des Bewußtseins zu gestalten vermag, so wird er selbst in den unbeholfensten Versuchen bildlicher Darstellung etwas anerkennen, was über die Wahrnehmung des Auges hinaus¬ geht. Wenn ihn das Auge all der Herrlichkeit gegenüber, in die es ihn mit einem Schlage versetzt, doch schlie߬ lich im Stiche läßt, wenn er auf ein stumpfes Hin¬ starren angewiesen bleibt, und das, was er durch das Auge empfängt, nur dadurch für die Entwickelung seines Be¬ wußtseins nutzbar machen kann, daß er es in ein anderes Material, das der Sprache, umsetzt: so zeigt ihm die Fähigkeit, die er in sich vorfindet, das, was er sieht, zum Gegenstand des bildenden Darstellens zu machen, den Weg, auf welchem seinem durch die Thätigkeit des Auges er¬ weckten Bewußtsein eines sichtbaren Seins eine fortschreitende Entwickelung auf der eigenen Bahn möglich ist. Auch wird er sich dessen ganz unmittelbar bewußt, daß in jenen anfänglichsten Aeußerungen der Darstellung eines Sicht¬ baren ein Vorgang, der sonst auf bestimmte Theile des menschlichen Organismus beschränkt bleibt, zum Behuf seiner eigenen Entfaltung in diesem Organismus mehr und mehr um sich greift, und schließlich zu einem äußerlich wahrnehmbaren Bewegungsvorgang wird; daß ein innerer Vorgang, um sich an das Tageslicht hervor¬ drängen zu können, sich zu einem äußerlichen Thun ent¬ wickeln muß. Irgend ein Nebengedanke von abbildender, nachahmender Thätigkeit wird in jenen ursprünglichsten Versuchen, ein Sichtbares sichtbar zur Darstellung zu bringen, durchaus nicht vorhanden sein. Diese Auffassung
des Bewußtſeins zu geſtalten vermag, ſo wird er ſelbſt in den unbeholfenſten Verſuchen bildlicher Darſtellung etwas anerkennen, was über die Wahrnehmung des Auges hinaus¬ geht. Wenn ihn das Auge all der Herrlichkeit gegenüber, in die es ihn mit einem Schlage verſetzt, doch ſchlie߬ lich im Stiche läßt, wenn er auf ein ſtumpfes Hin¬ ſtarren angewieſen bleibt, und das, was er durch das Auge empfängt, nur dadurch für die Entwickelung ſeines Be¬ wußtſeins nutzbar machen kann, daß er es in ein anderes Material, das der Sprache, umſetzt: ſo zeigt ihm die Fähigkeit, die er in ſich vorfindet, das, was er ſieht, zum Gegenſtand des bildenden Darſtellens zu machen, den Weg, auf welchem ſeinem durch die Thätigkeit des Auges er¬ weckten Bewußtſein eines ſichtbaren Seins eine fortſchreitende Entwickelung auf der eigenen Bahn möglich iſt. Auch wird er ſich deſſen ganz unmittelbar bewußt, daß in jenen anfänglichſten Aeußerungen der Darſtellung eines Sicht¬ baren ein Vorgang, der ſonſt auf beſtimmte Theile des menſchlichen Organismus beſchränkt bleibt, zum Behuf ſeiner eigenen Entfaltung in dieſem Organismus mehr und mehr um ſich greift, und ſchließlich zu einem äußerlich wahrnehmbaren Bewegungsvorgang wird; daß ein innerer Vorgang, um ſich an das Tageslicht hervor¬ drängen zu können, ſich zu einem äußerlichen Thun ent¬ wickeln muß. Irgend ein Nebengedanke von abbildender, nachahmender Thätigkeit wird in jenen urſprünglichſten Verſuchen, ein Sichtbares ſichtbar zur Darſtellung zu bringen, durchaus nicht vorhanden ſein. Dieſe Auffaſſung
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0100"n="88"/>
des Bewußtſeins zu geſtalten vermag, ſo wird er ſelbſt in<lb/>
den unbeholfenſten Verſuchen bildlicher Darſtellung etwas<lb/>
anerkennen, was über die Wahrnehmung des Auges hinaus¬<lb/>
