ergriffen fühlen von der Vorstellung der Thätigkeit, aus der jene Werke hervorgegangen sind. Indem er sich diese Thätigkeit zu vergegenwärtigen, ihr zu folgen sucht, wird er unwillkürlich hinweggeführt aus allen den Gebieten des Fühlens und Denkens, in denen er sonst der Wirklichkeit gegenüber verharrt, mehr und mehr löst sich die Verwirrung, in der für sein Bewußtsein die Sichtbarkeit der Dinge verstrickt war; er sieht sich thatsächlich in die reine Welt der Kunst erhoben, in der sich die Erscheinungen der Dinge seinem verstehenden Auge zur Bestimmtheit, zur Ordnung, zur Gesetzmäßigkeit gezwungen darbieten. Hier, aber auch nur hier, wird die Kunst zur Offenbarung; sie zeigt das wirklich gethan, wohin das Bedürfniß des Geistes drängt, in ihr findet eine immer lebendige Frage, die von dem Gesichtssinn an die sichtbare Welt gestellt wird, immer erneute Beantwortung.
Auf Grund einer solchen Beziehung zur Kunst wird es möglich, auf dem weiten Gebiete der Production, auf dem, wie auf allen Gebieten menschlichen Strebens, neben der Stärke die Schwäche, neben dem Gelingen die Ver¬ irrung, neben dem Ernst der Trug liegt, diejenige Orien¬ tirung zu gewinnen, die dem Wesen der Kunst entspricht. Unter welchem noch so fremdartigen Gewand, in welchen noch so seltsamen Verbindungen irgend ein echtes Zeugniß künstlerischen Strebens den verwandten Geist trifft, da erfolgt ein unmittelbares Erkennen. Alle die tausendfäl¬ tigen Verschiedenheiten, die Zeit und Ort der Entstehung, Zugehörigkeit zu den mannichfaltigsten Stoffgebieten mit
Fiedler, Ursprung. 10
ergriffen fühlen von der Vorſtellung der Thätigkeit, aus der jene Werke hervorgegangen ſind. Indem er ſich dieſe Thätigkeit zu vergegenwärtigen, ihr zu folgen ſucht, wird er unwillkürlich hinweggeführt aus allen den Gebieten des Fühlens und Denkens, in denen er ſonſt der Wirklichkeit gegenüber verharrt, mehr und mehr löſt ſich die Verwirrung, in der für ſein Bewußtſein die Sichtbarkeit der Dinge verſtrickt war; er ſieht ſich thatſächlich in die reine Welt der Kunſt erhoben, in der ſich die Erſcheinungen der Dinge ſeinem verſtehenden Auge zur Beſtimmtheit, zur Ordnung, zur Geſetzmäßigkeit gezwungen darbieten. Hier, aber auch nur hier, wird die Kunſt zur Offenbarung; ſie zeigt das wirklich gethan, wohin das Bedürfniß des Geiſtes drängt, in ihr findet eine immer lebendige Frage, die von dem Geſichtsſinn an die ſichtbare Welt geſtellt wird, immer erneute Beantwortung.
Auf Grund einer ſolchen Beziehung zur Kunſt wird es möglich, auf dem weiten Gebiete der Production, auf dem, wie auf allen Gebieten menſchlichen Strebens, neben der Stärke die Schwäche, neben dem Gelingen die Ver¬ irrung, neben dem Ernſt der Trug liegt, diejenige Orien¬ tirung zu gewinnen, die dem Weſen der Kunſt entſpricht. Unter welchem noch ſo fremdartigen Gewand, in welchen noch ſo ſeltſamen Verbindungen irgend ein echtes Zeugniß künſtleriſchen Strebens den verwandten Geiſt trifft, da erfolgt ein unmittelbares Erkennen. Alle die tauſendfäl¬ tigen Verſchiedenheiten, die Zeit und Ort der Entſtehung, Zugehörigkeit zu den mannichfaltigſten Stoffgebieten mit
Fiedler, Urſprung. 10
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ergriffen fühlen von der Vorſtellung der Thätigkeit, aus
der jene Werke hervorgegangen ſind. Indem er ſich dieſe
Thätigkeit zu vergegenwärtigen, ihr zu folgen ſucht, wird
er unwillkürlich hinweggeführt aus allen den Gebieten des
Fühlens und Denkens, in denen er ſonſt der Wirklichkeit
gegenüber verharrt, mehr und mehr löſt ſich die Verwirrung,
in der für ſein Bewußtſein die Sichtbarkeit der Dinge
verſtrickt war; er ſieht ſich thatſächlich in die reine Welt
der Kunſt erhoben, in der ſich die Erſcheinungen der Dinge
ſeinem verſtehenden Auge zur Beſtimmtheit, zur Ordnung,
zur Geſetzmäßigkeit gezwungen darbieten. Hier, aber auch
nur hier, wird die Kunſt zur Offenbarung; ſie zeigt das
wirklich gethan, wohin das Bedürfniß des Geiſtes drängt,
in ihr findet eine immer lebendige Frage, die von dem
Geſichtsſinn an die ſichtbare Welt geſtellt wird, immer
erneute Beantwortung.
Auf Grund einer ſolchen Beziehung zur Kunſt wird
es möglich, auf dem weiten Gebiete der Production, auf
dem, wie auf allen Gebieten menſchlichen Strebens, neben
der Stärke die Schwäche, neben dem Gelingen die Ver¬
irrung, neben dem Ernſt der Trug liegt, diejenige Orien¬
tirung zu gewinnen, die dem Weſen der Kunſt entſpricht.
Unter welchem noch ſo fremdartigen Gewand, in welchen
noch ſo ſeltſamen Verbindungen irgend ein echtes Zeugniß
künſtleriſchen Strebens den verwandten Geiſt trifft, da
erfolgt ein unmittelbares Erkennen. Alle die tauſendfäl¬
tigen Verſchiedenheiten, die Zeit und Ort der Entſtehung,
Zugehörigkeit zu den mannichfaltigſten Stoffgebieten mit
Fiedler, Urſprung. 10
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/157>, abgerufen am 16.07.2024.
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