Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht aufzugeben vermag, daß durch die geistigen Gebilde,
die er in seinem Inneren wahrnimmt, seien es Wahr¬
nehmungen, Vorstellungen, Begriffe, ein Seiendes bezeich¬
net wird, welches eben doch ein anderes als diese geistigen
Gebilde, von diesen unterschieden sei. Will man einen
Schritt weiter thun, um aus jenem Zweierlei eines Wahr¬
nehmenden und eines Wahrgenommenen herauszukommen,
so muß man zu einer weiteren, aus jener Einsicht sich er¬
gebenden Consequenz schreiten: sofern wir von irgend einem
Seienden keinerlei Kunde haben, als vermöge der Wirkungen,
die wir empfangen, so kann es für uns auch keinerlei Sei¬
endes geben, welches durch irgend ein in uns bewirktes
geistiges Gebilde bezeichnet würde, vielmehr kann alles
Sein und alle Wirklichkeit aus keinem anderen Stoff und
keinen anderen Bestandtheilen bestehen, als aus den geistigen
Gebilden, in denen die Wirkungen sich darstellen, die wir
empfangen. Wenn so die gesammte Wirklichkeit mit den
in unserem Bewußtsein erscheinenden oder vielmehr unser
Bewußtsein bildenden Wirkungen, beziehentlich den Formen
zusammenfällt, zu denen sich diese Wirkungen entwickeln,
so ist die Zwiespältigkeit der Welt in der That zur Ein¬
heit geworden. Indessen, wenn wir auch die Nothwendig¬
keit dieser Folgerungen nicht anfechten können, so bedarf
es doch mancher Ueberlegungen, um in uns die lebendige
Ueberzeugung hervorzubringen, daß all unser Besitz an
Wirklichkeit nicht nur auf Vorgängen in uns beruht, son¬
dern auch mit den Formen identisch ist, in denen diese
Vorgänge auftreten.

1 *

nicht aufzugeben vermag, daß durch die geiſtigen Gebilde,
die er in ſeinem Inneren wahrnimmt, ſeien es Wahr¬
nehmungen, Vorſtellungen, Begriffe, ein Seiendes bezeich¬
net wird, welches eben doch ein anderes als dieſe geiſtigen
Gebilde, von dieſen unterſchieden ſei. Will man einen
Schritt weiter thun, um aus jenem Zweierlei eines Wahr¬
nehmenden und eines Wahrgenommenen herauszukommen,
ſo muß man zu einer weiteren, aus jener Einſicht ſich er¬
gebenden Conſequenz ſchreiten: ſofern wir von irgend einem
Seienden keinerlei Kunde haben, als vermöge der Wirkungen,
die wir empfangen, ſo kann es für uns auch keinerlei Sei¬
endes geben, welches durch irgend ein in uns bewirktes
geiſtiges Gebilde bezeichnet würde, vielmehr kann alles
Sein und alle Wirklichkeit aus keinem anderen Stoff und
keinen anderen Beſtandtheilen beſtehen, als aus den geiſtigen
Gebilden, in denen die Wirkungen ſich darſtellen, die wir
empfangen. Wenn ſo die geſammte Wirklichkeit mit den
in unſerem Bewußtſein erſcheinenden oder vielmehr unſer
Bewußtſein bildenden Wirkungen, beziehentlich den Formen
zuſammenfällt, zu denen ſich dieſe Wirkungen entwickeln,
ſo iſt die Zwieſpältigkeit der Welt in der That zur Ein¬
heit geworden. Indeſſen, wenn wir auch die Nothwendig¬
keit dieſer Folgerungen nicht anfechten können, ſo bedarf
es doch mancher Ueberlegungen, um in uns die lebendige
Ueberzeugung hervorzubringen, daß all unſer Beſitz an
Wirklichkeit nicht nur auf Vorgängen in uns beruht, ſon¬
dern auch mit den Formen identiſch iſt, in denen dieſe
Vorgänge auftreten.

