uns gestellte Aufgabe also: Ohne Zweifel wer¬ den doch die Zöglinge dieser neuen Erziehung, obwohl abgesondert von der schon erwachse¬ nen Gemeinheit, dennoch untereinander selbst in Gemeinschaft leben, und so ein abgeson¬ dertes und für sich selbst bestehendes Gemein- Wesen bilden, das seine genau bestimmte, in der Natur der Dinge gegründete, und von der Vernunft durchaus geforderte Verfassung habe. Das allererste Bild einer geselligen Ord¬ nung, zu dessen Entwerfung der Geist des Zöglings angeregt werde, sey dieses der Ge¬ meine, in der er selber lebt, also, daß er in¬ nerlich gezwungen sey, diese Ordnung Punkt für Punkt gerade also sich zu bilden, wie sie wirklich vorgezeichnet ist, und daß er dieselbe in allen ihren Theilen, als durchaus noth¬ wendig aus ihren Gründen verstehe. Dies ist nun abermals bloßes Werk der Erkennt¬ niß. In dieser gesellschaftlichen Ordnung muß nun im wirklichen Leben jeder Einzelne um des Ganzen willen immerfort gar vieles unterlassen, was er, wenn er sich allein be¬ fände, unbedenklich thun könnte; und es wird zweckmäßig seyn, daß in der Gesezgebung, und in dem darauf zu bauenden Unterrichte
uns geſtellte Aufgabe alſo: Ohne Zweifel wer¬ den doch die Zoͤglinge dieſer neuen Erziehung, obwohl abgeſondert von der ſchon erwachſe¬ nen Gemeinheit, dennoch untereinander ſelbſt in Gemeinſchaft leben, und ſo ein abgeſon¬ dertes und fuͤr ſich ſelbſt beſtehendes Gemein- Weſen bilden, das ſeine genau beſtimmte, in der Natur der Dinge gegruͤndete, und von der Vernunft durchaus geforderte Verfaſſung habe. Das allererſte Bild einer geſelligen Ord¬ nung, zu deſſen Entwerfung der Geiſt des Zoͤglings angeregt werde, ſey dieſes der Ge¬ meine, in der er ſelber lebt, alſo, daß er in¬ nerlich gezwungen ſey, dieſe Ordnung Punkt fuͤr Punkt gerade alſo ſich zu bilden, wie ſie wirklich vorgezeichnet iſt, und daß er dieſelbe in allen ihren Theilen, als durchaus noth¬ wendig aus ihren Gruͤnden verſtehe. Dies iſt nun abermals bloßes Werk der Erkennt¬ niß. In dieſer geſellſchaftlichen Ordnung muß nun im wirklichen Leben jeder Einzelne um des Ganzen willen immerfort gar vieles unterlaſſen, was er, wenn er ſich allein be¬ faͤnde, unbedenklich thun koͤnnte; und es wird zweckmaͤßig ſeyn, daß in der Geſezgebung, und in dem darauf zu bauenden Unterrichte
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uns geſtellte Aufgabe alſo: Ohne Zweifel wer¬
den doch die Zoͤglinge dieſer neuen Erziehung,
obwohl abgeſondert von der ſchon erwachſe¬
nen Gemeinheit, dennoch untereinander ſelbſt
in Gemeinſchaft leben, und ſo ein abgeſon¬
dertes und fuͤr ſich ſelbſt beſtehendes Gemein-
Weſen bilden, das ſeine genau beſtimmte, in
der Natur der Dinge gegruͤndete, und von
der Vernunft durchaus geforderte Verfaſſung
habe. Das allererſte Bild einer geſelligen Ord¬
nung, zu deſſen Entwerfung der Geiſt des
Zoͤglings angeregt werde, ſey dieſes der Ge¬
meine, in der er ſelber lebt, alſo, daß er in¬
nerlich gezwungen ſey, dieſe Ordnung Punkt
fuͤr Punkt gerade alſo ſich zu bilden, wie ſie
wirklich vorgezeichnet iſt, und daß er dieſelbe
in allen ihren Theilen, als durchaus noth¬
wendig aus ihren Gruͤnden verſtehe. Dies
iſt nun abermals bloßes Werk der Erkennt¬
niß. In dieſer geſellſchaftlichen Ordnung
muß nun im wirklichen Leben jeder Einzelne
um des Ganzen willen immerfort gar vieles
unterlaſſen, was er, wenn er ſich allein be¬
faͤnde, unbedenklich thun koͤnnte; und es wird
zweckmaͤßig ſeyn, daß in der Geſezgebung,
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/82>, abgerufen am 24.11.2024.
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