Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

menschlichen, und nationalen Zweck, nicht
mehr vermögen würden, als dergleichen Män¬
ner auch bisher vermocht haben; ermahnen,
und wieder ermahnen, und sich anstaunen
und nach Gelegenheit schmähen zu lassen.
Aber es ist klar, und ist auch schon oben
gesagt, daß diese freie Thätigkeit des Geistes
in der Absicht entwickelt worden, damit der
Zögling mit derselben frei das Bild einer
sittlichen Ordnung des wirklich vorhandenen
Lebens entwerfe, dieses Bild mit der in ihm
gleichfalls schon entwickelten Liebe fasse, und
durch diese Liebe getrieben werde, dasselbe in
und durch sein Leben wirklich darzustellen.
Es fragt sich, wie die neue Erziehung sich
den Beweis führen könne, daß sie diesen
ihren eigentlichen und letzten Zweck an ihrem
Zöglinge erreicht habe?

Zuförderst ist klar, daß die schon früher
an andern Gegenständen geübte geistige Thä¬
tigkeit des Zöglings angeregt werden müsse,
ein Bild von der gesellschaftlichen Ordnung
der Menschen, so wie dieselbe nach dem Ver¬
nunftgesetze schlechthin seyn soll, zu entwerfen.
Ob dieses, vom Zöglinge entworfene Bild
richtig sey, ist von einer Erziehung, die nur

menſchlichen, und nationalen Zweck, nicht
mehr vermoͤgen wuͤrden, als dergleichen Maͤn¬
ner auch bisher vermocht haben; ermahnen,
und wieder ermahnen, und ſich anſtaunen
und nach Gelegenheit ſchmaͤhen zu laſſen.
Aber es iſt klar, und iſt auch ſchon oben
geſagt, daß dieſe freie Thaͤtigkeit des Geiſtes
in der Abſicht entwickelt worden, damit der
Zoͤgling mit derſelben frei das Bild einer
ſittlichen Ordnung des wirklich vorhandenen
Lebens entwerfe, dieſes Bild mit der in ihm
gleichfalls ſchon entwickelten Liebe faſſe, und
durch dieſe Liebe getrieben werde, daſſelbe in
und durch ſein Leben wirklich darzuſtellen.
Es fragt ſich, wie die neue Erziehung ſich
den Beweis fuͤhren koͤnne, daß ſie dieſen
ihren eigentlichen und letzten Zweck an ihrem
Zoͤglinge erreicht habe?

Zufoͤrderſt iſt klar, daß die ſchon fruͤher
an andern Gegenſtaͤnden geuͤbte geiſtige Thaͤ¬
tigkeit des Zoͤglings angeregt werden muͤſſe,
ein Bild von der geſellſchaftlichen Ordnung
der Menſchen, ſo wie dieſelbe nach dem Ver¬
nunftgeſetze ſchlechthin ſeyn ſoll, zu entwerfen.
Ob dieſes, vom Zoͤglinge entworfene Bild
richtig ſey, iſt von einer Erziehung, die nur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0080" n="74"/>
men&#x017F;chlichen, und nationalen Zweck, nicht<lb/>
mehr vermo&#x0364;gen wu&#x0364;rden, als dergleichen Ma&#x0364;<lb/>
ner auch bisher vermocht haben; ermahnen,<lb/>
und wieder ermahnen, und &#x017F;ich an&#x017F;taunen<lb/>
und nach Gelegenheit &#x017F;chma&#x0364;hen zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Aber es i&#x017F;t klar, und i&#x017F;t auch &#x017F;chon oben<lb/>
ge&#x017F;agt, daß die&#x017F;e freie Tha&#x0364;tigkeit des Gei&#x017F;tes<lb/>
in der Ab&#x017F;icht entwickelt worden, damit der<lb/>
Zo&#x0364;gling mit der&#x017F;elben frei das Bild einer<lb/>
&#x017F;ittlichen Ordnung des wirklich vorhandenen<lb/>
Lebens entwerfe, die&#x017F;es Bild mit der in ihm<lb/>
gleichfalls &#x017F;chon entwickelten Liebe fa&#x017F;&#x017F;e, und<lb/>
durch die&#x017F;e Liebe getrieben werde, da&#x017F;&#x017F;elbe in<lb/>
und durch &#x017F;ein Leben wirklich darzu&#x017F;tellen.<lb/>
Es fragt &#x017F;ich, wie die neue Erziehung &#x017F;ich<lb/>
den Beweis fu&#x0364;hren ko&#x0364;nne, daß &#x017F;ie die&#x017F;en<lb/>
ihren eigentlichen und letzten Zweck an ihrem<lb/>
Zo&#x0364;glinge erreicht habe?</p><lb/>
        <p>Zufo&#x0364;rder&#x017F;t i&#x017F;t klar, daß die &#x017F;chon fru&#x0364;her<lb/>
an andern Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden geu&#x0364;bte gei&#x017F;tige Tha&#x0364;¬<lb/>
tigkeit des Zo&#x0364;glings angeregt werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e,<lb/>
ein Bild von der ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen Ordnung<lb/>
der Men&#x017F;chen, &#x017F;o wie die&#x017F;elbe nach dem Ver¬<lb/>
nunftge&#x017F;etze &#x017F;chlechthin &#x017F;eyn &#x017F;oll, zu entwerfen.<lb/>
Ob die&#x017F;es, vom Zo&#x0364;glinge entworfene Bild<lb/>
richtig &#x017F;ey, i&#x017F;t von einer Erziehung, die nur<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0080] menſchlichen, und nationalen Zweck, nicht mehr vermoͤgen wuͤrden, als dergleichen Maͤn¬ ner auch bisher vermocht haben; ermahnen, und wieder ermahnen, und ſich anſtaunen und nach Gelegenheit ſchmaͤhen zu laſſen. Aber es iſt klar, und iſt auch ſchon oben geſagt, daß dieſe freie Thaͤtigkeit des Geiſtes in der Abſicht entwickelt worden, damit der Zoͤgling mit derſelben frei das Bild einer ſittlichen Ordnung des wirklich vorhandenen Lebens entwerfe, dieſes Bild mit der in ihm gleichfalls ſchon entwickelten Liebe faſſe, und durch dieſe Liebe getrieben werde, daſſelbe in und durch ſein Leben wirklich darzuſtellen. Es fragt ſich, wie die neue Erziehung ſich den Beweis fuͤhren koͤnne, daß ſie dieſen ihren eigentlichen und letzten Zweck an ihrem Zoͤglinge erreicht habe? Zufoͤrderſt iſt klar, daß die ſchon fruͤher an andern Gegenſtaͤnden geuͤbte geiſtige Thaͤ¬ tigkeit des Zoͤglings angeregt werden muͤſſe, ein Bild von der geſellſchaftlichen Ordnung der Menſchen, ſo wie dieſelbe nach dem Ver¬ nunftgeſetze ſchlechthin ſeyn ſoll, zu entwerfen. Ob dieſes, vom Zoͤglinge entworfene Bild richtig ſey, iſt von einer Erziehung, die nur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/80
Zitationshilfe: Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/80>, abgerufen am 24.11.2024.