1 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="3"/>
nicht aufzugeben vermag, daß durch die gei&#x017F;tigen Gebilde,<lb/>
die er in &#x017F;einem Inneren wahrnimmt, &#x017F;eien es Wahr¬<lb/>
nehmungen, Vor&#x017F;tellungen, Begriffe, ein Seiendes bezeich¬<lb/>
net wird, welches eben doch ein anderes als die&#x017F;e gei&#x017F;tigen<lb/>
Gebilde, von die&#x017F;en unter&#x017F;chieden &#x017F;ei. Will man einen<lb/>
Schritt weiter thun, um aus jenem Zweierlei eines Wahr¬<lb/>
nehmenden und eines Wahrgenommenen herauszukommen,<lb/>
&#x017F;o muß man zu einer weiteren, aus jener Ein&#x017F;icht &#x017F;ich er¬<lb/>
gebenden Con&#x017F;equenz &#x017F;chreiten: &#x017F;ofern wir von irgend einem<lb/>
Seienden keinerlei Kunde haben, als vermöge der Wirkungen,<lb/>
die wir empfangen, &#x017F;o kann es für uns auch keinerlei Sei¬<lb/>
endes geben, welches durch irgend ein in uns bewirktes<lb/>
gei&#x017F;tiges Gebilde bezeichnet würde, vielmehr kann alles<lb/>
Sein und alle Wirklichkeit aus keinem anderen Stoff und<lb/>
keinen anderen Be&#x017F;tandtheilen be&#x017F;tehen, als aus den gei&#x017F;tigen<lb/>
Gebilden, in denen die Wirkungen &#x017F;ich dar&#x017F;tellen, die wir<lb/>
empfangen. Wenn &#x017F;o die ge&#x017F;ammte Wirklichkeit mit den<lb/>
in un&#x017F;erem Bewußt&#x017F;ein er&#x017F;cheinenden oder vielmehr un&#x017F;er<lb/>
Bewußt&#x017F;ein bildenden Wirkungen, beziehentlich den Formen<lb/>
zu&#x017F;ammenfällt, zu denen &#x017F;ich die&#x017F;e Wirkungen entwickeln,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t die Zwie&#x017F;pältigkeit der Welt in der That zur Ein¬<lb/>
heit geworden. Inde&#x017F;&#x017F;en, wenn wir auch die Nothwendig¬<lb/>
keit die&#x017F;er Folgerungen nicht anfechten können, &#x017F;o bedarf<lb/>
es doch mancher Ueberlegungen, um in uns die lebendige<lb/>
Ueberzeugung hervorzubringen, daß all un&#x017F;er Be&#x017F;itz an<lb/>
Wirklichkeit nicht nur auf Vorgängen in uns beruht, &#x017F;on¬<lb/>
dern auch mit den Formen identi&#x017F;ch i&#x017F;t, in denen die&#x017F;e<lb/>
Vorgänge auftreten.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">1 *<lb/></fw>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[3/0015] nicht aufzugeben vermag, daß durch die geiſtigen Gebilde, die er in ſeinem Inneren wahrnimmt, ſeien es Wahr¬ nehmungen, Vorſtellungen, Begriffe, ein Seiendes bezeich¬ net wird, welches eben doch ein anderes als dieſe geiſtigen Gebilde, von dieſen unterſchieden ſei. Will man einen Schritt weiter thun, um aus jenem Zweierlei eines Wahr¬ nehmenden und eines Wahrgenommenen herauszukommen, ſo muß man zu einer weiteren, aus jener Einſicht ſich er¬ gebenden Conſequenz ſchreiten: ſofern wir von irgend einem Seienden keinerlei Kunde haben, als vermöge der Wirkungen, die wir empfangen, ſo kann es für uns auch keinerlei Sei¬ endes geben, welches durch irgend ein in uns bewirktes geiſtiges Gebilde bezeichnet würde, vielmehr kann alles Sein und alle Wirklichkeit aus keinem anderen Stoff und keinen anderen Beſtandtheilen beſtehen, als aus den geiſtigen Gebilden, in denen die Wirkungen ſich darſtellen, die wir empfangen. Wenn ſo die geſammte Wirklichkeit mit den in unſerem Bewußtſein erſcheinenden oder vielmehr unſer Bewußtſein bildenden Wirkungen, beziehentlich den Formen zuſammenfällt, zu denen ſich dieſe Wirkungen entwickeln, ſo iſt die Zwieſpältigkeit der Welt in der That zur Ein¬ heit geworden. Indeſſen, wenn wir auch die Nothwendig¬ keit dieſer Folgerungen nicht anfechten können, ſo bedarf es doch mancher Ueberlegungen, um in uns die lebendige Ueberzeugung hervorzubringen, daß all unſer Beſitz an Wirklichkeit nicht nur auf Vorgängen in uns beruht, ſon¬ dern auch mit den Formen identiſch iſt, in denen dieſe Vorgänge auftreten. 1 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/15
Zitationshilfe: Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/15>, abgerufen am 24.11.2024.