allem und jedem, so auch schon mit den bloßen Wahr¬ nehmungen und Vorstellungen des Gesichtssinnes thun können; es bedarf dazu nicht so complicirter Thätigkeiten, wie diejenigen sind, aus denen künstlerische Leistungen her¬ vorgehen. Wohl aber bedarf es dieser Thätigkeiten, wenn es sich um Herstellung des reinen Ausdrucks der Sicht¬ barkeit einer Erscheinung handelt. Daß dieser Ausdruck keiner geistigen Thätigkeit verdankt werden kann, der wir im Interesse des Empfindens und Denkens die sichtbare Natur unterwerfen, ist selbstverständlich; denn Empfinden und Denken vernichtet, wie wir gesehen haben, die Sicht¬ barkeit der Erscheinung und setzt eine andere Form des Seins an ihre Stelle. In der bloßen Wahrnehmung und Vorstellung des Gesichtssinns liegt aber noch keinerlei Mittel, um etwas zu gewinnen, was die Sichtbarkeit eines Dinges im selbstständigen Ausdruck darstellte. Und zwar ist es Zweierlei, was uns hindert, die Sichtbarkeit der Dinge selbstständig zu erfassen, so lange sie uns nur in unseren Wahrnehmungen und Vorstellungen nahe tritt. Einmal stellen sich die sichtbaren Dinge, die sich unserem Auge zeigen, die Gesichtsvorstellungen, die in unserem Inneren erscheinen, nicht so dar, als ob sie rein um ihrer Sichtbarkeit willen vorhanden wären. Das Auge kann nichts thun, als uns Gegenstände zeigen, in denen die Sichtbarkeit doch nur eine Seite ihrer complicirten sinn¬ lichen Beschaffenheit ist, und die zugleich ein mannichfaltiges Interesse, sei es unseres Fühlens und Wollens, sei es unseres Wissens und Erkennens, in Anspruch nehmen. Und
allem und jedem, ſo auch ſchon mit den bloßen Wahr¬ nehmungen und Vorſtellungen des Geſichtsſinnes thun können; es bedarf dazu nicht ſo complicirter Thätigkeiten, wie diejenigen ſind, aus denen künſtleriſche Leiſtungen her¬ vorgehen. Wohl aber bedarf es dieſer Thätigkeiten, wenn es ſich um Herſtellung des reinen Ausdrucks der Sicht¬ barkeit einer Erſcheinung handelt. Daß dieſer Ausdruck keiner geiſtigen Thätigkeit verdankt werden kann, der wir im Intereſſe des Empfindens und Denkens die ſichtbare Natur unterwerfen, iſt ſelbſtverſtändlich; denn Empfinden und Denken vernichtet, wie wir geſehen haben, die Sicht¬ barkeit der Erſcheinung und ſetzt eine andere Form des Seins an ihre Stelle. In der bloßen Wahrnehmung und Vorſtellung des Geſichtsſinns liegt aber noch keinerlei Mittel, um etwas zu gewinnen, was die Sichtbarkeit eines Dinges im ſelbſtſtändigen Ausdruck darſtellte. Und zwar iſt es Zweierlei, was uns hindert, die Sichtbarkeit der Dinge ſelbſtſtändig zu erfaſſen, ſo lange ſie uns nur in unſeren Wahrnehmungen und Vorſtellungen nahe tritt. Einmal ſtellen ſich die ſichtbaren Dinge, die ſich unſerem Auge zeigen, die Geſichtsvorſtellungen, die in unſerem Inneren erſcheinen, nicht ſo dar, als ob ſie rein um ihrer Sichtbarkeit willen vorhanden wären. Das Auge kann nichts thun, als uns Gegenſtände zeigen, in denen die Sichtbarkeit doch nur eine Seite ihrer complicirten ſinn¬ lichen Beſchaffenheit iſt, und die zugleich ein mannichfaltiges Intereſſe, ſei es unſeres Fühlens und Wollens, ſei es unſeres Wiſſens und Erkennens, in Anſpruch nehmen. Und
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allem und jedem, ſo auch ſchon mit den bloßen Wahr¬
nehmungen und Vorſtellungen des Geſichtsſinnes thun
können; es bedarf dazu nicht ſo complicirter Thätigkeiten,
wie diejenigen ſind, aus denen künſtleriſche Leiſtungen her¬
vorgehen. Wohl aber bedarf es dieſer Thätigkeiten, wenn
es ſich um Herſtellung des reinen Ausdrucks der Sicht¬
barkeit einer Erſcheinung handelt. Daß dieſer Ausdruck
keiner geiſtigen Thätigkeit verdankt werden kann, der wir
im Intereſſe des Empfindens und Denkens die ſichtbare
Natur unterwerfen, iſt ſelbſtverſtändlich; denn Empfinden
und Denken vernichtet, wie wir geſehen haben, die Sicht¬
barkeit der Erſcheinung und ſetzt eine andere Form des
Seins an ihre Stelle. In der bloßen Wahrnehmung und
Vorſtellung des Geſichtsſinns liegt aber noch keinerlei
Mittel, um etwas zu gewinnen, was die Sichtbarkeit eines
Dinges im ſelbſtſtändigen Ausdruck darſtellte. Und zwar
iſt es Zweierlei, was uns hindert, die Sichtbarkeit der
Dinge ſelbſtſtändig zu erfaſſen, ſo lange ſie uns nur in
unſeren Wahrnehmungen und Vorſtellungen nahe tritt.
Einmal ſtellen ſich die ſichtbaren Dinge, die ſich unſerem
Auge zeigen, die Geſichtsvorſtellungen, die in unſerem
Inneren erſcheinen, nicht ſo dar, als ob ſie rein um ihrer
Sichtbarkeit willen vorhanden wären. Das Auge kann
nichts thun, als uns Gegenſtände zeigen, in denen die
Sichtbarkeit doch nur eine Seite ihrer complicirten ſinn¬
lichen Beſchaffenheit iſt, und die zugleich ein mannichfaltiges
Intereſſe, ſei es unſeres Fühlens und Wollens, ſei es
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/138>, abgerufen am 16.02.2025.
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