Diejenigen, welche es unternehmen, Wesen und Be¬ deutung der künstlerischen Thätigkeit darzulegen, pflegen von den Wirkungen auszugehen, welche durch die Kunst¬ werke auf den geistigen Zustand oder das Empfindungs¬ leben der Menschen hervorgebracht werden. Dieser Aus¬ gangspunkt ist offenbar falsch. Um unter den erfahrungs¬ mäßig sehr verschiedenartigen Wirkungen der Kunst diejenige bestimmen zu können, die dem Wesen der künstlerischen Thätigkeit gemäß ist, müßte man dieses Wesen zuvörderst erkannt haben. Dies aber wird nur dann möglich sein, wenn man, abgesehen von allen Wirkungen, die von den Resultaten der künstlerischen Thätigkeit ausgehen, die Ent¬ stehung dieser Thätigkeit selbst aus der menschlichen Natur zu durchschauen vermag. Gelingt es, den Punkt zu er¬ kennen, wo aus dem Reichthum geistig-körperlicher Mani¬ festationen, zu denen der menschliche Organismus werde¬ lustig emporstrebt, diejenige Thätigkeit sich abzusondern beginnt, die wir in ihrer weiteren Entwickelung als die künstlerische bezeichnen, so ist in der That der einzige Zu¬ gang gewonnen, der in die innere Welt jener Thätigkeit
Fiedler, Ursprung.1
1.
Diejenigen, welche es unternehmen, Weſen und Be¬ deutung der künſtleriſchen Thätigkeit darzulegen, pflegen von den Wirkungen auszugehen, welche durch die Kunſt¬ werke auf den geiſtigen Zuſtand oder das Empfindungs¬ leben der Menſchen hervorgebracht werden. Dieſer Aus¬ gangspunkt iſt offenbar falſch. Um unter den erfahrungs¬ mäßig ſehr verſchiedenartigen Wirkungen der Kunſt diejenige beſtimmen zu können, die dem Weſen der künſtleriſchen Thätigkeit gemäß iſt, müßte man dieſes Weſen zuvörderſt erkannt haben. Dies aber wird nur dann möglich ſein, wenn man, abgeſehen von allen Wirkungen, die von den Reſultaten der künſtleriſchen Thätigkeit ausgehen, die Ent¬ ſtehung dieſer Thätigkeit ſelbſt aus der menſchlichen Natur zu durchſchauen vermag. Gelingt es, den Punkt zu er¬ kennen, wo aus dem Reichthum geiſtig-körperlicher Mani¬ feſtationen, zu denen der menſchliche Organismus werde¬ luſtig emporſtrebt, diejenige Thätigkeit ſich abzuſondern beginnt, die wir in ihrer weiteren Entwickelung als die künſtleriſche bezeichnen, ſo iſt in der That der einzige Zu¬ gang gewonnen, der in die innere Welt jener Thätigkeit
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1.
Diejenigen, welche es unternehmen, Weſen und Be¬
deutung der künſtleriſchen Thätigkeit darzulegen, pflegen
von den Wirkungen auszugehen, welche durch die Kunſt¬
werke auf den geiſtigen Zuſtand oder das Empfindungs¬
leben der Menſchen hervorgebracht werden. Dieſer Aus¬
gangspunkt iſt offenbar falſch. Um unter den erfahrungs¬
mäßig ſehr verſchiedenartigen Wirkungen der Kunſt diejenige
beſtimmen zu können, die dem Weſen der künſtleriſchen
Thätigkeit gemäß iſt, müßte man dieſes Weſen zuvörderſt
erkannt haben. Dies aber wird nur dann möglich ſein,
wenn man, abgeſehen von allen Wirkungen, die von den
Reſultaten der künſtleriſchen Thätigkeit ausgehen, die Ent¬
ſtehung dieſer Thätigkeit ſelbſt aus der menſchlichen Natur
zu durchſchauen vermag. Gelingt es, den Punkt zu er¬
kennen, wo aus dem Reichthum geiſtig-körperlicher Mani¬
feſtationen, zu denen der menſchliche Organismus werde¬
luſtig emporſtrebt, diejenige Thätigkeit ſich abzuſondern
beginnt, die wir in ihrer weiteren Entwickelung als die
künſtleriſche bezeichnen, ſo iſt in der That der einzige Zu¬
gang gewonnen, der in die innere Welt jener Thätigkeit
Fiedler, Urſprung.1
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Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/13>, abgerufen am 04.03.2025.
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