gegenüberſtehend betrachten,
die Welt des Denkens und die Welt der ſinnlichen Vor¬
ſtellungen zu trennen und geſondert zu betrachten, ſo finden
wir zwar auf der Seite des Denkens die beſtimmten Werthe
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/44>, abgerufen am 16.07.2024.
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