Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.2. Die sehr verbreitete Ueberschätzung des theoretischen 2. Die ſehr verbreitete Ueberſchätzung des theoretiſchen <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0036" n="[24]"/> <div n="1"> <head>2.<lb/></head> <p>Die ſehr verbreitete Ueberſchätzung des theoretiſchen<lb/> Wiſſens und Erkennens ſchlägt leicht bei denen in eine<lb/> Unterſchätzung um, die es in ſeinem eigentlichen Weſen<lb/> durchſchaut haben. In der That hat die Erkenntniß, daß<lb/> aller theoretiſche Wirklichkeitsbeſitz ein Wortbeſitz iſt, etwas<lb/> Entmuthigendes. Selbſt da, wo man mit dem Denken der<lb/> Sinnlichkeit unmittelbar nahe iſt, wo man in demſelben<lb/> Augenblick, in welchem ein concreter Beſtandtheil des Den¬<lb/> kens vor das Bewußtſein tritt, unwillkürlich den Uebergang<lb/> zu einem ſinnlich Gegebenen macht, wo alſo das ſinnlich<lb/> Gegebene recht eigentlich der Gegenſtand ſelbſt des Denkens<lb/> zu ſein ſcheint; ſelbſt da ſieht man ſich durch die einfache<lb/> Thatſache, daß man ſich denkend verhält, durch eine nicht<lb/> auszufüllende Kluft von dem ſinnlichen Stoff der Er¬<lb/> fahrung getrennt. Das, was ſich den Sinnen in ſeiner<lb/> eigenſten Naturgeſtalt offenbart, unterliegt, wie ſchon er¬<lb/> wähnt, durch die bloße Berührung des denkenden Geiſtes<lb/> einer Verwandlung, und das, was man thatſächlich beſitzt,<lb/> erinnert in nichts mehr an das, was man hat ergreifen<lb/> wollen. Sind nicht diejenigen im Recht, die ſich allen<lb/> Denkens und Wiſſens entſchlagen und die Wirklichkeit nur<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [[24]/0036]
2.
Die ſehr verbreitete Ueberſchätzung des theoretiſchen
Wiſſens und Erkennens ſchlägt leicht bei denen in eine
Unterſchätzung um, die es in ſeinem eigentlichen Weſen
durchſchaut haben. In der That hat die Erkenntniß, daß
aller theoretiſche Wirklichkeitsbeſitz ein Wortbeſitz iſt, etwas
Entmuthigendes. Selbſt da, wo man mit dem Denken der
Sinnlichkeit unmittelbar nahe iſt, wo man in demſelben
Augenblick, in welchem ein concreter Beſtandtheil des Den¬
kens vor das Bewußtſein tritt, unwillkürlich den Uebergang
zu einem ſinnlich Gegebenen macht, wo alſo das ſinnlich
Gegebene recht eigentlich der Gegenſtand ſelbſt des Denkens
zu ſein ſcheint; ſelbſt da ſieht man ſich durch die einfache
Thatſache, daß man ſich denkend verhält, durch eine nicht
auszufüllende Kluft von dem ſinnlichen Stoff der Er¬
fahrung getrennt. Das, was ſich den Sinnen in ſeiner
eigenſten Naturgeſtalt offenbart, unterliegt, wie ſchon er¬
wähnt, durch die bloße Berührung des denkenden Geiſtes
einer Verwandlung, und das, was man thatſächlich beſitzt,
erinnert in nichts mehr an das, was man hat ergreifen
wollen. Sind nicht diejenigen im Recht, die ſich allen
Denkens und Wiſſens entſchlagen und die Wirklichkeit nur
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