in dieser Form zu dem stolzen Bau der in dem ganzen Reichthum ihrer Erscheinungen und in der unendlichen Complication ihrer Zusammenhänge erkannten Welt ver¬ arbeitet wird? Aber wenn es auch das unmittelbare Wirk¬ lichkeitsbewußtsein ist, welches sich einer Verwandlung unterwirft, um in der sprachlichen Form eine bestimmte und faßbare Gestalt zu gewinnen, so findet diese Ver¬ wandlung doch nicht so statt, daß im Augenblick ihres Eintretens der gesammte zur Hervorbringung des Wortes erforderliche Bewußtseinsinhalt in der neuen Form ohne Rest aufginge und an seine Stelle die Bezeichnung träte. Die Entstehung der Sprache gleicht nicht einem Krystalli¬ sationsproceß, in dem die Stoffe zu einer bestimmten Form zusammentreten, um nur noch in dieser Form fortzube¬ stehen; vielmehr gleicht das Wort der Blüthe, der Frucht einer Pflanze; diese entwickelt in der Blüthe, in der Frucht etwas aus sich heraus, was sie selbst nicht mehr ist, es tritt eine Metamorphose ein, aber sie selbst geht dabei nicht zu Grunde. Alle die unendlich complicirten Vor¬ gänge unseres Gefühls- und Darstellungslebens, aus denen das Wort als festes Gebilde hervortritt, bilden nach wie vor den uns unmittelbar gegebenen und doch in keine Form zu fassenden Inhalt der Welt. Wenn wir ein Gefühl, eine Vorstellung benennen, so kommt dies dem Gefühl als solchem, der Vorstellung als solcher nicht zu gute. Fest und bestimmt am Wort ist nur das Wort selbst, und wenn wir die Aufmerksamkeit unseres Bewußtseins dem soge¬ nannten Inhalt des Wortes zuwenden, so finden wir den¬
in dieſer Form zu dem ſtolzen Bau der in dem ganzen Reichthum ihrer Erſcheinungen und in der unendlichen Complication ihrer Zuſammenhänge erkannten Welt ver¬ arbeitet wird? Aber wenn es auch das unmittelbare Wirk¬ lichkeitsbewußtſein iſt, welches ſich einer Verwandlung unterwirft, um in der ſprachlichen Form eine beſtimmte und faßbare Geſtalt zu gewinnen, ſo findet dieſe Ver¬ wandlung doch nicht ſo ſtatt, daß im Augenblick ihres Eintretens der geſammte zur Hervorbringung des Wortes erforderliche Bewußtſeinsinhalt in der neuen Form ohne Reſt aufginge und an ſeine Stelle die Bezeichnung träte. Die Entſtehung der Sprache gleicht nicht einem Kryſtalli¬ ſationsproceß, in dem die Stoffe zu einer beſtimmten Form zuſammentreten, um nur noch in dieſer Form fortzube¬ ſtehen; vielmehr gleicht das Wort der Blüthe, der Frucht einer Pflanze; dieſe entwickelt in der Blüthe, in der Frucht etwas aus ſich heraus, was ſie ſelbſt nicht mehr iſt, es tritt eine Metamorphoſe ein, aber ſie ſelbſt geht dabei nicht zu Grunde. Alle die unendlich complicirten Vor¬ gänge unſeres Gefühls- und Darſtellungslebens, aus denen das Wort als feſtes Gebilde hervortritt, bilden nach wie vor den uns unmittelbar gegebenen und doch in keine Form zu faſſenden Inhalt der Welt. Wenn wir ein Gefühl, eine Vorſtellung benennen, ſo kommt dies dem Gefühl als ſolchem, der Vorſtellung als ſolcher nicht zu gute. Feſt und beſtimmt am Wort iſt nur das Wort ſelbſt, und wenn wir die Aufmerkſamkeit unſeres Bewußtſeins dem ſoge¬ nannten Inhalt des Wortes zuwenden, ſo finden wir den¬
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[14/0026]
in dieſer Form zu dem ſtolzen Bau der in dem ganzen
Reichthum ihrer Erſcheinungen und in der unendlichen
Complication ihrer Zuſammenhänge erkannten Welt ver¬
arbeitet wird? Aber wenn es auch das unmittelbare Wirk¬
lichkeitsbewußtſein iſt, welches ſich einer Verwandlung
unterwirft, um in der ſprachlichen Form eine beſtimmte
und faßbare Geſtalt zu gewinnen, ſo findet dieſe Ver¬
wandlung doch nicht ſo ſtatt, daß im Augenblick ihres
Eintretens der geſammte zur Hervorbringung des Wortes
erforderliche Bewußtſeinsinhalt in der neuen Form ohne
Reſt aufginge und an ſeine Stelle die Bezeichnung träte.
Die Entſtehung der Sprache gleicht nicht einem Kryſtalli¬
ſationsproceß, in dem die Stoffe zu einer beſtimmten Form
zuſammentreten, um nur noch in dieſer Form fortzube¬
ſtehen; vielmehr gleicht das Wort der Blüthe, der Frucht
einer Pflanze; dieſe entwickelt in der Blüthe, in der Frucht
etwas aus ſich heraus, was ſie ſelbſt nicht mehr iſt, es
tritt eine Metamorphoſe ein, aber ſie ſelbſt geht dabei
nicht zu Grunde. Alle die unendlich complicirten Vor¬
gänge unſeres Gefühls- und Darſtellungslebens, aus denen
das Wort als feſtes Gebilde hervortritt, bilden nach wie
vor den uns unmittelbar gegebenen und doch in keine Form
zu faſſenden Inhalt der Welt. Wenn wir ein Gefühl,
eine Vorſtellung benennen, ſo kommt dies dem Gefühl als
ſolchem, der Vorſtellung als ſolcher nicht zu gute. Feſt
und beſtimmt am Wort iſt nur das Wort ſelbſt, und wenn
wir die Aufmerkſamkeit unſeres Bewußtſeins dem ſoge¬
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/26>, abgerufen am 16.07.2024.
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