alle Ausnahme waltende Grundgesez der gei¬ stigen Natur des Menschen, daß er geistige Thätigkeit unmittelbar anstrebe.
Sollte jemand, durch die gewöhnliche Er¬ fahrung unserer Tage irre geleitet, sogar ge¬ gen das Vorhandenseyn eines solchen Grund¬ gesetzes Zweifel hegen, so merken wir für einen solchen zum Ueberflusse an, daß der Mensch von Natur allerdings bloß sinnlich und selbstsüchtig ist, so lange die unmittel¬ bare Noth, und das gegenwärtige sinnliche Bedürfniß ihn treibt, und daß er durch kein geistiges Bedürfniß, oder irgend eine scho¬ nende Rücksicht sich abhalten läßt, dieses zu befriedigen; daß er aber, nachdem nur die¬ sem abgeholfen ist, wenig Neigung hat, das schmerzhafte Bild desselben in seiner Phantasie zu bearbeiten, und es sich gegenwärtig zu erhalten, sondern daß er es weit mehr liebt, den losgebundenen Gedanken auf die freie Betrachtung dessen, was die Aufmerksamkeit seiner Sinne reizt, zu richten, ja daß er auch einen dichterischen Ausflug in ideale Welten gar nicht verschmäht, indem ihm von Natur ein leichter Sinn beiwohnt für das Zeitliche,
alle Ausnahme waltende Grundgeſez der gei¬ ſtigen Natur des Menſchen, daß er geiſtige Thaͤtigkeit unmittelbar anſtrebe.
Sollte jemand, durch die gewoͤhnliche Er¬ fahrung unſerer Tage irre geleitet, ſogar ge¬ gen das Vorhandenſeyn eines ſolchen Grund¬ geſetzes Zweifel hegen, ſo merken wir fuͤr einen ſolchen zum Ueberfluſſe an, daß der Menſch von Natur allerdings bloß ſinnlich und ſelbſtſuͤchtig iſt, ſo lange die unmittel¬ bare Noth, und das gegenwaͤrtige ſinnliche Beduͤrfniß ihn treibt, und daß er durch kein geiſtiges Beduͤrfniß, oder irgend eine ſcho¬ nende Ruͤckſicht ſich abhalten laͤßt, dieſes zu befriedigen; daß er aber, nachdem nur die¬ ſem abgeholfen iſt, wenig Neigung hat, das ſchmerzhafte Bild deſſelben in ſeiner Phantaſie zu bearbeiten, und es ſich gegenwaͤrtig zu erhalten, ſondern daß er es weit mehr liebt, den losgebundenen Gedanken auf die freie Betrachtung deſſen, was die Aufmerkſamkeit ſeiner Sinne reizt, zu richten, ja daß er auch einen dichteriſchen Ausflug in ideale Welten gar nicht verſchmaͤht, indem ihm von Natur ein leichter Sinn beiwohnt fuͤr das Zeitliche,
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alle Ausnahme waltende Grundgeſez der gei¬
ſtigen Natur des Menſchen, daß er geiſtige
Thaͤtigkeit unmittelbar anſtrebe.
Sollte jemand, durch die gewoͤhnliche Er¬
fahrung unſerer Tage irre geleitet, ſogar ge¬
gen das Vorhandenſeyn eines ſolchen Grund¬
geſetzes Zweifel hegen, ſo merken wir fuͤr
einen ſolchen zum Ueberfluſſe an, daß der
Menſch von Natur allerdings bloß ſinnlich
und ſelbſtſuͤchtig iſt, ſo lange die unmittel¬
bare Noth, und das gegenwaͤrtige ſinnliche
Beduͤrfniß ihn treibt, und daß er durch kein
geiſtiges Beduͤrfniß, oder irgend eine ſcho¬
nende Ruͤckſicht ſich abhalten laͤßt, dieſes zu
befriedigen; daß er aber, nachdem nur die¬
ſem abgeholfen iſt, wenig Neigung hat, das
ſchmerzhafte Bild deſſelben in ſeiner Phantaſie
zu bearbeiten, und es ſich gegenwaͤrtig zu
erhalten, ſondern daß er es weit mehr liebt,
den losgebundenen Gedanken auf die freie
Betrachtung deſſen, was die Aufmerkſamkeit
ſeiner Sinne reizt, zu richten, ja daß er auch
einen dichteriſchen Ausflug in ideale Welten
gar nicht verſchmaͤht, indem ihm von Natur
ein leichter Sinn beiwohnt fuͤr das Zeitliche,
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Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/69>, abgerufen am 24.11.2024.
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