einer Welt sichtbarer Dinge in uns bildet. Es ist klar, daß damit die Bedeutung der Kunst eine ganz andere für uns wird; an die Stelle des vielseitigen Interesses, welches wir an ihren Schöpfungen nahmen, tritt ein einseitiges; anstatt aber unser Bewußtsein zu verwirren und zu ver¬ dunkeln, und uns schließlich zu einem passiven Zustande des Genießens herabzudrücken, erhebt sie sich zu einer productiven Macht in uns und lehrt uns in einer be¬ stimmten Weise das Seiende zur Klarheit und Gewißheit entwickeln.
Bedenken wir nun, daß, wenn der Kunst eine Be¬ deutung für den geistigen Zustand der Menschen im all¬ gemeinen zugeschrieben wird, diese Bedeutung doch in dem Sinne verstanden zu werden pflegt, daß sie in der Ge¬ sammtheit geistigen und seelischen Lebens zur Geltung komme: so scheint der Kunst überhaupt alle und jede Be¬ deutung abgesprochen zu werden, sofern wir ihre eigent¬ liche fachgemäße Wirkung darin erblicken, daß sie den Menschen dem Zusammenhange seiner vielfältigen Inter¬ essen entreißt und ihm das Dasein in einer durchaus ein¬ seitigen Weise zum Bewußtsein bringt. Die Frage wird uns nahe treten, welchen Werth der Mensch einer Thätig¬ keit beilegen könne, durch welche die Sichtbarkeit der Dinge jene bildnerische Entwickelung findet.
Es ist klar, daß der vielfache Einfluß, der von der Kunst auf das Gesammtleben der Menschen thatsächlich ausgeht, und in welchem Bestimmung, Werth und Be¬ deutung der Kunst zu erkennen, ganz selbstverständlich er¬
einer Welt ſichtbarer Dinge in uns bildet. Es iſt klar, daß damit die Bedeutung der Kunſt eine ganz andere für uns wird; an die Stelle des vielſeitigen Intereſſes, welches wir an ihren Schöpfungen nahmen, tritt ein einſeitiges; anſtatt aber unſer Bewußtſein zu verwirren und zu ver¬ dunkeln, und uns ſchließlich zu einem paſſiven Zuſtande des Genießens herabzudrücken, erhebt ſie ſich zu einer productiven Macht in uns und lehrt uns in einer be¬ ſtimmten Weiſe das Seiende zur Klarheit und Gewißheit entwickeln.
Bedenken wir nun, daß, wenn der Kunſt eine Be¬ deutung für den geiſtigen Zuſtand der Menſchen im all¬ gemeinen zugeſchrieben wird, dieſe Bedeutung doch in dem Sinne verſtanden zu werden pflegt, daß ſie in der Ge¬ ſammtheit geiſtigen und ſeeliſchen Lebens zur Geltung komme: ſo ſcheint der Kunſt überhaupt alle und jede Be¬ deutung abgeſprochen zu werden, ſofern wir ihre eigent¬ liche fachgemäße Wirkung darin erblicken, daß ſie den Menſchen dem Zuſammenhange ſeiner vielfältigen Inter¬ eſſen entreißt und ihm das Daſein in einer durchaus ein¬ ſeitigen Weiſe zum Bewußtſein bringt. Die Frage wird uns nahe treten, welchen Werth der Menſch einer Thätig¬ keit beilegen könne, durch welche die Sichtbarkeit der Dinge jene bildneriſche Entwickelung findet.
