bewirken, der sie über die Rüksichten der Klug¬ heit und des Anstandes so kühn hinweg sezt? Gern möchten wir ihnen diesen guten Willen zutrauen, wenn nur die Gründlichkeit der Ein¬ sicht, und des Verstandes sie berechtigte, in diesem Fache guten Willen zu haben. Nicht sowohl die einzelnen Personen, die von ohnge¬ fähr auf den höchsten Plätzen sich befunden ha¬ ben, sondern die Verbindung und Verwikkelung des Ganzen der ganze Geist der Zeit, die Irr¬ thümer, die Unwissenheit, Seichtigkeit, Ver¬ zagtheit, und der von diesen unabtrennliche unsichere Schritt, die gesammten Sitten der Zeit sind es, die unsere Uebel herbei geführt haben; und so sind es denn weit weniger die Personen, welche gehandelt haben, denn die Plätze, und jederman, und die heftigen Tad¬ ler selbst, können mit hoher Wahrscheinlichkeit annehmen, daß sie, an demselben Platze sich be¬ findend, durch die Umgebungen ohngefähr zu demselben Ziele würden hingedrängt worden seyn. Träume man weniger von überlegter Bosheit und Verrath! Unverstand und Träg¬ heit reichen fast allenthalben aus, um die Bege¬
bewirken, der ſie uͤber die Ruͤkſichten der Klug¬ heit und des Anſtandes ſo kuͤhn hinweg ſezt? Gern moͤchten wir ihnen dieſen guten Willen zutrauen, wenn nur die Gruͤndlichkeit der Ein¬ ſicht, und des Verſtandes ſie berechtigte, in dieſem Fache guten Willen zu haben. Nicht ſowohl die einzelnen Perſonen, die von ohnge¬ faͤhr auf den hoͤchſten Plaͤtzen ſich befunden ha¬ ben, ſondern die Verbindung und Verwikkelung des Ganzen der ganze Geiſt der Zeit, die Irr¬ thuͤmer, die Unwiſſenheit, Seichtigkeit, Ver¬ zagtheit, und der von dieſen unabtrennliche unſichere Schritt, die geſammten Sitten der Zeit ſind es, die unſere Uebel herbei gefuͤhrt haben; und ſo ſind es denn weit weniger die Perſonen, welche gehandelt haben, denn die Plaͤtze, und jederman, und die heftigen Tad¬ ler ſelbſt, koͤnnen mit hoher Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß ſie, an demſelben Platze ſich be¬ findend, durch die Umgebungen ohngefaͤhr zu demſelben Ziele wuͤrden hingedraͤngt worden ſeyn. Traͤume man weniger von uͤberlegter Bosheit und Verrath! Unverſtand und Traͤg¬ heit reichen faſt allenthalben aus, um die Bege¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0446"n="440"/>
bewirken, der ſie uͤber die Ruͤkſichten der Klug¬<lb/>
heit und des Anſtandes ſo kuͤhn hinweg ſezt?<lb/>
Gern moͤchten wir ihnen dieſen guten Willen<lb/>
zutrauen, wenn nur die Gruͤndlichkeit der Ein¬<lb/>ſicht, und des Verſtandes ſie berechtigte, in<lb/>
dieſem Fache guten Willen zu haben. Nicht<lb/>ſowohl die einzelnen Perſonen, die von ohnge¬<lb/>
faͤhr auf den hoͤchſten Plaͤtzen ſich befunden ha¬<lb/>
ben, ſondern die Verbindung und Verwikkelung<lb/>
des Ganzen der ganze Geiſt der Zeit, die Irr¬<lb/>
thuͤmer, die Unwiſſenheit, Seichtigkeit, Ver¬<lb/>
zagtheit, und der von dieſen unabtrennliche<lb/>
unſichere Schritt, die geſammten Sitten der<lb/>
Zeit ſind es, die unſere Uebel herbei gefuͤhrt<lb/>
haben; und ſo ſind es denn weit weniger die<lb/>
Perſonen, welche gehandelt haben, denn die<lb/>
Plaͤtze, und jederman, und die heftigen Tad¬<lb/>
ler ſelbſt, koͤnnen mit hoher Wahrſcheinlichkeit<lb/>
annehmen, daß ſie, an demſelben Platze ſich be¬<lb/>
findend, durch die Umgebungen ohngefaͤhr zu<lb/>
demſelben Ziele wuͤrden hingedraͤngt worden<lb/>ſeyn. Traͤume man weniger von uͤberlegter<lb/>
Bosheit und Verrath! Unverſtand und Traͤg¬<lb/>
heit reichen faſt allenthalben aus, um die Bege¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[440/0446]
bewirken, der ſie uͤber die Ruͤkſichten der Klug¬
heit und des Anſtandes ſo kuͤhn hinweg ſezt?
Gern moͤchten wir ihnen dieſen guten Willen
zutrauen, wenn nur die Gruͤndlichkeit der Ein¬
ſicht, und des Verſtandes ſie berechtigte, in
dieſem Fache guten Willen zu haben. Nicht
ſowohl die einzelnen Perſonen, die von ohnge¬
faͤhr auf den hoͤchſten Plaͤtzen ſich befunden ha¬
ben, ſondern die Verbindung und Verwikkelung
des Ganzen der ganze Geiſt der Zeit, die Irr¬
thuͤmer, die Unwiſſenheit, Seichtigkeit, Ver¬
zagtheit, und der von dieſen unabtrennliche
unſichere Schritt, die geſammten Sitten der
Zeit ſind es, die unſere Uebel herbei gefuͤhrt
haben; und ſo ſind es denn weit weniger die
Perſonen, welche gehandelt haben, denn die
Plaͤtze, und jederman, und die heftigen Tad¬
ler ſelbſt, koͤnnen mit hoher Wahrſcheinlichkeit
annehmen, daß ſie, an demſelben Platze ſich be¬
findend, durch die Umgebungen ohngefaͤhr zu
demſelben Ziele wuͤrden hingedraͤngt worden
ſeyn. Traͤume man weniger von uͤberlegter
Bosheit und Verrath! Unverſtand und Traͤg¬
heit reichen faſt allenthalben aus, um die Bege¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fichte, Johann Gottlieb: Reden an die deutsche Nation. Berlin, 1808, S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fichte_reden_1808/446>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.