suche Spielraum, der Kunst von Standpunkten aus gerecht zu werden, um die es dem Künstler gar nicht zu thun ist.
Ist aber jedes Verständniß der künstlerischen Thätig¬ keit von vornherein Vielen verschlossen, so ist das höchste erschöpfende Verständniß eines Kunstwerkes dem vorbe¬ halten, der das Kunstwerk hervorbringt. Der Künstler so gut wie Jeder, in dem sich das geistige Leben nach einer bestimmten Richtung hin über das gewöhnliche Maß ent¬ wickelt zeigt, eilt den Anderen voraus, und wird somit immer nur allein da anlangen können, bis wohin es ihm überhaupt zu kommen vergönnt ist. Welcher Künstler, auch wenn er Theilnahme, Beifall, Bewunderung findet, hat das Bewußtsein, ganz verstanden zu werden? Bleibt nicht das, was er da erreicht hat, wo seine Fähigkeiten sich zur höchsten Thätigkeit entwickelten, sein ausschlie߬ liches Geheimniß? Fühlt er nicht, daß er da, alle anderen Menschen gleichsam im Dunkel hinter sich lassend, zu einer Höhe künstlerischer Erkenntniß emporgestiegen ist, deren eben nur er in seiner Thätigkeit theilhaftig werden kann? Alles Verständniß, was ihm zu Theil wird, kann immer nur darauf beruhen, daß Andere sich einigermaßen in die besondere Entwickelung seines Bewußtseins einzuleben ver¬ mögen, die sich in seiner Thätigkeit vollzieht. Es wird immer nur ein annäherndes bleiben, weil jener Entwicke¬ lungsproceß selbst sich eben nur durch das eine Individuum bis zu der erreichten Höhe vollziehen konnte.
Sind es nun die Künstler, die vor allen Anderen dieses annähernden Verständnisses für die künstlerischen
ſuche Spielraum, der Kunſt von Standpunkten aus gerecht zu werden, um die es dem Künſtler gar nicht zu thun iſt.
Iſt aber jedes Verſtändniß der künſtleriſchen Thätig¬ keit von vornherein Vielen verſchloſſen, ſo iſt das höchſte erſchöpfende Verſtändniß eines Kunſtwerkes dem vorbe¬ halten, der das Kunſtwerk hervorbringt. Der Künſtler ſo gut wie Jeder, in dem ſich das geiſtige Leben nach einer beſtimmten Richtung hin über das gewöhnliche Maß ent¬ wickelt zeigt, eilt den Anderen voraus, und wird ſomit immer nur allein da anlangen können, bis wohin es ihm überhaupt zu kommen vergönnt iſt. Welcher Künſtler, auch wenn er Theilnahme, Beifall, Bewunderung findet, hat das Bewußtſein, ganz verſtanden zu werden? Bleibt nicht das, was er da erreicht hat, wo ſeine Fähigkeiten ſich zur höchſten Thätigkeit entwickelten, ſein ausſchlie߬ liches Geheimniß? Fühlt er nicht, daß er da, alle anderen Menſchen gleichſam im Dunkel hinter ſich laſſend, zu einer Höhe künſtleriſcher Erkenntniß emporgeſtiegen iſt, deren eben nur er in ſeiner Thätigkeit theilhaftig werden kann? Alles Verſtändniß, was ihm zu Theil wird, kann immer nur darauf beruhen, daß Andere ſich einigermaßen in die beſondere Entwickelung ſeines Bewußtſeins einzuleben ver¬ mögen, die ſich in ſeiner Thätigkeit vollzieht. Es wird immer nur ein annäherndes bleiben, weil jener Entwicke¬ lungsproceß ſelbſt ſich eben nur durch das eine Individuum bis zu der erreichten Höhe vollziehen konnte.