Es iſt klar, daß der vielfache Einfluß, der von der Kunſt auf das Geſammtleben der Menſchen thatſächlich ausgeht, und in welchem Beſtimmung, Werth und Be¬ deutung der Kunſt zu erkennen, ganz ſelbſtverſtändlich er¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0183"n="171"/>
einer Welt ſichtbarer Dinge in uns bildet. Es iſt klar,<lb/>
daß damit die Bedeutung der Kunſt eine ganz andere für<lb/>
uns wird; an die Stelle des vielſeitigen Intereſſes, welches<lb/>
wir an ihren Schöpfungen nahmen, tritt ein einſeitiges;<lb/>
anſtatt aber unſer Bewußtſein zu verwirren und zu ver¬<lb/>
dunkeln, und uns ſchließlich zu einem paſſiven Zuſtande<lb/>
des Genießens herabzudrücken, erhebt ſie ſich zu einer<lb/>
productiven Macht in uns und lehrt uns in einer be¬<lb/>ſtimmten Weiſe das Seiende zur Klarheit und Gewißheit<lb/>
entwickeln.</p><lb/><p>Bedenken wir nun, daß, wenn der Kunſt eine Be¬<lb/>
deutung für den geiſtigen Zuſtand der Menſchen im all¬<lb/>
gemeinen zugeſchrieben wird, dieſe Bedeutung doch in dem<lb/>
Sinne verſtanden zu werden pflegt, daß ſie in der Ge¬<lb/>ſammtheit geiſtigen und ſeeliſchen Lebens zur Geltung<lb/>
komme: ſo ſcheint der Kunſt überhaupt alle und jede Be¬<lb/>
deutung abgeſprochen zu werden, ſofern wir ihre eigent¬<lb/>
liche fachgemäße Wirkung darin erblicken, daß ſie den<lb/>
Menſchen dem Zuſammenhange ſeiner vielfältigen Inter¬<lb/>
eſſen entreißt und ihm das Daſein in einer durchaus ein¬<lb/>ſeitigen Weiſe zum Bewußtſein bringt. Die Frage wird<lb/>
uns nahe treten, welchen Werth der Menſch einer Thätig¬<lb/>
keit beilegen könne, durch welche die Sichtbarkeit der Dinge<lb/>
jene bildneriſche Entwickelung findet.</p><lb/><p>Es iſt klar, daß der vielfache Einfluß, der von der<lb/>
Kunſt auf das Geſammtleben der Menſchen thatſächlich<lb/>
ausgeht, und in welchem Beſtimmung, Werth und Be¬<lb/>
deutung der Kunſt zu erkennen, ganz ſelbſtverſtändlich er¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0183]
einer Welt ſichtbarer Dinge in uns bildet. Es iſt klar,
daß damit die Bedeutung der Kunſt eine ganz andere für
uns wird; an die Stelle des vielſeitigen Intereſſes, welches
wir an ihren Schöpfungen nahmen, tritt ein einſeitiges;
anſtatt aber unſer Bewußtſein zu verwirren und zu ver¬
dunkeln, und uns ſchließlich zu einem paſſiven Zuſtande
des Genießens herabzudrücken, erhebt ſie ſich zu einer
productiven Macht in uns und lehrt uns in einer be¬
ſtimmten Weiſe das Seiende zur Klarheit und Gewißheit
entwickeln.
Bedenken wir nun, daß, wenn der Kunſt eine Be¬
deutung für den geiſtigen Zuſtand der Menſchen im all¬
gemeinen zugeſchrieben wird, dieſe Bedeutung doch in dem
Sinne verſtanden zu werden pflegt, daß ſie in der Ge¬
ſammtheit geiſtigen und ſeeliſchen Lebens zur Geltung
komme: ſo ſcheint der Kunſt überhaupt alle und jede Be¬
deutung abgeſprochen zu werden, ſofern wir ihre eigent¬
liche fachgemäße Wirkung darin erblicken, daß ſie den
Menſchen dem Zuſammenhange ſeiner vielfältigen Inter¬
eſſen entreißt und ihm das Daſein in einer durchaus ein¬
ſeitigen Weiſe zum Bewußtſein bringt. Die Frage wird
uns nahe treten, welchen Werth der Menſch einer Thätig¬
keit beilegen könne, durch welche die Sichtbarkeit der Dinge
jene bildneriſche Entwickelung findet.
Es iſt klar, daß der vielfache Einfluß, der von der
Kunſt auf das Geſammtleben der Menſchen thatſächlich
ausgeht, und in welchem Beſtimmung, Werth und Be¬
deutung der Kunſt zu erkennen, ganz ſelbſtverſtändlich er¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/183>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.