geht. Wenn ihn das Auge all der Herrlichkeit gegenüber,<lb/>
in die es ihn mit einem Schlage verſetzt, doch ſchlie߬<lb/>
lich im Stiche läßt, wenn er auf ein ſtumpfes Hin¬<lb/>ſtarren angewieſen bleibt, und das, was er durch das Auge<lb/>
empfängt, nur dadurch für die Entwickelung ſeines Be¬<lb/>
wußtſeins nutzbar machen kann, daß er es in ein anderes<lb/>
Material, das der Sprache, umſetzt: ſo zeigt ihm die<lb/>
Fähigkeit, die er in ſich vorfindet, das, was er ſieht, zum<lb/>
Gegenſtand des bildenden Darſtellens zu machen, den Weg,<lb/>
auf welchem ſeinem durch die Thätigkeit des Auges er¬<lb/>
weckten Bewußtſein eines ſichtbaren Seins eine fortſchreitende<lb/>
Entwickelung auf der eigenen Bahn möglich iſt. Auch<lb/>
wird er ſich deſſen ganz unmittelbar bewußt, daß in jenen<lb/>
anfänglichſten Aeußerungen der Darſtellung eines Sicht¬<lb/>
baren ein Vorgang, der ſonſt auf beſtimmte Theile des<lb/>
menſchlichen Organismus beſchränkt bleibt, zum Behuf<lb/>ſeiner eigenen Entfaltung in dieſem Organismus mehr<lb/>
und mehr um ſich greift, und ſchließlich zu einem<lb/>
äußerlich wahrnehmbaren Bewegungsvorgang wird; daß<lb/>
ein innerer Vorgang, um ſich an das Tageslicht hervor¬<lb/>
drängen zu können, ſich zu einem äußerlichen Thun ent¬<lb/>
wickeln muß. Irgend ein Nebengedanke von abbildender,<lb/>
nachahmender Thätigkeit wird in jenen urſprünglichſten<lb/>
Verſuchen, ein Sichtbares ſichtbar zur Darſtellung zu<lb/>
bringen, durchaus nicht vorhanden ſein. Dieſe Auffaſſung<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0100]
des Bewußtſeins zu geſtalten vermag, ſo wird er ſelbſt in
den unbeholfenſten Verſuchen bildlicher Darſtellung etwas
anerkennen, was über die Wahrnehmung des Auges hinaus¬
geht. Wenn ihn das Auge all der Herrlichkeit gegenüber,
in die es ihn mit einem Schlage verſetzt, doch ſchlie߬
lich im Stiche läßt, wenn er auf ein ſtumpfes Hin¬
ſtarren angewieſen bleibt, und das, was er durch das Auge
empfängt, nur dadurch für die Entwickelung ſeines Be¬
wußtſeins nutzbar machen kann, daß er es in ein anderes
Material, das der Sprache, umſetzt: ſo zeigt ihm die
Fähigkeit, die er in ſich vorfindet, das, was er ſieht, zum
Gegenſtand des bildenden Darſtellens zu machen, den Weg,
auf welchem ſeinem durch die Thätigkeit des Auges er¬
weckten Bewußtſein eines ſichtbaren Seins eine fortſchreitende
Entwickelung auf der eigenen Bahn möglich iſt. Auch
wird er ſich deſſen ganz unmittelbar bewußt, daß in jenen
anfänglichſten Aeußerungen der Darſtellung eines Sicht¬
baren ein Vorgang, der ſonſt auf beſtimmte Theile des
menſchlichen Organismus beſchränkt bleibt, zum Behuf
ſeiner eigenen Entfaltung in dieſem Organismus mehr
und mehr um ſich greift, und ſchließlich zu einem
äußerlich wahrnehmbaren Bewegungsvorgang wird; daß
ein innerer Vorgang, um ſich an das Tageslicht hervor¬
drängen zu können, ſich zu einem äußerlichen Thun ent¬
wickeln muß. Irgend ein Nebengedanke von abbildender,
nachahmender Thätigkeit wird in jenen urſprünglichſten
Verſuchen, ein Sichtbares ſichtbar zur Darſtellung zu
bringen, durchaus nicht vorhanden ſein. Dieſe Auffaſſung
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fiedler, Konrad: Der Ursprung der künstlerischen Thätigkeit. Leipzig, 1887, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fiedler_kuenstlerische_1887/100>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.