Sind es nun die Künſtler, die vor allen Anderen dieſes annähernden Verſtändniſſes für die künſtleriſchen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0155"n="143"/>ſuche Spielraum, der Kunſt von Standpunkten aus gerecht<lb/>
zu werden, um die es dem Künſtler gar nicht zu thun iſt.</p><lb/><p>Iſt aber jedes Verſtändniß der künſtleriſchen Thätig¬<lb/>
keit von vornherein Vielen verſchloſſen, ſo iſt das höchſte<lb/>
erſchöpfende Verſtändniß eines Kunſtwerkes dem vorbe¬<lb/>
halten, der das Kunſtwerk hervorbringt. Der Künſtler ſo<lb/>
gut wie Jeder, in dem ſich das geiſtige Leben nach einer<lb/>
beſtimmten Richtung hin über das gewöhnliche Maß ent¬<lb/>
wickelt zeigt, eilt den Anderen voraus, und wird ſomit<lb/>
immer nur allein da anlangen können, bis wohin es ihm<lb/>
überhaupt zu kommen vergönnt iſt. Welcher Künſtler,<lb/>
auch wenn er Theilnahme, Beifall, Bewunderung findet,<lb/>
hat das Bewußtſein, ganz verſtanden zu werden? Bleibt<lb/>
nicht das, was er da erreicht hat, wo ſeine Fähigkeiten<lb/>ſich zur höchſten Thätigkeit entwickelten, ſein ausſchlie߬<lb/>
liches Geheimniß? Fühlt er nicht, daß er da, alle anderen<lb/>
Menſchen gleichſam im Dunkel hinter ſich laſſend, zu einer<lb/>
Höhe künſtleriſcher Erkenntniß emporgeſtiegen iſt, deren<lb/>
eben nur er in ſeiner Thätigkeit theilhaftig werden kann?<lb/>
Alles Verſtändniß, was ihm zu Theil wird, kann immer<lb/>
nur darauf beruhen, daß Andere ſich einigermaßen in die<lb/>
beſondere Entwickelung ſeines Bewußtſeins einzuleben ver¬<lb/>
mögen, die ſich in ſeiner Thätigkeit vollzieht. Es wird<lb/>
immer nur ein annäherndes bleiben, weil jener Entwicke¬<lb/>
lungsproceß ſelbſt ſich eben nur durch das eine Individuum<lb/>
bis zu der erreichten Höhe vollziehen konnte.</p><lb/><p>Sind es nun die Künſtler, die vor allen Anderen<lb/>
dieſes annähernden Verſtändniſſes für die künſtleriſchen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[143/0155]
ſuche Spielraum, der Kunſt von Standpunkten aus gerecht
zu werden, um die es dem Künſtler gar nicht zu thun iſt.
Iſt aber jedes Verſtändniß der künſtleriſchen Thätig¬
keit von vornherein Vielen verſchloſſen, ſo iſt das höchſte
erſchöpfende Verſtändniß eines Kunſtwerkes dem vorbe¬
halten, der das Kunſtwerk hervorbringt. Der Künſtler ſo
gut wie Jeder, in dem ſich das geiſtige Leben nach einer
beſtimmten Richtung hin über das gewöhnliche Maß ent¬
wickelt zeigt, eilt den Anderen voraus, und wird ſomit
immer nur allein da anlangen können, bis wohin es ihm
überhaupt zu kommen vergönnt iſt. Welcher Künſtler,
auch wenn er Theilnahme, Beifall, Bewunderung findet,
hat das Bewußtſein, ganz verſtanden zu werden? Bleibt
nicht das, was er da erreicht hat, wo ſeine Fähigkeiten
ſich zur höchſten Thätigkeit entwickelten, ſein ausſchlie߬
liches Geheimniß? Fühlt er nicht, daß er da, alle anderen
Menſchen gleichſam im Dunkel hinter ſich laſſend, zu einer
Höhe künſtleriſcher Erkenntniß emporgeſtiegen iſt, deren
eben nur er in ſeiner Thätigkeit theilhaftig werden kann?
Alles Verſtändniß, was ihm zu Theil wird, kann immer
nur darauf beruhen, daß Andere ſich einigermaßen in die
beſondere Entwickelung ſeines Bewußtſeins einzuleben ver¬
mögen, die ſich in ſeiner Thätigkeit vollzieht. Es wird
immer nur ein annäherndes bleiben, weil jener Entwicke¬
lungsproceß ſelbſt ſich eben nur durch das eine Individuum
bis zu der erreichten Höhe vollziehen konnte.
Sind es nun die Künſtler, die vor allen Anderen
dieſes annähernden Verſtändniſſes für die künſtleriſchen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/155>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.